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Zwischenbilanz
EU-Kommissar: Flüchtlingspakt mit der Türkei funktioniert

Seit die EU und die Türkei ihren Flüchtlingspakt geschlossen haben, kommen deutlich weniger Migranten in Griechenland und Italien an. Obwohl dort die Lage weiter schwierig ist, sieht die EU-Kommission Verbesserungen. Von neuen Flüchtlingswellen werde Europa nicht mehr überrascht, sagt Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos.

Von Karin Bensch | 29.09.2016
    Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze im März 2016.
    Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze im März 2016. (picture alliance / dpa / Georgi Licovski)
    "Wir sind heute besser auf neue Flüchtlingswellen vorbereitet, als wir es waren", sagt Dimitris Avramopoulos. Der Grieche ist in der EU-Kommission für Migration zuständig. "Denken Sie mal daran, wo wir vor einem Jahr standen und wo wir jetzt sind", sagt Avramopoulos.
    Innerhalb eines Jahres wurde einiges angeschoben, um die großen Flüchtlingsströme des Jahres 2015 künftig zu verhindern. Etwa die EU-Türkei-Vereinbarung. Die Zahl der aus der Türkei ankommenden Migranten ist von mehr als 1.700 pro Tag auf durchschnittlich 85 am Tag zurückgegangen, sagt die EU-Kommission. Die NATO patrouilliert in der griechischen Ägäis. Die Westbalkanroute ist versperrt. Das Geschäft der Schlepper sei zusammengebrochen. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll nun noch die Grenze von Bulgarien zur Türkei abdichten. Migrationskommissar Avramopoulos ist der Meinung: "Wir haben Fortschritte gemacht".
    Neue Flüchtlingswelle aus Afrika?
    Doch reichen Fortschritte? Die EU ist ungenügend auf einen erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen vorbereitet, kritisiert das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen. Vor allem, wenn es um Notfallplanungen geht, warnt Vincent Cochetel, der europäische Direktor des UNHCR. Die Lage in Afghanistan und Syrien bleibe schwierig. Im Irak, wo die Terrormiliz "IS" große Gebiete kontrolliert, könne es schlimmer werden. Hinzu kommt Italien. Ja, wir wissen, dass der Zustrom über das Mittelmeer nach Italien anhält, räumt Migrationskommissar Avramopoulos ein.

    Im September ist die Zahl der Flüchtlinge in Italien auf knapp 160.000 gestiegen. Ein Rekordhoch. Laut eines österreichischen Geheimdienstberichts könnte es noch in diesem Herbst eine neue Flüchtlingswelle aus Afrika geben. Danach hielten sich derzeit rund 900.000 Migranten in Libyen auf, geschätzte 200.000 von ihnen könnten nach Europa kommen. Österreich bereitet sich seit Monaten auf eine umfassendere Sicherung der Grenze zu Italien vor. Die EU und die Mitgliedsländer betreiben eine Politik der Angst und der Zäune, die Menschen zurückdrängt, kritisiert Iverna McGowan von Amnesty International.
    Die EU-Kommission setzt auf die Sicherung der europäischen Außengrenzen
    Dies ist die größte Flüchtlingskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, sagt die Menschenrechtlerin. Die EU habe das Geld, die Mittel und die politischen Instrumente, um mit der Situation human umzugehen, doch sie habe sich dagegen entschieden. Das ist unverantwortlich und zu kurz gedacht, meint McGowan. Denn es gebe keinen Zaun, der höher sei, als der Wille eines Menschen zu überleben.
    Die EU-Kommission dagegen setzt derzeit sehr stark auf die Sicherung der europäischen Außengrenzen. Und den Stopp irregulärer Migration, wie sie es nennt. Ja, wir sind besser vorbereitet als zuvor, sagt Migrationskommissar Avramopoulos. Europa wird in Zukunft nicht mehr von Flüchtlingswellen überrascht, meint der Grieche in Brüssel. Es wird spannend zu beobachten, ob er recht behält.