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Zwischen Zensur und Massenabsatz

Im Iran gilt das Urheberrecht nicht viel - eigentlich gar nichts. Die Geschichtssatire "Bitterer Kaffee" des Regisseurs Mehran Modiri löste allerdings ein Umdenken in Sachen DVD-Raubkopien aus.

Von Stephanie Rohde | 26.11.2010
    Er stürzt einen bitteren Kaffee hinunter, fällt plötzlich ins Delirium und erwacht 200 Jahre vor seiner Geburt. Verwirrt wandelt der Zeitreisende im Palast des persischen Kadscharenkönigs umher, lauscht einigen sinnfreien Unterhaltungen und erkundigt sich, ob es sich dabei um Comedy oder Geschichte handele. Er kommt zu dem Schluss, dass es sich um eine geschichtliche Komödie handeln müsse.

    Auch in den weiteren Folgen der iranischen Serie "Bitterer Kaffee" wird sich der zeitreisende Geschichtsprofessor des öfteren die Frage stellen, ob er tatsächlich persische Geschichte oder nur Satire erlebt. Durch seine Augen sehen die Zuschauer die in ebenso komödiantischer wie feinsinniger Weise entlarvte Selbstbezogenheit und Verlogenheit der damaligen Gesellschaft.
    Eigentlich wollte der Regisseur Mehran Modiri die 90 Folgen seiner Serie im iranischen Staatsfernsehen ausstrahlen lassen. Doch weil Modiri und die Programmchefs sich über die Finanzierung uneinig waren, wurde die Serie nicht gesendet. So die offizielle Begründung. Inoffiziell heißt es, der Inhalt sei problematisch gewesen. Ezat-allah Zarghami, Leiter des iranischen Rundfunks, äußerte sich dazu schmallippig, man habe die Serie nicht mitproduziert und billige sie in keiner Weise.

    Dass die Iraner nun aber jeweils drei Folgen des "bitteren Kaffees" für knapp zwei Euro wöchentlich auf DVDs kaufen und nicht - wie sonst üblich - kopieren oder im Internet herunterladen, liegt am Regisseur selbst. Normalerweise kann jeder im Iran alles kopieren und weiterverkaufen; das Urheberrecht wird sogar von staatlicher Seite missachtet. Im vergangenen Monat hat Mehran Modiri die Iraner wirkungsvoll dazu aufgerufen, das Urheberrecht seiner Serie zu achten:

    "Ganz generell müsst ihr bedenken, dass wir sehr hart für diese Serie gearbeitet haben. Wenn ihr sie jetzt nur kopiert und nicht dafür zahlt, ist das unmenschlich. Deshalb bitte ich euch, meine Lieben, bitte, bitte fertigt keine Kopien dieser Serie an und kauft auch keine illegalen Kopien. Kauft das Original!"

    Bislang folgten ihm mehrere Millionen Iraner, die für die DVDs gezahlt haben. Selten lässt sich symbolische Solidarität so gut messen wie hier. Darüber hinaus ist das ein deutliches Signal an die Staatsführung: Der staatlich kontrollierten Kunst- und Filmindustrie muss etwas entgegengesetzt werden. Shahrivar Siami, ehemaliger Regisseur für das iranische Staatsfernsehen und Filmkritiker der größten Oppositionszeitung Irans verfolgt die Serie seines Kollegen begeistert:

    "Die Iraner unterstützen Modiri, weil es sich um die erste Serie im Iran handelt, die nicht vom Staatsfernsehen produziert und finanziert wurde. Das zeigt, dass das Monopol des staatlich kontrollierten Rundfunks gebrochen werden kann. Die Leute entwickeln gerade ein Bewusstsein dafür, dass das geistige Eigentum geschützt werden muss und es sich zudem lohnt, für hochwertige Filmproduktionen Geld auszugeben."

    Die Serie ist so populär, weil sie reich an Anspielungen auf all das ist, was in der iranischen Gesellschaft schief läuft. Dass die meisten Iraner zu jedem Charakter problemlos das Pendant in der politischen Realität der Gegenwart ausfindig machen können, erklärt Siami so:

    "Die aktuelle politische Lage ähnelt der der Kadscharenzeit sehr. Deshalb sind die Anspielungen auf aktuelle Politiker so offensichtlich. Ein wenig subtiler sind die gesellschaftlichen Anspielungen; so wird beispielsweise auch Homosexualität behandelt und es werden Witze über Männer gemacht, die nicht verstehen wollen, dass ihre Frauen ein Recht darauf haben zu studieren und zu arbeiten."

    Modiri geht sogar soweit, in einer Szene den Umgang mit Gefangenen und deren mögliche Enthauptung zu thematisieren. Das mag man als harmlose Comedy bezeichnen oder aber als kunstvoll verpackte Kritik an der politische Realität in der islamischen Republik Iran.