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100. Todestag Peter Carl Fabergé
Der berühmteste "Eiermann" der Welt

Aus einem schlichten Juweliergeschäft in St. Petersburg machte Peter Carl Fabergé eine Manufaktur, die exklusiv den Zarenhof belieferte und bald die Luxusgier von Königshäusern und Geldadel in aller Welt bediente. 100 Jahre nach seinem Tod sind Fabergé-Produkte wertvoller denn je.

Von Ulrike Rückert | 24.09.2020
    Die wertvollsten Ostereier der Welt sind die Faberge-Eier. Juwelenbesetzte Schmuckeier, die der russische Zar für seine Familie fertigen ließ.
    Die wertvollsten Ostereier der Welt sind die Fabergé-Eier. Juwelenbesetzte Schmuckeier, die der russische Zar für seine Familie fertigen ließ. (picture alliance / dpa)
    Versteigerung bei Christie’s in London, im November 2007. Gebannt verfolgen Hunderte Zuschauer ein Bietergefecht um – ein Osterei. Dieses allerdings ist aus Gold und rosa Emaille, mit einer eingebauten Uhr, und zur vollen Stunde klappt die Spitze auf. Ein winziger Hahn erscheint, schlägt mit den Flügeln, nickt mit dem Kopf und kräht. Und es trägt einen Stempel, der Sammler in Ekstase versetzt: Fabergé. Fünfzig dieser preziösen Eier hat der Hofjuwelier der Zaren zwischen 1885 und dem Ersten Weltkrieg für Alexander III. und Nikolaus II. geschaffen, als Ostergeschenke für die Zarinnen Maria und Alexandra, sowie ein Dutzend für andere Kunden. Das rosa Uhrenei war ein Verlobungsgeschenk für die Braut eines Rothschild. Bei Christie’s fällt unterdessen der Hammer: verkauft, für acht Millionen Pfund.
    Die schenkfreudigen Romanows als Großkunden
    Peter Carl Fabergé hat diese Meisterwerke der Goldschmiedekunst nicht mit eigener Hand gefertigt. Designer und hunderte hochspezialisierte Handwerker arbeiteten für den berühmtesten Juwelier seiner Zeit. 1872 hatte er, mit sechsundzwanzig Jahren, das florierende, aber unspektakuläre Geschäft seines Vaters in Sankt Petersburg übernommen und es dreizehn Jahre später zum Hoflieferanten gebracht – kein Monopol, aber eine Garantie für große Aufträge: Schmuck für Staatsanlässe, Tafelsilber für die Aussteuer von Großfürstinnen und Unmengen an Geschenken, die die Zaren so großzügig verteilten wie ein Karnevalsprinz Bonbons.
    Kunstvolles Osterei mit Apfelblüten aus Nephrit, Gold, Email, Diamanten.
(Geschenk des Goldminenbesitzers Kelch an seine Frau Barbara zu Ostern 1901).
Fabergé; Werkmeister: Michael Perchin. St. Petersburg zwischen  1899 und 1908. 
    Kleine Aufmerksamkeit zu Ostern, Schatz: Dieses Fabergé-Ei aus Nephrit, Gold und Diamanten schenkte ein Goldminenbesitzer seiner Frau zu Ostern 1901. (akg-images)
    "Offizielle Präsente bestanden aus Tabakdosen, Zigarettenetuis, Ringen, Broschen, Manschettenknöpfen und Krawattennadeln; sie wurden in bestimmten Preiskategorien gefertigt.", berichtet Franz Birbaum, Fabergés langjähriger Chefdesigner. Luxuriöse Geschenkartikel wurden zum Herzstück von Fabergés Geschäft und beförderten ihn an die internationale Spitze der Zunft. Die Romanows beschenkten ihre verzweigte Verwandtschaft in europäischen Fürstenhäusern und Monarchen in aller Welt mit Kunsthandwerk von Fabergé. Zarin Maria überhäufte ihre Schwester, die Gattin des Prinzen von Wales und späteren englischen Königs Edward VII., mit seinem kostbaren Krimskrams.
    Europas Adel gibt sich die Klinke in die Hand
    "Es gibt Leute, die schon genug Diamanten und Perlen haben. Juwelen zu schenken, ist manchmal nicht angebracht. Dann ist so ein kleines Ding das Richtige.", sagte Peter Carl Fabergé einmal in einem Interview. Bei ihm gab es modische Accessoires, Schirmgriffe, Gürtelschnallen und Lorgnons, Praktisches für den Alltag wie Haarbürsten, Brieföffner, Tischklingeln zum Herbeirufen des Dieners und diamantbesetzte Häkelnadeln, und den Nippes, mit dem die Salons der Epoche angefüllt waren: Fotorahmen, Konfektdosen, Miniaturmöbel und kleine Tierfiguren. Peter Carl Fabergé selbst residierte in einem prächtigen Wohn- und Geschäftshaus nahe am Winterpalast.
    Eine undatierte Photochrom-Aufnahme zeigt  den  Hofjuwelier des Zaren Peter Carl Fabergé (1846-1920). 
    Eine undatierte Photochrom-Aufnahme zeigt den Hofjuwelier des Zaren Peter Carl Fabergé (1846-1920).  (Fine Art Images)
    "Jeden Nachmittag zwischen vier und fünf Uhr war dort die ganze Aristokratie von Sankt Petersburg zu sehen.", so Birbaum. In der einzigen Auslandsfiliale in London kam die Queen persönlich zum Stöbern vorbei. Exquisit gearbeitet, in unendlicher Vielfalt, elegant, auch verspielt und skurril – bei Fabergé fand sich das Richtige für jeden noch so ausgefallenen Geschmack. Zar Nikolaus verehrte Kaiser Wilhelm II. eine mit Goldornamenten verzierte Miniaturkanone. Edward VII. soll ein teures Geschenk abgelehnt haben mit den Worten: "Gehen Sie zu Fabergé, sie haben einen Zigarrenanzünder in Form eines Nilpferds in Nephrit. Wenn Sie mir etwas schenken wollen, schenken Sie mir das. Ich bin sicher, es kostet nur die Hälfte, und es ist amüsant."
    Mit der Russischen Revolution geht Fabergés Welt unter
    Unter Fabergés Kunden waren amerikanische Millionäre, indische Maharadschas und der König von Siam. Doch während sich die russischen Höflinge an seinem Spielzeug ergötzten, gärte es im Reich. Der Weltkrieg und die Revolution brachten Peter Carl Fabergés Welt zum Einsturz. Er starb am 24. September 1920 in der Schweiz. Dorthin war er gelangt, krank und gebrochen, nachdem er aus Russland geflohen war, so wie viele seiner früheren Kunden.