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100 Jahre DJK
Sport um der Menschen willen

Die Makkabi-Spiele sind immer wieder Treffpunkt des jüdischen Sports in Deutschland und weltweit. Auch die christlichen Kirchen haben ihre eigenen Sportverbände. Der größte von ihnen wurde als "Deutsche Jugend-Kraft" gegründet. Der katholische Verband feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen.

Von Matthias Friebe | 07.03.2020
Sportplatz an der Gneisenaustraße in Berlin Kreuzberg, hinten die Passionskirche am Marheinekeplatz.
Sport und Religion - eine ambivalente Beziehung. (imago/Schöning)
Wer an einem Wettkampf teilnimmt, der will gewinnen. Das verlangt der Sportsgeist. Beim katholischen Sportverband DJK will man das aber noch etwas anders verstanden wissen. "Wir wollen natürlich siegen, aber nicht um jeden Preis", sagt Elsbeth Beha, die Präsidentin der DJK. Die Menschen stünden im Mittelpunkt in ihrem Verband. "Wenn es darum geht, zu entscheiden, dann möchten wir lieber den vierten Platz haben und nicht auf dem Podest stehen, wenn wir den fair bekommen haben."
Fairness und Respekt nicht nur als Seitenaspekt des Sports, sondern als Mittelpunkt der Vereinsarbeit: Werte wie diese haben Sarah Freutel ihre ganze Karriere lang bei der SG Essen-Schönebeck, einem der 1.100 Vereine im DJK, spielen lassen. "Das Leben ist deutlich facettenreicher als nur Fußball oder nur auf dem Platz zu stehen. Das habe ich immer versucht in einem Gesamtzusammenhang zu behalten."
Die Teilnehmer der Diskussion zur Sonderausstellung stehen zwischen Ausstelungsstücken.
Sonderausstellung im Deutschen Fußballmuseum Dortmund zum 100. Geburtstag des katholischen Sportverbands DJK (DJK-Pressefoto )
Über 170 Mal hat Freutel für die SGS Essen in der Bundesliga Fußball gespielt, bei einem kleinen Verein, der nicht die finanziellen Mittel hat wie der FC Bayern München oder der VfL Wolfsburg. Ein Wechsel zu größeren Vereinen kam für sie aber nicht infrage.
"In meinem Herzen hatte ich immer das Gefühl, ich bin hier richtig im Verein. Und das war ein klares und deutliches Gefühl. Das war im Endeffekt stärker als der Kopf, der manchmal gesagt hat, da hast du mehr Chancen oder da ist eine bessere Infrastruktur. Aber das ist nicht das, was einen im Endeffekt erfüllt."
"Da ist eine Verlässlichkeit, eine Fairness, eine Menschenwürde unterwegs, die sofort, wenn sie mal droht, beschädigt zu werden, dass da sofort eingeschritten wird", ergänzt Vereinspräsident Ulrich Meier, der mit seinem Verein trotz geringerer finanzieller Mittel seit 17 Jahren in der Bundesliga spielt. "Ich glaube, dass das ein ganz wesentliches Element eines DJK-Vereins gewesen ist und in Zukunft bleiben muss."
Mit 470.000 Mitgliedern ist die DJK der größte religiöse Sportverband im Deutschen Olympischen Sportbund. Gegründet wurde die Deutsche Jugend-Kraft vor 100 Jahren vom Priester Carl Mosterts. Exponate aus der Geschichte werden in einigen kleinen Vitrinen in einer Sonderausstellung gezeigt, die im Deutschen Fußball Museum zu sehen ist.
Kurator der Ausstellung ist Hermann Queckenstedt, der Leiter des Osnabrücker Diözesanmuseums: "Für mich ist das Ende der DJK in der alten Form 1933/34 ein ganz wichtiger Punkt. Denn manche dieser Erscheinungen, die im Nationalsozialismus zum Ende geführt haben, die sind in Ansätzen heute wieder virulent."
Damals wurde der Verband aufgelöst, der damalige Reichsführer Prälat Adalbert Probst verhaftet und erschossen. Nach dem Krieg wurde der Verband schnell wiedergegründet und gilt mit seinem geistlichen Leiter, Prälat Ludwig Wolker, auch als einer der Wegbereiter für die Gründung des Deutschen Sportbundes 1950.
Besondere Art des Sportverständnisses
Doch nicht nur in Westdeutschland sind die DJK-Vereine präsent. Im sächsischen Wittichenau wurde 1994 der dortige Sportverein, nachdem er in der DDR-Zeit unter anderem Traktor hieß, wieder unter dem Dach der DJK gegründet. Präsident Hubert Szczepaniak erinnert sich: "Wir haben ja gerade in der damaligen eingeengten Gesellschaftsordnung zusammengehalten und das sportliche Leben ausgelebt. Unter Gleichgesinnten haben wir viel Enthusiasmus gezeigt und viel auf die Beine gestellt in Richtung Glaubensritus."
Bis heute pflegt der Verein eine enge Beziehung zur Kirchengemeinde und zum Pfarrer, der auch sogenannter "Geistlicher Beirat" des Vereins ist. Den gibt es längst nicht mehr in allen DJK-Vereinen. Die Werte der DJK aber wollen alle Beteiligten an diesem Abend im Mittelpunkt wissen.
Auch Christian Wück ist zur Ausstellungs-Eröffnung nach Dortmund gekommen. Der frühere Bundesliga-Profi trainiert heute die U16-Nationalmannschaft des DFB und hat in seiner Jugend auch in einem DJK-Verein gespielt. Beim Blick auf die heutigen Nachwuchsfußballer findet er nicht alles auf einem guten Weg: "Es geht viel zu früh in diesen Leistungsgedanken rein. Wenn Kinder mit 13, 14 zu großen Vereinen wechseln, weg von den Freunden und der Familie, dann ist mir das zu früh."
Er erinnert sich an seine Zeit in einem kleinen DJK-Verein in Franken und glaubt, der Leistungssport könne einiges von dieser besonderen Art des Sportverständnisses lernen: "Fairness, wie Mentalität, die im Moment bei der heutigen Generation gar nicht mehr vorhanden ist, die deutschen Tugenden, wie wir sie genannt haben, die wir auf dem Fußballplatz, aber auch neben dem Fußballplatz von Jugendlichen sehen wollen, vor allem, wenn sie mit uns im Ausland sind."
Auch wenn der Einfluss der Kirchen auf die Gesellschaft spürbar abnimmt, auch wenn für viele konfessionell geprägter Sport aus der Zeit gefallen scheint: Egal, wen man spricht an diesem Abend, alle sind überzeugt davon, dass die DJK der Sport-Welt etwas zu sagen hat. Zum Beispiel das, was Ausstellungskurator Queckenstedt als Wunsch formuliert:
"Lasst uns doch einfach schauen, wie wir jenseits von Leistungsdruck, jenseits von Uniformität, jenseits von Konventionen, basisnah – wie Carl Mosters, der Gründer der DJK gesagt hat – Sport um der Menschen willen treiben."