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140 Fotografen, kein Konzept

Mit Fischli und Weiss, Candida Höfer, F.C. Gundlach und Thomas Demand setzt die vierte Foto-Triennale in Hamburg hauptsächlich auf renommierte Künstler. Neues gibt es für den Besucher daher selten zu sehen. Auch ein Gesamtkonzept, das die über 80 Ausstellungen miteinander verbindet, ist kaum zu erkennen.

Von Carsten Probst | 12.04.2008
    Manchmal deutet sich schon in einer Pressekonferenz der Geist einer Veranstaltung an. So geschehen zur Eröffnung der 4. Foto-Triennale in Hamburg, die doch so manche Unkonzentriertheit aufwies.

    "Die Ausstellung Fischli-Weiss, die... ähm.. kommenden Donnerstag, den 17., hab ich das richtig? Ja, Donnerstag der 17. eröffnet wird...äh, Fischli und Weiss, Fischli, Peter Fischli, genau, und David Weiss mit der Ausstellung "Fragen und Blumen". Die Ausstellung...äh... ist glaube ich an drei Orten geplant, die aber jeweils anders aussehen wird, wenn ich da richtig informiert bin... in Zürich und in der Tate... Candida Höfer im Kunstverein... ähm... im... Entschuldigung... im Hamburger Kunsthaus (Zwischenruf: Freie Akademie!)... Bitte?... (Zwischenruf: In der Freien Akademie!)... O Gott, natürlich! In der Freien Akademie... Tschuldigung, also... Candida Höfer muss ich Ihnen ja auch nicht unbedingt vorstellen.., ist eine der großen deutschen Fotografinnen... oder Künstlerinnen.. wie immer man das auch sagen will..."

    Genau. Alles wohl nicht so wichtig in Hamburg. Henriette Väth-Hinz, immerhin Geschäftsführerin der Foto-Triennale, durfte eine geschlagene halbe Stunde lang unter Beweis stellen, dass ihr weder Namen noch Werk der Fotografen, die auf ihrem Festival zu sehen sind, sonderlich viel sagen. Ort und Termin der einzelnen Ausstellungen kann man dabei dann auch schon mal vergessen.
    Insgesamt fällt auf, dass es der Fototriennale Hamburg trotz beträchtlichen Wachstums der Besucher- und Ausstellungszahlen seit 1999 immer noch nicht gelungen ist, eine klare Konzeption zu finden. Das fällt offenkundig inzwischen auch dem Spiritus Rector auf, dem Modefotografen und Sammler F.C. Gundlach, der vor versammelter Presseschar seinen Unmut über genau diese Uneinheitlichkeit bekundete:

    "Wir haben ja versucht, die letzten drei Triennalen immer ein Motto über die Gesamtveranstaltung zu finden, das war schwierig, und die Häuser haben sich schwierig getan, dann Ausstellungen zu machen, die in das Thema hineinpassen, obwohl man könnte ja langfristig vielleicht mal disponieren, aber gut, das ist keine Kritik..."

    Ist es eben doch. Hamburg hätte gern eine so etwas wie eine Kunstmesse oder wie eine Kunstbiennale, irgendetwas, um ein bisschen im Konzert der Kulturstädte mitzuspielen, aber da es solche Veranstaltungen andernorts bereits im Überfluss gibt, versucht man sich in einer Kombination. Bei der Fototriennale wirken die großen und kleineren Museen der Stadt zusammen, private Galerie klinken sich ein und wollen nebenbei ein bisschen was verkaufen, und man möchte vor allem auch die Amateur- und Pressefotografenszene mit Workshops und Marketingveranstaltungen beglücken. Grosses Vorbild ist das Fotofestival in Arles, bei dem allerdings dann doch ein etwas anderer Wind weht und immer wieder interessante Positionen von Amateurfotografen entdeckt werden.

    "Dass wir dieses Zelt hier haben, ist natürlich eine Idee, die wir von Arles etwas übernommen haben, weil es einfach so überzeugend ist, aber wir sind nicht Arles, wir haben nicht das Wetter, wir haben nicht die wunderbare Sonne und wir haben auch nicht die kleine Stadt, wo man permanent über andere Leute läuft. Ich denke nur, zum Event einer Triennale gehört das einfach, die Begegnung mit den Kollegen und der Austausch, das ist das Wichtigste. "

    Meint F.C. Gundlach, und er mag recht haben, weil eben gerade dieser Teil der Triennale offenkundig für viele Amateurfotografen unter den Besuchern das Herzstück der Veranstaltung ist. Die Ausstellungsplanung lässt allerdings trotz mancher "grossen Namen" kein Konzept, eher eine gewisse Lieblosigkeit erkennen. Mit Fischli & Weiss, Candida Höfer, F.C. Gundlach höchstselbst und Thomas Demand, der sich selbst aber wiederum gar nicht zu den Fotografen zählt, setzt man in den großen Häusern wie der Kunsthalle oder in den Deichtorhallen nicht gerade auf neue Entdeckungen.

    Besondere Risikobereitschaft demonstriert auch das Altonaer Museum mit seiner Ausstellung von Elbeansichten nicht gerade, ebenso wenig das Museum für Kunst und Gewerbe mit 250 Fotografien von Karin Szekessy, die unter anderem Stillleben und surreal angehauchte Mädchenerotik zeigt.

    Das Kunsthaus setzt mit postmortalen Portraits des Fotografen Walter Schels auf den voyeuristischen Schauder fotografischer Totenmasken. Das Museum für Arbeit wiederum wagt immerhin eine originelle Premiere mit 80 Nachtaufnahmen von Dampflokomotiven aus den fünfziger Jahren von Winston Link, der die Stahlrösser in dramatischer Szene und Beleuchtung wie dampfumhüllte Walküren durch die Nacht rauschen lässt.

    Es bleibt dem Hamburger Kunstverein vorbehalten, jenen Enthusiasmus für das wenig Gesehene zu formulieren, den ein Festival dieser Art eigentlich versprühen sollte. Die 1964 geborene Amerikanerin Sharon Lockart ist eine zwar bedeutende, aber dem Mainstream weitaus weniger einverleibte Fotografin, als die übrigen ihrer Kolleginnen und Kollegen auf der Triennale. Ihre großformatigen Bilder fertigt sie meist in Serien an, die einen Zeitablauf suggerieren und dadurch zuweilen wie Filmstills wirken, ohne es zu sein.

    Lockhart wurde Anfang der neunziger Jahre mit Filmen und Fotografien bekannt, in denen sie sich explizit auf Klassiker der Filmgeschichte bezieht und die darin angelegten Erzählstränge fotografisch-strukturell herausarbeitet. Der Kunstverein demonstriert verschiedene Aspekte ihres Werkes. So porträtiert sie in einer Serie von 19 Aufnahmen über den Zeitraum eines Monats den Verfall eines aus Obst und Gemüse arrangierten "Nô-no-ikebana", das, seiner japanischen Tradition entsprechend, aus Feldfrüchten zusammengesteckt wird und in seinem ephemeren Charakter als Gegenentwurf zum Akademismus der japanischen Tradition verstanden werden kann. In der Serie vergehen und verfärben sich zwar die Lebensmittel, die Grundform des Ikebana bleibt jedoch allen Zeitspuren zum Trotz erhalten.
    In einer anderen, vierteiligen Serie hat Lockart die Installation "Lunch Break" des amerikanischen Realisten Duane Hanson von vier einander gegenüberliegenden Positionen aus fotografiert. Das Werk zeigt die von Hanson fotorealistisch modellierten Bauarbeiter bei der Pause, doch unter die Skulpturen mischen sich auch zwei ganz lebendige Museumshandwerker, die die Installation gerade aufgebaut haben, was sich jedoch erst bei genauerem Hinsehen herausstellt.

    Die genaue Beobachtung des Unscheinbaren präzisiert Lockart in ihren Filmen. In mehrteiligen Aufführungen ist hier erstmals Lockharts groß angelegtes strukturelles Filmexperiment "Pine Flat" zu sehen, in dem sie in zwölf Kapiteln Jugendliche auf dem Land in ihrer Freizeit portraitiert. Das genaue, zugleich wie statische Erfassen der Umgebung, der Wechsel der Jahreszeiten und auch die verschiedenen Handlungen, Kleidungen, Interessen der Jugendlichen lassen aus diesen zufällig wirkenden Aufnahmen unmerkliche Choreografien, beiläufige Handlungsstränge entstehen. Umgekehrt hat Lockhart wiederum die erste Kuss-Szene aus François Truffauts Filmklassiker "L'argent de poche" von verschiedenen Kindern nachspielen lassen und sie dabei fotografiert. Dem bekannten Handlungsschema fügt sie so eine ungewohnte Vieldeutigkeit hinzu.

    Und man möchte ergänzen: Vielleicht wäre ein solches Einfügen des Unerwarteten auch ein Rezept für die künftigen Hamburger Foto-Triennalen.