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100. Todestag von Andrew Carnegie
Der Mann, der Faulheit nicht leiden konnte

Er kam aus einfachen Verhältnissen und arbeitete sich zu einem der reichsten Menschen der Welt hoch – um sein Vermögen dann für wohltätige Zwecke und Kultureinrichtungen wieder zu spenden. Vor 100 Jahren starb der Industrielle und Philanthrop Andrew Carnegie.

Von Anja Reinhardt | 11.08.2019
    Der amerikanische Industrielle Andrew Carnegie in einer undatierten Aufnahme.
    Andrew Carnegie war der Überzeugung: Jeder Einzelne muss sich sein Glück verdienen - dennoch spendete er bis zu seinem Lebensende nach heutiger Rechnung 80 Milliarden Dollar (picture-alliance / dpa)
    "Der Mensch muss einen Gott haben – die Anhäufung von Reichtum ist jedoch eines der schlimmsten Götzenbilder. Nichts ist würdeloser als die Anbetung des Geldes."
    Als Andrew Carnegie im Jahr 1868 diese Zeilen in einem Brief an sich selbst schreibt, ist er 33 Jahre alt und hat ein Einkommen von 50.000 Dollar pro Jahr, rund eine Million nach heutiger Rechnung.
    "Mit 35 Jahren werde ich mich zur Ruhe setzen."
    Seit drei Jahren ist der Bürgerkrieg vorbei, der knapp 600.000 Amerikaner das Leben gekostet hat. Und der sich als "Glücksfall" für Geschäftsmänner wie Andrew Carnegie erweist. Für 300 Dollar kauft er sich einen Ersatzsoldaten, der für ihn in den Krieg zieht, während er selbst an der Börse mit Eisenbahn-Anleihen spekuliert.
    Carnegie wird sich nicht mit 35 Jahren zur Ruhe setzen, sondern in den nächsten drei Jahrzehnten ein Vermögen erwirtschaften, das heute dem der drei reichsten Männer der USA entspricht – zusammengenommen.
    Gespür für die Stahlindustrie und ein strenger Prinzipienkatalog
    Diesen Reichtum verdankt er vor allem seinem Gespür für die neue Stahlindustrie und einem strengen Prinzipienkatalog, der ihn beständig die Erfolgsleiter hochklettern lassen wird, und der ihn später dazu bewegen wird, einen Großteil seines Geldes für philanthropische Zwecke zu spenden.
    "Der Reiche hat folgende Pflichten: Er soll ein bescheidenes, unauffälliges Leben führen, weder Prunk noch Extravaganz demonstrieren. Außerdem soll er die berechtigten Wünsche der von ihm abhängigen Menschen bis zu einem gewissen Grad erfüllen. Zudem soll er alle zusätzlichen Einkünfte bloß als anvertraute Fonds betrachten, die er pflichtbewusst so zu verwalten hat, dass sie der Gemeinschaft den größtmöglichen Nutzen bringen."
    Geburt in einfache, aber solide Verhältnisse
    Dass Reichtum und Eigentum verpflichten, wie er es in seinem Essay "The Gospel of Wealth", ("Das Evangelium des Reichtums"), 1889 darlegt, mag eine Konsequenz aus seiner Kindheit sein. Geboren wird Andrew Carnegie 1835 im schottischen Dunfermline in einfache, aber solide Verhältnisse, der Vater Weber, die Mutter Näherin. Maschinen ersetzen allerdings immer häufiger die Handarbeit der Eltern, die Familie verarmt und wandert in die USA aus. Mit 13 Jahren verdient Andrew in einer Baumwollfabrik 1,20 Dollar pro Woche, er arbeitet sich trotz mangelhafter Schulbildung hoch, auch weil der Manager und Politiker Thomas Alexander Scott ihn fördert.
    "Es gilt dem Beispiel derer zu folgen, die wissen, dass man der Gemeinschaft am besten nützt, wenn man eine Leiter aufstellt, auf der der nach oben Strebende hochklettern kann – kostenlose Bibliotheken, Parks und Freizeitmöglichkeiten, bei denen die Menschen körperlich und geistig Kraft tanken können, Kunstwerke, die Freude bereiten und den Publikumsgeschmack verfeinern, und öffentliche Einrichtungen aller Art, die die allgemeine Situation des Volkes verbessern."
    Der Einzelne soll sich das Glück verdienen
    Andrew Carnegie ist ein Gegner des Imperialismus und kennt die Ideen des Kommunismus, aber die Gleichbehandlung aller lehnt er ab, denn der Einzelne soll sich sein Glück verdienen. Die Reichen, die prassen und sich vergnügen, verachtet er genauso wie die Faulen und Schmarotzer. Sein Gesellschaftsideal unterscheidet nicht zwischen arm und reich, sondern basiert auf Moral und Fleiß.
    "Der einzige wahre Reformer ist der, der sich sorgfältig bemüht, nicht dem Unwürdigen zu helfen, sondern dem, der es verdient."
    Mit seinen Spekulationsgewinnen aus den Eisenbahn-Anleihen baut er seine erste Stahlfabrik in Pittsburgh. Schon 1880 produziert er 10.000 Tonnen Stahl pro Monat, die Stadt verdreifacht ihre Einwohnerzahl, die Luft ist schwarz von Ruß, die Flüsse tot von Industriegift – und Carnegie wird immer reicher.
    1901, mit 65 Jahren, verkauft er sein Unternehmen für 480 Millionen Dollar, er ist der drittreichste Mann der USA. Er finanziert die legendäre Carnegie Hall in New York, Bibliotheken und Schulen, gibt Geld für Kunst, Wissenschaft und Forschung und den internationalen Frieden.
    "Der Mann, der reich stirbt, stirbt in Schande"
    Als Andrew Carnegie am 11. August 1919 einer Lungenentzündung erliegt, hat er nach heutiger Rechnung knapp 80 Milliarden Dollar gestiftet. Er stirbt trotz seiner Vorsätze als reicher Mann.