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100 Jahre Gelbes Trikot
Die begehrteste Trophäe im Radsport

Vor 100 Jahren bekam der Gesamtführende bei der Tour de France erstmals das Gelbe Trikot übergezogen. Anfangs eher aus der Not entstanden, wurde das Trikot ein nationales Kulturgut in Frankreich und die begehrteste Trophäe im Radsport.

Von Moritz Cassalette | 18.07.2019
Titelseite einer Ausgabe des französischen Magazins "Pilote" vom 22. Juni 1961 zeigt ein Gruppenbild mit vier Toursiegern mit insgesamt sechs Siegen
Das wohl bekannteste Trikot im Weltsport: Titelseite des französischen Magazins "Pilote" vom Juni 1961 mit vier Toursiegern im Gelben Trikot (picture alliance / akg-images)
1919 - die Franzosen sind schwer gebeutelt vom ersten Weltkrieg. Aber sie haben ihre Tour zurück. Und eine wichtige Neuerung: ein gewisser Eugène Christoph übernimmt im Verlauf der großen Schleife die Gesamtführung und darf das anziehen, was später ein hohes Kulturgut und ein Stolz der Franzosen sein wird: ihr Maillot Jaune, das Gelbe Trikot:
"Ja, ich habe es als erster getragen. 19.7.1919, Grenoble."
Schmucklos überreicht, im Hotel. ARD-Reporter-Legende Herbert Watterott erinnert sich natürlich nicht persönlich, kennt aber die Geschichte:
"Da kam aus den Reihen der Zuschauer die Idee, die Überlegung: warum kann man den führenden Mann nicht erkennen, beim rasenden Vorbeifahren des Feldes. Und diese Idee kam denn zu Henry Degrange, dem Tour-Gründer. Und der hat in der Pariser Zentrale gesagt: Da müssen wir Abhilfe schaffen. Wir kreieren ein spezielles Trikot - und da ist man auf die Farbe Gelb gekommen."
Merckx: "Das wichtigste Trikot des Radsports"
Christoph ist vor genau hundert Jahren der Erste - es folgen 268 Fahrer, die sich das Gelbe Trikot anziehen dürfen. Keiner so oft wie der Kannibale. Eddy Merckx trägt es 111 Mal. Das, wie er sagt, wichtigste Trikot des Radsports.
Fünf Mal trägt Merckx das Gelbe Trikot bis Paris. Genau wie Miguel Indurain. Und die beiden Franzosen Jaques Anquetil und Bernard Hinault.
Bernard Hinault im Gelben Trikot am 23. Juli 1978 in Paris nach seinem Sieg bei der Tour de France
Fünfmal in Gelb in Paris: Bernard Hinault nach dem Toursieg 1978 (STAFF / AFP)
1997 ist Hinault längst im Ruhestand, aber ein wichtiger Ersthelfer. Bei der Siegerehrung in Andorra unterstützt er den etwas überforderten Jan Ullrich dabei, sich zum ersten Mal das begehrte Hemd überzuziehen.
"Ich bin so froh, dass ich jetzt mal das Gelbe Trikot tragen darf, damit geht natürlich ein Traum in Erfüllung."
Sagte Jan Ullrich damals - der Rest ist Geschichte. Das Gelbe Trikot hat inzwischen einige Schmutzflecken bekommen, dennoch strahlt es bis heute. Ullrich ist einer von nur 15 Deutschen in Gelb. Der erste ist Kurt Stöpel 1932, der bis heute letzte Tony Martin vor vier Jahren:
"Ja, es ist eine unglaubliche Ehre. Man hat unglaublich viel Aufmerksamkeit, von medialer Seite, von den Fans. Für mich war es teilweise schon zu viel. Ja, man steht eben unter Dauerbeobachtung und hat natürlich auch sehr viel Druck, das gelbe Trikot nach Möglichkeit auch zu verteidigen. Aber es war eine tolle Ehre und eine sehr, sehr schöne Erfahrung."
Gelb als Ausschussware vom Schneider
Aber warum eigentlich gelb? Herbert Watterott kennt die Erklärung:
"Weil die Zeitung L'Auto, die die Tour de France veranstaltete, auf gelben Papier gedruckt wurde."
Das ist eine Version der Geschichte, es gibt aber noch eine zweite:
"Die lautet, dass gerade nach Beendigung des ersten Weltkrieges viele Dinge Mangelware waren in Frankreich, so unter anderem auch Stoffe. Und da ist man auf die Idee gekommen, das, was man kriegen konnte, zu nehmen. Und bei einem Schneider in Paris hat man viele, viele gelbe Stoffballen gekauft. Und daraus wurden die ersten Gelben Trikots geschneidert und dann später verwendet."
Faszination des "Maillot Jaune" gilt bis heute
Und bis heute geht vom Gelben Trikot eine unglaubliche Faszination aus. Die beiden Tourdebütanten Lennard Kämna und Maximilian Schachmann sehen es als Fahrer zum ersten Mal in echt:
"Ich glaube, gerade bei jungen Fahren hat das Gelbe Trikot eine Riesenwirkung. Und es ist natürlich im Kopf total abgespeichert."
"Ja, ich glaube, davon träumt so ziemlich jeder Radprofi. Also, ich hätte auch mal Bock, damit rum zu fahren."