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Zwischen Skepsis und Hype

Das soziale Netzwerk Facebook will zum Schwergewicht an der New Yorker Nasdaq werden. Seit Monaten fiebern Investoren und Händler dem Börsengang entgegen. Am 18. Mai soll es soweit sein. Aber so euphorisch die einen sind, so skeptisch sind die anderen: Die Mega-IPO spaltet die Investoren-Gemeinde.

Von Miriam Braun | 14.05.2012
    Stippvisite in New York. Mark Zuckerberg und sein Managementteam haben in den vergangenen Tagen viel Zeit in der Finanzmetropole verbracht, um bei den großen Bankhäusern um Investoren zu werben. Vor den allzeit verschlossenen Türen war der Medienrummel trotzdem groß: Eine TV-Moderatorin:

    "Vor wenigen Sekunden hat mich eine alte Dame hier auf die Schulter getippt und gefragt: Welcher Präsident wird hier erwartet' Ich habe ihr gesagt: Wir warten auf Mark Zuckerberg, den Chef von Facebook. Verständnislos ist sie weiter gezogen.”"

    Der Facebook-Börsengang spaltet auch innerhalb der Finanzindustrie die Gemüter. Fast 900 Millionen Menschen nutzen Facebook weltweit, das ist drei Mal die Bevölkerung der USA. 900 Millionen mal personenspezifische Daten über Interessen, Vorlieben und Lebenswandel – allzeit aktuell und Geld wert: Über drei Milliarden Dollar konnte das Netzwerk im vergangenen Jahr bereits über Werbung einnehmen. Die 100 Milliarden, die Facebook durch den Börsengang eintreiben will, rechtfertigt das Kritikern zufolge trotzdem nicht. Wall Street-Händler Louis Sulsenti:

    ""Naja, es ist Facebook. Facebook kann alles schaffen. Die Investmentgemeinde kennt die gigantischen Nutzerzahlen und Wachstumschancen. Das wird der größte Börsengang aller Zeiten."

    Die Zukunft des Internetgeschäfts liegt, Analysten zufolge, im Bereich mobile Nutzung über das Handy oder andere Geräte – hier fehlt vielen Beobachtern bei Facebook das Geschäftsmodell. Rosanne Fiske ist Professorin für Journalismus und Massenkommunikation der Florida International University:

    "Allein im März haben die Nutzer das Netzwerk 100 Minuten länger über ihr Handy genutzt als über ihren Computer. Wie man die mobile Nutzung zu Geld macht, da gibt es noch keine Ideen."

    Trotz der hohen Nutzerzahl sinkt seit geraumer Zeit die Aktivität dieser Nutzer. Analysten nennen den Trend: Sharing Fatigue, die Müdigkeit immer alles mit dem gesamten Netzwerk teilen zu wollen. Facebook müsse daher langfristig flexibler werden und breiter operieren. Hannibal Travis, ebenfalls Professor in Florida, spezialisiert auf neue Technologien und Internetmärkte.

    "Facebook könnte als Mulitmedia-Company operieren. Spiele, Videos und Filme weiter integrieren – oder auch auf Telekommunikation setzen: Infrastruktur kaufen oder entwickeln und dann auch als Telefonanbieter operieren."

    Mark Zuckerberg widmet in dem 30-minütigen Werbefilm zur Roadshow gerade mal vier Minuten seinen Zukunftsvisionen: Facebook soll das Dreh- und Angelkreuz von mobilen Anwendungen und sozialer Software werden.

    Der dickköpfige CEO selbst gilt als kritischer Faktor: Er wird mit über 57 Prozent so viel Stimmrecht und damit Entscheidungsmacht innehaben wie kein anderer Chef einer börsennotierten Firma. Und sein jüngster Entschluss beispielsweise, eine Milliarde für die Foto-Anwendung Instagram auszugeben, stießen in weiten Teilen der Finanzbranche auf Unverständnis.

    Der Deutschlandfunk begleitet den Börsengang mit einem Themenschwerpunkt:
    Mit Userdaten Geld verdienen - Facebook geht an die Börse