150. Geburtstag Frank Wedekinds

Bühnenautor, Schauspieler und Wortakrobat

Der Dramatiker Frank Wedekind mit seiner Frau Tilly in einer Szene des Stücks "Der Erdgeist" an den Berliner Kammerspielen im Jahr 1913.
Frank Wedekind in den Armen seiner Frau Tilly. © dpa
Von Almut Finck · 24.07.2014
Vor 150 Jahren erblickte einer der größten Dramatiker Deutschlands das Licht der Welt – Benjamin Franklin Wedekind. Bis heute ist er einer der meistgespielten Bühnenautoren, jedoch verlief seine Karriere nicht immer reibungslos.
Schon die Vorgeschichte seiner Eltern ist abenteuerlich genug für einen Roman: Der Vater, ein Gynäkologe, stand einst im Dienst eines türkischen Sultans, um anschließend unter kalifornische Goldsucher zu geraten. Die Mutter, Tochter eines schwäbischen Fabrikanten, der das Streichholz erfand und anschließend dem Wahnsinn verfiel, ging ebenfalls nach Amerika, wo sie als Varietésängerin in den Saloons von San Francisco auftrat. Hier fanden sie sich, kehrten ins gutbürgerliche Deutschland zurück und bekamen sechs Kinder. Eines davon – Frank Wedekind - ist bis heute einer der meistgespielten Bühnenautoren.
Phase des Sturm und Drangs
Frank Wedekind wurde am 24. Juli 1864 in Hannover geboren, wuchs in der Schweiz auf und begann seinen Werdegang naturgemäß als Sprücheklopfer.
"In der Stunde der Geburt
hat die Mutter noch gehurt.
Reckte noch den Leib mit Wonnen
als die Wochen schon begonnen.
Und nun soll ich armes Kind
sein wie alle andren sind?!"
Ein weiteres Gedicht mit dem Titel "Vater, mein Vater" verfasste er 1886 für eine Brühwürfelfirma, wo er sich als Werbetexter sein Brot verdiente. Sein Vater hatte ihm den Unterhalt gestrichen, als er mitbekam, dass der 22-Jährige in Theatern und Kaffeehäusern hockte, statt Jura zu studieren.
"Vater, mein Vater!
Ich werde nicht Soldat.
Dieweil man bei der Infantrie
Nicht Maggi Suppen hat."
Das war noch brav und Wedekind noch kein Tantenmörder, wie 1902, als er über die in Deutschland gerade in Mode gekommenen Brettl-Bühnen reist, einer der Elf Scharfrichter, die mit gesellschaftskritischem Kabarett Unruhe stiften.
"Ich hab meine Tante geschlachtet,
Meine Tante war alt und schwach.
Ich hatte bei ihr übernachtet.
Und grub in den Kisten-Kasten nach."
Wedekind, der Bürgerschreck. Ein verwegener Kerl in gelb-karierten Pepitahosen, drei Bärte im Gesicht: Schnurr, Backe und Ziege.
Charisma und Vortragstalent hatte Wedekind von seiner Mutter geerbt, die als Sängerin in den Saloons von San Francisco auftrat, bevor sie mit Dr. Wedekind, einem deutscher Arzt, erst im Dienst eines türkischen Sultans, dann unter Goldgräbern in Kalifornien, ins gutbürgerliche Leben zurückkehrte.
Jung und ohne Geld
Sohn Frank hielt davon gar nichts: Rastlos wie einst seine Eltern lebte er in München, London, Berlin und Paris. Und seine Finanzlage war nicht selten desaströs.
"Ich mache die bedenklichsten Salto Mortali, um nicht Hungers zu crepieren."
Notgedrungen heuerte er also bei Albert Langen an. Der Verleger hatte gerade eine Satirezeitschrift gegründet, den "Simplicissimus". Doch Frank Wedekind wollte nicht nur Kleinkünstler sein, sondern Dramatiker. Als er 1899 wegen Majestätsbeleidigung ins Gefängnis musste, war vorerst Schluss mit den Spottversen.
Der Beginn einer großen Karriere
1897 wurde erstmals ein Schauspiel von Wedekind aufgeführt, "Erdgeist", Teil eins der furiosen Lulu-Trilogie, die später Alban Berg zu einer Oper inspirierte. Eine "Monstertragödie" hatte Wedekind sein Sittengemälde um Lulu genannt, ein Kindweib, das mit seiner alles verschlingenden sexuellen Gier den als Bürger verkleideten Mann in einen Abgrund aus Wollust und Grauen ziehe.
1906, nach 15 Jahren Verbot, durfte endlich auch "Frühlings Erwachen" aufgeführt werden, in Berlin, unter Max Reinhardt. Das Stück zeigte Pubertierende und ihre sexuellen Nöte, alleingelassen von den Erwachsenen, die schweigen oder hilflos stammeln, statt Aufklärung zu leisten.
Szene aus "Frühlings Erwachen":
"Um ein Kind zu bekommen, ..., muss man den Mann – mit dem man verheiratet ist – lieben. ... Man muss ihn so sehr von ganzem Herzen lieben, wie – wie sich's nicht sagen läßt! ... Jetzt weißt du's! Jetzt weißt du, welche Prüfung dir bevorsteht!"
Schonungslos legte Frank Wedekind den Finger in die Wunde einer sich fortschrittlich gerierenden Gründerzeitgesellschaft, die auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik florierte, während im Bereich von Ethik und Moral Prüderie, Heuchelei und Kleingeist regierten, vermittelt durch von autoritären Strukturen geprägte Institutionen wie Familie, Schule, Kirche und Militär.
Das Erbe Frank Wedekinds
Heute zählt "Frühlings Erwachen" zum Standardrepertoire deutschsprachiger Bühnen. Theaterkritiker Alfred Kerr hatte Recht, 1906, als er befand:
"Ein Hauch schwebt über diesem Werk, ein Hauch, der die Grundmauern des Daseins anweht."
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