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Zypries weist Schäuble-Vorstöße zur Terrorbekämpfung zurück

Die Überlegungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zur gezielten Tötung von Terroristen stoßen bei Justizministerin Brigitte Zypries auf Ablehnung. Sie rate dringend davon ab, an solche Szenarien überhaupt zu denken, sagte die SPD-Politikerin. Sie verwies darauf, dass die Todesstrafe in Deutschland abgeschafft sei.

14.07.2007
    Christiane Kaess: Sind Sie erleichtert, dass sich das umstrittene Instrument der Online-Durchsuchung nicht so ohne weiteres durchgesetzt hat?

    Brigitte Zypries: Nein, das ist jetzt keine Frage von Erleichterung, sondern es ist ja klar, dass das ein Bereich ist, der sowohl technisch ausgesprochen schwierig ist als auch rechtlich ausgesprochen schwierig. Und ich hatte deshalb nicht erwartet, dass man sich so schnell jetzt auf einmal wird einigen können. Die Diskussion läuft ja auch schon länger und fängt jetzt im Grunde wieder neu an mit Abgeordneten gemeinsam. Da muss man ja quasi wieder von vorne anfangen.

    Kaess: Damit verzögert sich aber auch die überfällige Novellierung des BKA-Gesetzes. Also schlecht für den Kampf gegen den Terror?

    Zypries: Das ist die Sache von Herrn Schäuble. Er kann ja sein BKA-Gesetz ins Verfahren bringen.

    Kaess: Aber dann ohne die Online-Durchsuchung.

    Zypries: Ja, die könnte man ja im Laufe des Verfahrens dann gegebenenfalls ergänzen, das ist ja nicht unüblich, dass man im Laufe des Verfahrens das Gesetz noch mal ändert, im Gegenteil. Sie kennen die Struck'sche Formel: Kein Gesetz kommt so aus dem Deutschen Bundestag hinaus, wie es hineingegangen ist. Und das beinhaltet eben auch Ergänzungen noch mal. Also von daher könnte man das gut jetzt machen und das Kabinett erst mal befassen, den Bundesrat dann zunächst mal befassen. Es sind ja immer alles lange Zeitläufe.

    Kaess: Innenminister Schäuble kritisiert die SPD aber für ihre Haltung, und Unionsfraktionsvize Bosbach macht die SPD für die Verzögerung verantwortlich.

    Zypries: Na, den Schuh kann ich mir nicht anziehen. Denn wie gesagt, das BKA-Gesetz im Übrigen ist mit meinem Hause abgestimmt, und wir haben da auch eine Menge geholfen, um Formulierungen zu finden, die sowohl den Sicherheitsinteressen entsprechen als auch der Verfassung genügen. Und deswegen wäre mein Rat gewesen, das BKA-Gesetz jetzt erst mal in der Form, wo ja alle anderen Punkte geregelt werden, bis auf diese eine Maßnahme, ins Verfahren zu bringen.

    Kaess: Welche verfassungsrechtlichen Bedenken gibt es denn noch von Ihrer Seite aus?

    Zypries: Ja, die beziehen sich nur auf die Online-Durchsuchung.

    Kaess: Und welche sind das da genau?

    Zypries: Wir haben immer gesagt, wir müssen bei der Online-Durchsuchung zunächst mal klarmachen, was ist es eigentlich überhaupt, was kann man da machen, wie aufwendig ist es, wofür ist es überhaupt erforderlich, wofür brauchen die Sicherheitsbehörden das, an wie viele Fälle ist gedacht. Und die Frage ist ja dann eben auch, wie ist das Ganze verfassungsrechtlich einzustufen, das heißt, wie kann ich den Kernbereich privater Lebensgestaltung überhaupt garantieren? Und ist es eine Durchsuchung einer Wohnung, ist es dem gleichzusetzen oder ist es eine andere Durchsuchung oder ist es ein Abhören von Gesprächen? Also da gibt es ganz viele unterschiedliche juristische Kategorien, an die man da denken kann und die keineswegs ausdiskutiert sind.

    Kaess: Der innenpolitische Sprecher der SPD, Wiefelspütz, bringt es auf drei Punkte, auf drei Kriterien, die gegeben sein müssten: einen Richtervorbehalt, den strikten Schutz der Privatsphäre und die Unterrichtung der Betroffenen. Bleibt es bei diesen Kriterien?

    Zypries: Na, die Achtung der Privatsphäre ist das, was ich eben angesprochen habe mit dem Kernbereich privater Lebensgestaltung. Das ist sicherlich ausgesprochen schwierig, da zu garantieren. Und deswegen muss man eben mit den technisch versierten Menschen auch sprechen. Das können wir Juristen gar nicht alleine lösen, da brauchen wir die Hilfe von Informatikern.

    Kaess: Sehen Sie denn Chancen auf eine Einigung im August?

    Zypries: Im August, wenn man zwischendurch nicht da anfängt, das aufzuarbeiten, dann kann ich mir das nicht vorstellen, weil wie gesagt die Themen so komplex sind, dass man einfach etwas mehr Zeit braucht.

    Kaess: Vor dem Treffen haben Sie ja gesagt, dass BKA-Gesetz sei auf Ressortebene weitgehend abgestimmt und Sie seien kompromissbereit. Was heißt das denn genau?

    Zypries: Das heißt das, was ich Ihnen eben schon mal gesagt habe, dass das BKA-Gesetz bis auf die Online-Durchsuchung weitestgehend abgestimmt ist, das sind mehr technische Punkte, die da noch offen sind und die man sehr schnell einigen könnte. Und deshalb könnte das Gesetz eben auch ins Verfahren.

    Kaess: Frau Zypries, das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag die heimliche Abfrage von Stammdaten aller Kontoinhaber genehmigt, gleichzeitig hat es erklärt, dass sich neue Sicherheitsgesetze wie die Vorratsdatenspeicherung oder die Online-Durchsuchung am Recht, so heißt es, auf informationelle Selbstbestimmung messen lassen müssen. Ist damit die Online-Durchsuchung nicht ohnehin hinfällig?

    Zypries: Nein, das betrifft einen ganz anderen Bereich. Also diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft die Datensammlung. Und bei der Online-Durchsuchung geht es ja nicht um Datensammlungen, sondern da geht es darum, dass ich heimlich mittels einer Software auf die Festplatte eines Computers gehe. Das ist also keine Datensammlung in dem Sinne, sondern man weiß, dass da ein Bereich ist, von dem man gerne mehr wissen möchte, und geht ganz gezielt auf einen Computer oder zwei.

    Kaess: Sie haben ja dem Innenminister vorgeworfen, er ginge mit nicht abgestimmten Vorschlägen an die Öffentlichkeit. Das war jetzt bezogen auf die Vorschläge von Wolfgang Schäuble Anfang der Woche, zum Beispiel zur gezielten Tötung von Terroristen. Warum darf der Innenminister nicht laut nachdenken?

    Zypries: Ich habe dem Innenminister insoweit nicht vorgeworfen, dass er mit unabgestimmten Vorschlägen an die Öffentlichkeit gehen würde, weil der Vorschlag, jemanden zu erschießen, bei dem man gar nicht weiß, ob er eine Tat begangen hat, und im Übrigen überhaupt jemanden zu erschießen, staatlicherseits gar nicht abstimmungsfähig wäre. Es gibt bestimmte Dinge, da ist unsere Verfassung ganz eindeutig, und da meine ich, sollte man auch bei bleiben. Wir haben die Todesstrafe abgeschafft in Deutschland, und es ist erst recht überhaupt nicht vorstellbar, dass wir Menschen töten, ohne ihnen überhaupt den Prozess gemacht zu haben.

    Kaess: Der Innenminister hat da einen ganz konkreten Fall genannt. Das ist das Beispiel, Osama bin Laden würde in Afghanistan von den Amerikanern getötet und Deutsche hätten dabei geholfen, und dann würde die rechtliche Grundlage fehlen. Stimmt das denn?

    Zypries: Ich weiß jetzt nicht, was der Innenminister sich dabei vorgestellt hat und ich will das auch nicht bewerten. Das kann sich auf alle Fälle ja nicht um Handlungen in Deutschland durch deutsche Organe handeln.

    Kaess: Das Beispiel war ja auch in Afghanistan.

    Zypries: Ja, ich will das weiter nicht bewerten, was er sich dazu vorgestellt hat. Ich kann nur sagen, ich rate dringend davon ab, dass man solche Überlegungen überhaupt nur anstellt, die mit den wesentlichen Grundprinzipien unserer Verfassung nicht übereinstimmen. Und ich meine eben auch, dass der Innenminister als Verfassungsminister da eine besondere Verantwortung hat und dass man nicht solche Gedankenspiele in die Öffentlichkeit bringen sollte.

    Kaess: Die anderen Vorschläge haben sich bezogen auf einen Tatbestand der Verschwörung oder die Internierung Verdächtiger. Werden Sie sich damit auseinandersetzen?

    Zypries: Wir haben bereits verschiedene Tatbestände im Strafgesetzbuch, die es ermöglichen, im Vorfeld zu ermitteln. Also beispielsweise gibt es einen Tatbestand, der verbietet, dass man sich zur Begehung von Verbrechen verabredet, und das ist ja nichts anderes. Das heißt also, das ist in Deutschland längst strafbar, da haben wir gar keinen Nachholbedarf. Bei Hooligans weiß ich, dass ein Fußballspiel stattfindet, und ich habe dann das Recht nach den Polizeigesetzen, jemanden für kurze Zeit - meines Wissens sind es längstens 14 Tage - zu sistieren. Bei den Fällen, über die wir reden, geht es ja aber doch um Gefährder, wo wir nicht wissen, ob sie heute, in einem Jahr oder in drei Jahren gegebenenfalls. Taten begehen. Und ich kann ja nicht jemanden für den Rest seines Lebens festsetzen, nur weil ich meine, er könnte eventuell eine Tat begehen.

    Kaess: Was glauben Sie denn, ist die Absicht von Wolfgang Schäuble, mit solchen Vorschlägen an die Öffentlichkeit zu gehen?

    Zypries: Ich kann das schlussendlich nicht beurteilen, da müssten Sie ihn mal selber fragen. Ich bedaure nur, dass er die Schritte, die er unternehmen könnte, wie zum Beispiel das Bundeskriminalamts-Gesetz ins Verfahren zu bringen und damit eine Rechtsgrundlage zu schaffen für die neue Kompetenz des Bundeskriminalamts, die es ja schon seit knapp einem Jahr gibt, dass er diese konkreten Schritte nicht unternimmt.