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100. Todestag von Scott Joplin
Der "König des Ragtime"

Was Louis Armstrong für den Jazz war, das war Scott Joplin für den Ragtime. Er war der erste afroamerikanische Komponist zwischen Klassik und populärer Musik. Mit seinen enorm beliebten Stücken – allen voran dem berühmten "Maple Leaf Rag"- überwand er die Barrieren zwischen dem weißen und schwarzen Amerika.

Von Karl Lippegaus | 01.04.2017
    Ein Wandgemälde in Texarkana in Erinnerung an den Komponisten Scott Joplin, der einige Zeit in der Stadt lebte.
    Ein Wandgemälde in Texarkana in Erinnerung an den Komponisten Scott Joplin, der einige Zeit in der Stadt lebte. (imago / Richard M. Pruitt)
    "Es ist eine durch und durch amerikanische Story. Sie beginnt in bescheidenen Verhältnissen und gipfelt in Leistung, Anerkennung und Ruhm", schreibt der amerikanische Musikforscher Edward A. Berlin in seiner Biografie über Scott Joplin.
    Sein Vater war noch Sklave gewesen. Der Sohn, 1868 in Texas geboren, gehörte zur ersten Generation von Afroamerikanern aus der Zeit nach der Sklaverei. Scott Joplin glaubte sein ganzes Leben lang daran, dass er alle Hindernisse überwinden konnte - durch harte Arbeit, Erziehung, das Bemühen, ein guter Mensch zu werden und indem er Respekt von seinen Mitmenschen einforderte. Vieles sprach dagegen: Hautfarbe, Herkunft, Werdegang – und doch gelang es ihm, der erste große afroamerikanische Komponist zu werden. Seine Witwe Lottie Joplin erzählte:
    "Er sagte oft, er würde erst Anerkennung finden nach seinem Tod."
    Ein frühes Interesse am Klavierspiel führte dazu, dass Scott Joplin einen deutschen Musiklehrer bekam. Mit 16 Jahren wurde er Profimusiker und spielte Klavier an vielen Orten. Als Honky-Tonk-Pianist zog er durch die Lokale in und um Texas. Die neue Musik, der Ragtime, den Joplin miterfand, entwickelte sich nicht wie wenig später der Jazz in New Orleans, sondern nördlicher, in Missouri, mitten im Herzen Nordamerikas.
    Sozialer Aufstieg durch Musik
    Es gab noch kein Radio und keine Schallplatten vor der Jahrhundertwende. Von größter Bedeutung aber war die riesige Nachfrage bei Weißen und Schwarzen nach Klavieren. Und nach Noten für die Klaviere. Scott Joplin begann Songs zu schreiben und mit voller Hingabe widmete er sich seinen Tätigkeiten. Musik war für ihn nicht nur Unterhaltung, sie konnte auch zu sozialem Aufstieg verhelfen.
    Das früheste Foto von Joplin stammt von 1900 und zeigt uns einen distinguierten, elegant gekleideten Gentleman.
    Der "Maple Leaf Club" in Sedalia/Missouri lieferte den Namen für den Ragtime, der Scott Joplin unsterblich machte, den "Maple Leaf Rag". Mit ihm fand er seine Zauberformel. Zu seinem Protegé, dem jungen Pianisten Arthur Marshall sagte er einmal:
    "Arthur, der 'Maple Leaf' wird mich zum König unter den Ragtime-Komponisten machen."
    Am 10. August 1899 unterschrieb Joplin einen Vertrag mit dem Musikverleger John Stark für den "Maple Leaf Rag". Dass Songschreiber Prozente am Verkauf ihrer Werke bekamen, war etwas Neues. Die Tantiemen-Zahlungen veränderten Joplins Leben. Er wurde der größte aller Ragtime-Komponisten.
    "Ich kann die Erde zum Wanken bringen durch den 'Maple Leaf Rag'."
    Zweiter Hit war "The Entertainer"
    Der riesige Erfolg des Ragtime bei schwarzen und weißen Amerikanern rief die Sittenwächter auf den Plan. Ein gewisser Karl Muck, seinerzeit Dirigent der Bostoner Symphoniker, verkündete:
    "Ich denke, was man hier Ragtime nennt, ist Gift. Es vergiftet die Quelle des musikalischen Wachstums, es vergiftet den Geschmack der Jugend."
    1902 wurde Joplins zweiter großer Hit "The Entertainer" verlegt. Sein größtes Anliegen aber war, als seriöser Komponist anerkannt zu werden, er zog klassische Musik jeder anderen vor. Seine Frau Lottie fand:
    "Er war ein großer Mensch, ein großartiger Mann! Er wollte ein echter Anführer sein. Er wollte sein Volk befreien von Armut, Unwissenheit und Aberglaube, so wie die Heldin seiner Ragtime-Oper, Treemonisha."
    Zwei Wochen nachdem Scott Joplin am 1. April 1917 in New York mit 49 Jahren in Armut starb, traten die USA in den Ersten Weltkrieg ein. Als dieser nach 18 Monaten zu Ende war, hatte der Jazz den Ragtime abgelöst. Es sollte ein halbes Jahrhundert dauern, bis die Welt seine Musik allmählich wiederentdeckte. 1974 geschah es: durch einen Kinofilm mit Paul Newman und Robert Redford, der Titel "The Sting", deutsch: "Der Clou".