125 Jahre Reise nach Tahiti

Der Sehnsuchtsort des Paul Gauguin

Besucher auf der Ausstellung über das Spätwerk von Paul Gauguin in der Fondation Beyeler bei Basel.
Eine Gauguin-Ausstellung in Basel. © dpa / picture alliance / Darek Szuster
Von Anne Quirin  · 04.04.2016
Auf Tahiti wollte Paul Gauguin eine neue, unverbrauchte Kunst erschaffen. Die Werke, die er von dort mitbrachte, wurden aber anfangs als "Fantasien eines armen Spinners" abgetan. Vor 125 Jahren brach Gauguin zu seiner ersten Reise auf.
Bevor Gauguin Paris den Rücken kehrt, findet im Café Voltaire, dem Treffpunkt der Bohème, ein opulentes Abschiedsessen für ihn statt. Mehr als 40 Gäste nehmen teil. Man liest Gedichte vor und stößt auf die Rückkehr des Abenteurers an.
Die noch junge künstlerische Karriere des früheren Börsenmaklers Gauguin kommt gerade in Fahrt. Bei einer Auktion werden von seinen 30 Werken 29 verkauft. Das bringt Geld für die Reisekasse. Gauguin hat das große Ziel, eine neue, unverbrauchte Kunst zu schaffen. Und das, so glaubt er, kann er nur fernab der westlichen Zivilisation.
"Denn er merkt, dass er in dem großen Kreis der Künstler, die in Paris arbeiten, eben nur dann herausragen kann, wenn er sich physisch von ihnen trennt, von ihnen entfernt." Der Kunsthistoriker Christoph Becker. Dass Gauguin sich ausgerechnet Tahiti als Ziel aussucht, hat neben der Sehnsucht nach Südseeexotik auch praktische Gründe. "Tahiti lag nahe, weil Tahiti eine französische Kolonie war. Man bekam ein Reisevisum, man bekam als Maler auch ein Reise-Stipendium, es gab dort eine französische Verwaltung, es gab den Postweg, denn er brauchte ja Nachschub an seinen Malutensilien."
Gauguin lässt also seine Frau und die fünf Kinder zurück und geht am 4. April 1891 in Marseille an Bord. Auf einem Postschiff segelt der damals 42-Jährige seinem Traum von einem freien, ursprünglichen und glücklichen Leben entgegen.

Tahiti als Sehnsuchtsort verewigt

Doch nach seiner Ankunft in der Hauptstadt Papeete muss Gauguin feststellen, dass Tahiti kein unberührtes Paradies mehr ist. In seinen Aufzeichnungen, die später unter dem Titel "Noa Noa" als Buch veröffentlicht werden, schreibt er:
"Das Leben zu Papeete wurde mir bald zur Last. Das war ja Europa - das Europa, von dem ich mich zu befreien geglaubt hatte - und noch dazu unter den erschwerenden Umständen des kolonialen Snobismus und der bis zur Karikatur grotesken Nachahmung unserer Sitten, Moden, Laster und Kulturlächerlichkeiten."
Gauguin beschließt, Papeete zu verlassen. Er sucht sich eine Hütte in der Wildnis, um dem Leben der Einheimischen möglichst nah zu kommen.
"Zwischen dem Himmel und mir nichts als das hohe leichte Dach von Pandanus-Blättern, in denen die Eidechsen nisten. Ich bin weit fort von jenen Gefängnissen, den europäischen Häusern. Eine maorische Hütte trennt den Menschen nicht vom Leben, von Raum und Unendlichkeit. Indessen fühlte ich mich dort sehr einsam."
Die Einsamkeit währt nicht lange. Gauguin lebt bald mit einem gerade mal 13-jährigen Mädchen zusammen, das er in mehreren Bildern porträtiert.
In seinen Werken verewigt Gauguin Tahiti als Sehnsuchtsort. Satte Landschaften, idyllische Dorfszenen, der Mensch im Einklang mit der Natur. Von den Auswirkungen des Kolonialismus ist nichts zu sehen. Allein die melancholische Grundstimmung, die sich vor allem in den Gesichtern der oft halbnackten Frauen niederschlägt, nimmt den Darstellungen etwas von ihrer Leichtigkeit.

Geldsorgen zwingen ihn zur Rückkehr

"Die erste Tahiti-Reise und die Jahre unmittelbar davor bringen eine Reihe von wirklich außerordentlich aufregenden Bildern, farblich und kompositionell. Da stehen Farben nebeneinander, pink und orange und gelb, das haben sich andere Maler einfach nicht zu malen getraut."
Krankheit und Geldsorgen zwingen Gauguin schließlich zur Rückkehr nach Paris. Doch immerhin, im Gepäck hat er eine stattliche Anzahl neuer Werke.
"Während zweier Jahre habe ich 66 mehr oder weniger gute Bilder ausgebrütet und einige ultrawilde Schnitzereien. Das ist genug für einen einzigen Menschen."
Als Gauguin die Arbeiten in Paris ausstellt, fällt die Reaktion des Publikums allerdings nicht so aus, wie erhofft. Kritiker bezeichnen die Werke als "Fantasien eines armen Spinners". Oder empfehlen den Besuch der Ausstellung zur "Belustigung ihrer Kinder". Den Weltenbummler hält es nicht lange in Paris. Nach zwei Jahren, in denen nur wenige Werke entstehen, reist Gauguin wieder nach Polynesien, wo er 1903 stirbt. Die Anerkennung seiner Kunst setzt unmittelbar nach seinem Tod ein. Gauguins Formensprache und Farbkompositionen haben nachfolgende Künstler, wie etwa die Expressionisten, maßgeblich beeinflusst. Der einst als "Spinner" verlachte Künstler gilt heute als ein Wegbereiter der Moderne.
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