Das einflussreichste Werk von Ernesto Sábato sind nicht jene drei Romane, die zum Kanon der lateinamerikanischen Literatur gehören. Es ist vielmehr eine Dokumentensammlung: "Nunca Más!" (deutsch: "Nie wieder!"). Sie enthält den offiziellen Bericht der CONADEP, der Kommission zur Aufklärung der Verbrechen der Militärdiktatur in Argentinien. Er war ihr Vorsitzender und übergab ihn 1984 dem ersten, wieder demokratisch gewählten Staatspräsidenten Alfonsín.
Darin wurden die Gewalttaten des Militärregimes in rund 9.000 Einzelfällen dokumentiert. Sie bildeten die juristische Grundlage für die anschließenden Prozesse gegen die hauptverantwortlichen Generäle, bei denen erstmals in der Geschichte Lateinamerikas eine Militärjunta abgeurteilt wurde. "Nunca Más!" – dieses Werk von historischer Dimension begründete den Ruf des damals 74-Jährigen als einer moralischen Instanz in Argentinien.
"Neun Monate hatte ich in der Kommission zusammen mit weiteren Personen etwa 50.000 Dokumente durchforstet und daraus ein lesbares Buch von ein paar Hundert Seiten gemacht. Es war eine sehr schwierige Zeit für die Regierung von Alfonsín, denn die Streitkräfte wollten unsere Arbeit verhindern und übten einen enormen Druck auf ihn aus. Selbst ich erhielt Morddrohungen. Deshalb war ich in einem Moment völlig verzweifelt und glaubte, dass unsere Tätigkeit vergeblich gewesen sei, dieser Gang durch die Hölle der Diktatur."
Tragische Literatur und Malerei
Das erklärte mir Ernesto Sábato 1994 in einem der Gespräche, die ich im Lauf der Jahre mit ihm führen konnte. Inzwischen hatte er den Erfolg seiner Arbeit sehen können, denn das Werk hatte eine Auflage von weit über einer halben Million Exemplaren erreicht.
Damals ließ er mich außerdem einen Blick in sein Atelier werfen. Denn seit die Ärzte ihm 1979 wegen einer schweren Augenkrankheit Lesen und Schreiben verboten hatten, pflegte er eine frühe Leidenschaft: die Malerei. Die Bilder, die dabei entstanden, waren eigentlich Abbilder seiner Romane, die ihn berühmt gemacht hatten: "Der Tunnel" von 1948, "Über Helden und Gräber" von 1961 und "Abbadón" von 1974. Landschaften in düsterem Licht, Abgründe menschlichen Seins, mehrdeutige Phantasmagorien, eine Welt allseitiger Bedrohung voller verzweifelter, gequälter Gestalten:
"Meine Literatur ist im Wesentlichen tragisch, genauso wie meine Malerei. Sie ist vom Expressionismus beeinflusst und wird sehr stark vom Unbewussten bestimmt. Es sind sehr merkwürdige, befremdliche Bilder."
Von der Naturwissenschaft zur Literatur
Am 24. Juni 1911 wurde Ernesto Sábato als zehntes von elf Kindern einer italienischen Einwandererfamilie in Rojas, in der Provinz Buenos Aires, geboren. Zunächst sah er in der Naturwissenschaft seine Berufung, gab sie jedoch auf, weil sie ihm letzten Endes keine Erklärung für seine Ängste und Albträume bot, die ihn seit seiner frühen Jugend heimsuchten. Er wandte sich der Literatur zu, denn er wollte wenigstens darstellen, was ihn oft in Phasen tiefster Depression stürzte.
Sein literarisches Werk blieb auf die drei Romane beschränkt. Und den Cervantes-Preis, die höchste Auszeichnung für spanisch-sprachige Literatur, erhielt er erst 1984, nachdem er sich längst als Romancier verabschiedet hatte.
"Auf die Studenten richtet sich meine ganze Hoffnung"
Doch auch dann ergriff er gern als zivilisationskritischer Essayist das Wort und genoss in der tiefen moralischen Krise der 1990er-Jahre gerade bei der Jugend hohes Ansehen. Der nationale Studentenverband ernannte ihn zum Ehrenpräsidenten. Für ihn sei es eine der wichtigsten Auszeichnungen gewesen: "Auf die Studenten richtet sich meine ganze Hoffnung. Denn die Jugend tritt mit dem Willen an, mit diesem Regime der Lügen und einer Korruption unvorstellbaren Ausmaßes Schluss zu machen."
Ernesto Sábato starb im April 2011 kurz vor seinem 100. Geburtstag. "Antes del fín" (deutsch: "Vor dem Ende"), einen schmalen Band mit Erinnerungen, hat er der Jugend gewidmet.