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10. Todestag von Gary Moore
Drahtseilakt auf sechs Saiten

Am 6. Februar 2011 starb Gary Moore im Alter von nur 58 Jahren an einem Herzinfarkt. Der nordirische Gitarrist und Sänger beherrschte viele Stile, vor allem Bluesrock und Hardrock. Zwar endete seine Karriere trotz großer Erfolge fast im Stillen. Dennoch ist er unvergessen!

Von Fabian Elsäßer | 07.02.2021
Ein Mann in dunkler Kleidung mit lockigen Haaren steht auf einer Bühne. Er hält eine Gitarre in der Hand.
Gary Moore 2009 im Berliner Tempodrom (imago/images)
Musik: "Parisienne Walkways"
Wenn Gary Moore ein Gitarrensolo spielte, schien es, als regnete das ganze Leid der Welt auf ihn herab. Den Instrumentenhals zur Schulter hochgezogen, stand er da mit geschlossenen Augen, den Mund zu einem stillen Schrei aufgerissen, das ganze Gesicht mit den furchterregenden Narben am Mundwinkel zu einem einzigen Ausdruck von Schmerz verzerrt. Und die Gitarre sang dazu ihr Lied, öfter aber noch schluchzte sie oder schrie sie es heraus.
Musik: "Parisienne Walkways"

Auch George Harrison mochte ihn

Gary Moore einen Virtuosen zu nennen, ist keine Übertreibung. Er konnte bei Bedarf erstaunliche Notengebirge in kürzesten Zeitspannen auftürmen und diese ebenso waghalsig auch wieder herabstürmen. Dennoch war Hochgeschwindigkeitsakrobatik auf dem Griffbrett für ihn kein Ziel, allenfalls eines von vielen Stilmitteln. Es ging ihm nicht um Sport, es ging ihm ums Gefühl. Die Gitarre war Gary Moores zweite Stimme, und auch deswegen ließ er einzelnen Tönen viel Raum zum Atmen, waren ihm Melodien ebenso wichtig wie Riffs. Prominente Kollegen schätzen ihn dafür sehr, Ex-Beatle George Harrison beispielsweise.
Musik: "Like Angels"
Seiner eigenen, genauso kraftvoll und gleichzeitig sensibel klingenden Stimme vertraute er offenbar weniger. Anfangs teilte er sich den Gesang manchmal mit seinem alten Bandkollegen, dem Thin Lizzy-Sänger Phil Lynnot oder überließ diesem das Mikrofon gleich ganz.
Musik: "Military Man"

Kein Mann für feste Band-Bindungen

Und auch musikalisch suchte Gary Moore lange nach einer Heimat. Nach dem ersten Gastspiel bei Thin Lizzy spielte er zunächst bei einer Neu-Auflage der britischen Jazzrock-Band Colosseum.
Musik: "Colosseum II - 2 I am"
Spieltechnisch schien ihm das nicht die geringste Mühe zu bereiten, doch er blieb nicht lange bei Colosseum, wie es ihn ohnehin nur selten in einer Band hielt und er manche Karriere-Chance verstreichen ließ: als Ozzy Osbourne ihn anwerben wollte, lehnte er ab. Über verschiedene kurzlebige Projekte fand Gary Moore dennoch wieder zum Hardrock, streifte mit mächtiger Verzerrung und düsteren Akkorden gar den Heavy Metal. Er verband das aber geschickt mit irischen Folk-Traditionen, wodurch der Hit "Over the hills and far away" vom 1987er Album "Wild Frontier" entstand.

Der Blues bringt's

Musik: "Over the hills/ Walking by myself"
Autor: Schließlich gewann ab 1990 vollelektrifizierter Bluesrock die Überhand, der in Gary Moores Leben und Spiel immer schon präsent gewesen war. Zu seinen Vorbildern zählten Eric Clapton und Fleetwood Mac’s Peter Green, dem Moore in den frühen 70er Jahren sogar diese legendäre 1959er Gibson Les Paul abkaufte. Die klang so besonders, weil ein Magnet im halstonabnehmer falsch herum eingebaut war, und die falsche Phasenrichtung für einen betörend eigenen nasalen Ton sorgte. Inzwischen gehört das ikonische Instrument Kirk Hammet von Metallica, der darauf ungerührt Heavy Metal spielt.
Musik: "Separate Ways"
"Wir spielen den Blues, weil wir ihn haben. Und wenn wir ihn spielen, verlieren wir ihn", hat der US-Amerikaner Buddy Guy einmal gesagt. Er hätte auch Gary Moore damit meinen können, denn zu dem kam der Blues immer wieder zurück, im Leben fast noch häufiger als in der Musik.

Viel zu viel Lebens-Blues

Da ist zum Beispiel die traurige Geschichte hinter diesen Narben, die er auf Pressefotos oft verbarg, indem er in die andere Richtung blickte. Als er Mitte der 70er einmal in einem Londoner Musik-Club war, hörte er, wie zwei Männer Anzüglichkeiten über seine Freundin äußerten. Als er sie zur Rede stellte, schlug einer der Männer eine Flasche an der Thekenkante auf zog den zersplitterten Boden quer durch Moore’s Gesicht. Dieser Vorfall ließ den Musiker nicht nur körperlich gezeichnet zurück, sondern, wie Weggefährten versicherten, auch seelisch.
Musik: "Bring my baby back"
Und dann sind da die Karriere-Rückschläge ab den 90ern. Dass er mit dem Album "A different beat" offenbar ein originelles neues Genre erfinden wollte – so etwas wie Disco-oder Techno-Blues, nahmen ihm gleich beide Stammpublika übel: Rocker UND Blueser.

Der größte Hit brachte kein Glück

Auch die Rückkehr zu konventionelleren Klängen brachte seine Karriere nicht mehr richtig in Schwung. Seine finanziellen Probleme wurden so groß, dass er 2006 sogar seine geliebte Peter Green-Gitarre verkaufen musste, die ihn auf so vielen Songs begleitet hatte: laut Schätzungen für mindestens eine Dreiviertelmillion Dollar.
Musik: "Still got the blues"
Damit endeten die Schicksalsschläge für Gary Moore nicht. 2008 befand ein Münchner Gericht, dass er die Eingangsmelodie seines größten Hits "Still got the blues" von einem Song kopiert haben sollte, den gänzlich unbekannte Provinz-Musikanten aus Süddeutschland schon in den 70ern aufgenommen haben wollte. Moore zahlte eine unbekannte Summe. Schon möglich, dass dieses hart am Kitsch vorbeisegelnde Gefühlsdusulum von einem Song eine Kopie ist. Dass ausgerechnet dieser sein bekanntester wurde, ist die eigentliche Tragik daran. Er hat doch so viel Bessere geschrieben.