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100 Tage Vucic
Serbien droht die Pleite

Aleksander Vucic ist als Regierungschef 100 Tage im Amt. Sein deutscher Wirtschaftsberater glaubt an eine Erfolgsperspektive und findet Vucics Kurs in Richtung EU glaubwürdig. Die Lage in seinem Land ist allerdings ernst: Die Staatskassen sind leer. Kritiker werfen ihm mangelnden Mut zu Reformen vor. Die gute Laune will sich die serbische Regierung trotzdem nicht verderben lassen.

Von Ralf Borchard | 05.08.2014
    Die gute Laune will sich die serbische Regierung nicht verderben lassen – Wirtschaftskrise hin oder her. Als symbolische Sparmaßnahme hat Regierungschef Aleksandar Vucic angeordnet, auf Minister-Fahrten in Dienstlimousinen weitgehend zu verzichten. Zu einer außerhalb Belgrads, in Nis anberaumten Kabinettssitzung fuhr die Regierung geschlossen im Reisebus - keineswegs Trübsal blasend: Außenminister Ivica Dacic gab von Gitarre und Akkordeon begleitet seine Sangeskünste zum besten.
    Leere Staatskassen
    Doch eigentlich ist die Situation todernst. Die Staatskassen sind leer, die Zahl der Rentner hat die der beitragszahlenden Arbeitnehmer überschritten, hunderte unrentable Staatsbetriebe werden künstlich am Leben erhalten. Aleksandar Vucic, als Regierungschef genau 100 Tage im Amt, formuliert es so: Wenn das Land weiter macht wie bisher, ist es in sechs Monaten pleite, mit griechischen, argentinischen oder ukrainischen Szenarien als Folge. Im gleichen Atemzug versichert Vucic:
    "Serbien mag durch einige Politiker an den Rand des Bankrotts gebracht worden sein, es wird am Ende aber nicht den Bankrott erklären."
    So will Vucic die Wähler offenbar auf schmerzhafte Maßnahmen vorbereiten: auf Rentenkürzungen etwa, und die Privatisierung von Staatsbetreiben:
    "Unsere Aufgabe ist nicht, bestimmte Leute zu schützen", so Vucic, „sondern die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Wirtschaftsakteure konkurrieren, wetteifern können, für Marktwirtschaft eben."
    Mangelnder Mut zu Reformen?
    Kritiker werfen Vucic seit Monaten vor, zwar vollmundig Reformen anzukündigen, sie aber nicht durchzuführen. Mitte Juli war Finanzminister Lazar Krstic, einst als 29-jähriger Shootingstar aus den USA geholt, zurückgetreten - Begründung: Vucics mangelnder Mut zu Reformen. Und Bojan Pajtic, Chef der größten Oppositionspartei, sagt mit Blick auf seine Heimatprovinz Vojvodina:
    "Die landwirtschaftlichen Flächen hier sind das beste Beispiel, wie Vucic Serbien regiert. Die Felder werden durch geheim gehaltene Verträge an ausländische Unternehmen verscherbelt, zum halben Preis, den ein einheimischer Landwirt zu zahlen hätte. Wenn das der Weg ist, serbische Bauern zu schützen und Haushaltslöcher zu stopfen, sollten Vucic und seine Mitarbeiter zurücktreten."
    Früherer Wegbegleiter Milosevic will mit Serbien in die EU
    Doch der Regierungschef sitzt fest im Sattel, seine Popularitätswerte liegen weiter bei 70 Prozent - auch mangels Alternativen. Die Opposition ist zerstritten und politisch kaum existent.
    Einer der wichtigsten Berater Vucics ist ein Deutscher - der Wirtschaftsexperte Jörg Heeskens. Er sagt: Vucic mag als früherer Wegbegleiter Slobodan Milosevics eine zweifelhafte Vergangenheit haben, doch sein Weg Richtung EU ist glaubwürdig und auch für Deutschland ohne Alternative:
    "Er ist demokratisch gewählt worden. Er ist gewählt worden mit einer klaren Aussage, mein Partner Nummer eins ist Deutschland. Deutschland hat jetzt ein bisschen, ja, die Verantwortung auch für diesen Raum wieder neu entdeckt. Man hat jetzt gemerkt: Es ist jetzt der Zeitpunkt, diesen Teil des ehemaligen Jugoslawiens mit großer Hilfe zu vereinen und dann Richtung EU zu schieben."