Aus den Feuilletons

Merkel als Romanheldin

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lässt sich am 10.09.2015 nach dem Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Berlin-Spandau für ein Selfie zusammen mit einem Flüchtling fotografieren.
Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber © picture alliance / dpa / Bernd Von Jutrczenka
Von Gregor Sander · 06.04.2017
"Oft wirkt sie im Fernsehen tapsig und stoffelig", sagt der Autor Konstantin Richter in der "Süddeutschen" über die Bundeskanzlerin. Das hat ihn motiviert, Angela Merkel in den Mittelpunkt eines Romans zu stellen − es geht um ihr Innenleben während der Flüchtlingskrise.
Die Kanzlerin war schon mehrfach Kunstfigur. Angela Merkel wurde in einem Theaterstück von Juli Zeh verewigt, sie wurde gemalt vom ehemaligen amerikanischen Präsidenten Georg W. Bush und nun ist sie auch eine Romanfigur, was, wie Autor Konstantin Richter in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG erklärt, nicht unbedingt auf der Hand liegt:
"Auf den ersten Blick ist sie keine ideale Romanheldin, weil ihr das Charismatische ja völlig abgeht. Es ist einem ja manchmal fast unangenehm, sie im Fernsehen zu sehen, weil sie oft so tapsig und stoffelig wirkt."
Doch das hat den 46-Jährigen eher gereizt und so ist der Roman "Die Kanzlerin – Eine Fiktion" entstanden. Er behandelt die Zeit der Flüchtlingskrise und stellt das Innenleben einer Frau ins Zentrum, die Richter so beschreibt:
"Wenn man weiß, dass auch sie selbst früher oft das Gefühl hatte, im Fernsehen nicht gut zu wirken, und dass sie überhaupt jemand ist, der zu Selbstzweifeln neigt und viel nachdenkt, dann entsteht eine zweite Ebene, wo man als Schriftsteller etwas ergänzen möchte."
Wie es zu Merkels berühmter "Wir schaffen das"-Entscheidung gekommen seien könnte, verrät Richter im Interview natürlich nicht, sieht sie dafür im literarischen Wahlkampf aber klar vorn.
"Wäre Martin Schulz ähnlich inspirierend?", fragt die SZ und Richter antwortet: "So aus dem Stand heraus würde ich sagen: Nein."

Bernie Sanders wird zum Klickkönig

Also kein literarischer Ruhm für den Charmeur aus Würselen. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich das ja noch. Denn auf Facebook sorgt auch gerade einer für Furore, den man da nicht unbedingt vermutet hätte. Bernie Sanders, der die Vorwahlen der Demokraten gegen Hillary Clinton verlor, wird zum Klickkönig, wie Patrick Jütte in der TAZ berichtet:
"Sanders muss jetzt kein linkes Wahlprogramm mehr verteidigen, sondern fragt einfach Experten nach den Problemen, die er angehen wollte: Gesundheitsversorgung, Einkommensungleichheit, Rassismus und Klimawandel."
Alles Themen, die auch der neue amerikanische Präsident behandelt, mit Vorliebe in knackigen Twitter-Meldungen. Sanders nimmt sich in seinen Videos etwas mehr Zeit und ist damit sehr erfolgreich:
"Insgesamt wurde seine Facebook-Seite seit Beginn des Jahres 164 Millionen Mal besucht. Gäbe es keine Mehrfachklicks Einzelner, könnte man meinen, die halben USA würden dem alten Sozialisten an den Lippen hängen."

"Peymanns Ausfälle sind lustig"

Aufmerksamkeit ist auch ein Lebenselixier von Claus Peymann, der noch ein paar Wochen als Intendant des Berliner Ensembles vor sich hat. Bevor hier die Scheinwerfer ausgehen, hat er sich, kurz vor seinem 80. Geburtstag, noch eine Autobiografie geschenkt: "Mord und Totschlag" lautet der Titel und Bernd Noak bekennt in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:
"Das wirklich Schlimme an Claus Peymann ist, dass er ständig Sätze von sich gibt, die so wunderbar zitierfähig sind."
Und dem kann natürlich auch der Kritiker nicht widerstehen:
"Seine Ausfälle, die oft einem überstrapazierten Selbstwertgefühl entspringen (Ich habe mir den Arsch nicht vergolden lassen), sind lustig und populär. Davon lebt also auch dieses Buch."
Im Sommer ist nun Schluss mit dem Intendanten Peymann und der erwartet – laut Zitat – nichts weiter als den Untergang:
"Wir erleben gerade das Waterloo des europäischen Theaters, und das Hauptschlachtfeld des Kampfes ist leider Deutschland."

Licht ist heute etwas zum Mitnehmen

Ein Licht aufgegangen ist hingegen Max Scharnigg von der SZ. Und zwar beim Rundgang auf der Mailänder Möbelmesse:
"Viele Hersteller haben dieses Jahr ein niedliches Lämpchen 'to go' im Angebot, meist in drolliger Pilzform und aufladbar über USB."
So beglückt ist Scharnigg von diesen neuen Lampen, dass sie ihm in eine helle Zukunft leuchten und die Vergangenheit in ein dunkles Licht stellen:
"Diese kleinen Neo-Laternen sind reizend, weil sie einerseits an das mobile Licht unserer Vorfahren – Fackel, Ölfunzel – erinnern und andererseits deutlich machen, wie sklavisch unsere bisherige Glühbirnen-Infrastruktur in den Häusern an den paar vorgegebenen Anschlüssen haftet. Vorbei! Licht ist heute wie Musik und Internet, etwas zum Aufladen und Mitnehmen."
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