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125. Geburtstag von Paul Dessau
Ein leidenschaftlich sozialistischer Komponist

Seine jüdische Abstammung zwang den Komponisten Paul Dessau zur Emigration. In New York lernte er Bert Brecht kennen und ging nach Kriegsende mit ihm in die entstehende DDR. Mit der dortigen Kulturpolitik geriet Dessau zwar aneinander, blieb der sozialistischen Idee aber bis zum Tode treu.

Von Stefan Zednik | 19.12.2019
    Paul Dessau, Komponist
    Die erzwungene Emigration führte Dessau zunächst nach Paris, später nach New York (Imago / Werner Neumeister)
    Lied: "Die Heimat ist weit, doch wir sind bereit, wir kämpfen und siegen für Dich, Freiheit."
    "Nur durch die Politik können wir die Menschen verändern und indem wir sie verändern, verändern wir ihre Ausdrucksweise und die Musiker ihre Musik."
    Paul Dessau war zumindest in der zweiten Hälfte seines Lebens ein geradezu leidenschaftlicher Vertreter politischer Musik. Er wird am 19. Dezember 1894 als einziges Kind eines Tabakwarenverkäufers in Hamburg-Neustadt geboren. Vor allem drei Dinge sind es, die sein Schicksal maßgeblich beeinflussen werden: ein musikliebendes Elternhaus, die Tradition einer jüdischen Kantorenfamilie und eine strenge Arbeitsmoral bei der immer drohenden Gefahr eines sozialen Abstiegs.
    Musikstudium in Berlin
    Mit circa 15 Jahren geht Paul Dessau nach Berlin und beginnt ein Studium der Musik. Geige, Klavier und Komposition sind seine wichtigsten Fächer, und schnell wird klar: Das Theater soll sein Tätigkeitsfeld werden. Nach dem Kriegsdienst arbeitet er als Theater- und Opernkapellmeister in Hamburg, Köln und Mainz, schließlich bei Bruno Walter an der Städtischen Oper Berlin. Mit dem als eitel geltenden Walter kommt er nicht zurecht, er heuert als Kinokapellmeister an. Als die Zeit des Stummfilms endet und die des Tonfilms beginnt, hat Dessau auch als Komponist bereits erste Erfolge aufzuweisen, und so ist es wenig überraschend, dass er bald als Filmkomponist reüssiert.
    "Stürme über dem Montblanc" heißt der sentimental-dramatische Streifen, für den er 1930 die Musik komponiert. Daneben entstehen Lieder, Chorstücke mit politisch engagierten Texten, Kammermusik, eine Symphonie und Musik für die Synagoge. Doch wie bei vielen seiner Kollegen wird die Karriere 1933 jäh unterbrochen. Die erzwungene Emigration führt zunächst nach Paris, wo er vor allem durch den Spanischen Bürgerkrieg radikalisiert wird. Gleichzeitig arbeitet er an einem hebräisch-sprachigen Oratorium.
    Dessaus Mutter stirbt im KZ Theresienstadt
    1938 flieht Dessau weiter nach New York, wo er Bert Brecht kennenlernt. Die Erfahrung der Vertreibung und der Verlust von engsten Angehörigen - seine Mutter stirbt 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt - haben bei Dessau eine Politisierung zur Folge, er wird Kommunist. Nach Ende des Krieges geht er mit Brecht als dessen wichtigster musikalischer Mitarbeiter in die entstehende DDR, überzeugt davon, beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft im Dienste der arbeitenden Menschen sinnvoll mitarbeiten zu können.
    Der Schriftsteller, Dramatiker und Theaterregisseur Bertolt Brecht
    Gemeinsam mit Bertolt Brecht arbeitete Dessau in der DDR (B2566_ADN / Picture Alliance)
    "Ich halte es für eine menschliche Aufgabe ihn anzuregen, zu hören, und den Versuch machen zu können, trotz seiner großen Arbeit, die er leistet. Weil er mit dieser Arbeit ja überhaupt erst die materielle Basis schafft, dass wir Komponisten arbeiten können, denn ohne seine Arbeit könnten wir nicht arbeiten."
    Wie Brecht gerät auch Dessau bald in die Mühlen kulturpolitischer Kleingeisterei, mit der Forderung der Obrigkeit nach Volksnähe hat der Vertreter eines eminent politisch linken Musikverständnisses durchaus Probleme.
    "Sagen Sie doch anstatt Volksverbundenheit zeitgenössisch. Da haben Sie unsere Zeit drin und die Genossen. Das heißt, dass ich meinen Zeitgenossen, den Menschen, mit denen ich lebe, etwas zu sagen habe."
    Bis zum Tod ein überzeugter Kommunist
    Selbst als Aufführungen seines italienischen Freundes Luigi Nono in der DDR verboten werden, bleibt Dessau der Idee und Praxis seines sozialistischen Staats treu. Doch er lebt in einer Nische, wenig aufgeführt und zugleich offiziell hochgeehrt, vergleichbar seinem großen Kollegen Hanns Eisler. 1973 schreibt Dessau in sein Tagebuch:
    "Wir verbourgeoisieren mehr und mehr. Oh! Sozialismus! Oh!"
    Am Ende geht der überzeugte Kommunist mit einem Schelmenstreich. Zu seiner Beerdigung im Sommer 1979 verbittet er sich falsches Pathos und untersagt Musik, Reden und Blumen an seinem Grab. Die große Regisseurin Ruth Berghaus, seine Witwe, vollendet die Inszenierung, indem sie die wahren Freunde und geistigen Weggefährten um das offene Grab postiert. Den defilierenden Vertretern der Staatskultur bleibt so nur ein stummes, kaum fototaugliches Nicken vor dem Mann, der niemals den Versuch aufgab, anspruchsvolles Komponieren mit sozialistisch-humanistischem Geist zu erfüllen.

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