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100 Tage Syriza-Regierung
Viel versprochen, viel gestritten, wenig erreicht

Die Bilanz der ersten 100 Tage der neuen griechischen Regierung fällt ernüchternd aus. Nach guten Nachrichten aus Athen muss lange gesucht werden. Dabei hatte Syriza-Chef Alexis Tsipras seinen Wählern versprochen, das Land aus der Krise zu führen. Doch Griechenland steht einer drohenden Pleite näher als je zuvor.

Von Thomas Bormann | 05.05.2015
    Griechenlands Finanzminister (r) Yanis Varoufakis und Ministerpräsident Alexis Tsipras
    Griechenlands Finanzminister (r) Yanis Varoufakis und Ministerpräsident Alexis Tsipras (imago / Wassilis Aswestopoulos)
    Das größte Problem der neuen griechischen Regierung ist, dass sie zwar viel diskutiert, aber wenig entscheidet, meint Dimitris Katsikas von der Griechischen Stiftung für Europäische und Auswärtige Politik:
    "Ich denke, bei vielen Themen haben die gar keinen Plan, was sie eigentlich tun wollen. Wir beobachten das in allen möglichen Bereichen: ob das die Bildungspolitik ist oder die Verhandlungen mit den Kreditgebern. Da ist keine klare Strategie erkennbar: weder beim Ministerpräsidenten noch bei der Regierung. Es gibt da, ja, böses Blut zwischen den Verhandlungspartnern. Sicherlich hat Griechenland in den Augen der Partner an Glaubwürdigkeit verloren. Und das macht die Verhandlungen noch schwieriger."
    Derlei Kritik prallt an der Regierung Tsipras ab. Die Verhandlungen über Reformen und Hilfskredite kommen nicht voran. Das wird seit Februar auf jedem Treffen der Euro-Finanzminister deutlich: Die anderen Euro-Länder fordern, die griechische Regierung müsse endlich eine endgültige Liste vorlegen, mit welchen Reformen sie für mehr Staatseinnahmen sorgen will. Erst danach werden die anderen Euro-Finanzminister bereit sein, die letzte Tranche Hilfskredite in Höhe von 7,2 Milliarden Euro aus dem laufenden Programm an Griechenland zu überweisen.
    Demonstrationen gegen Reformpläne
    "Je länger sich die Verhandlungen hinziehen, desto schlimmer ist es für Griechenland und für uns, die Bürger", warnt eine junge Frau in Athen.
    Die Minister der neuen griechischen Regierung hatten schon viele Ideen für Reformen. Zum Beispiel die Mehrwertsteuer für Hotels erhöhen - oder den Hafen von Piräus doch an eine chinesische Firma verkaufen - oder die Rente mit 67 einführen - oder Zusatzrenten kürzen. Allein schon diese Idee trieb tausende Rentner voller Wut auf die Straßen Athens. Sie erinnerten die Regierung lautstark an ihr Wahlversprechen, die Renten nicht weiter zu kürzen, sondern endlich wieder zu erhöhen:
    "Wir fordern die Regierung auf, unsere Renten wieder auf den ursprünglichen Stand zu bringen. Meine Rente wurde auf die Hälfte gekürzt! Wie soll ich überleben? Bin ich denn kein Mensch? Darf ich nichts essen? Muss ich sterben?"
    "Wir haben Angst, dass die unsere Renten noch weiter beschneiden. Hier ist doch alles möglich! So wie die Regierung arbeitet - das kann doch alles passieren!"
    Warten auf einen Kompromiss
    Die Regierung in Athen beruhigt: Die Renten werden nicht angetastet und man werde einen Kompromiss finden. Auch der Athener Politikwissenschaftler Dimitris Katsikas gibt die Hoffnung nicht auf. Noch sei eine Lösung möglich:
    "Die Lösung sollte ein 'ehrlicher Kompromiss' sein, so wie die Regierung das auch sagt. Die griechische Seite sollte ein umfassendes Reformprogramm vorlegen und sie müssen das dann auch gegen Widerstände umsetzen. Die Europäer sollten auf der anderen Seite entgegenkommen, zum Beispiel mit längeren Fristen für die Rückzahlung von Schulden oder mit Investitionsprogrammen."
    Millionen Griechen warten ungeduldig auf einen solchen Kompromiss. Denn sie wollen endlich wieder Hoffnung schöpfen. Sie wollen die Krise überwinden. Sie wollen, dass junge Griechen nicht mehr auswandern, sondern im eigenen Land bleiben und dazu beitragen, Griechenland fit zu machen für die Zukunft.