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150. Geburtstag von Rosa Luxemburg
Ikone und Märtyrerin der Linken

Rosa Luxemburg wurde in den 1910er-Jahren zur charismatischen Führungsgestalt des linken Flügels der Sozialdemokratie. Ihre Schriften, etwa zur Imperialismus-Theorie, befeuern noch heute Debatten. Vor 150 Jahren wurde die 1919 ermordete Politikerin im polnischen Zamosc geboren.

Von Wolfgang Stenke | 05.03.2021
    Ein Porträt von Rosa Luxemburg (1871-1919)
    Rosa Luxemburg, linke Sozialdemokratin und Mitgründerin der KPD. Sie wurde am 15. Januar 1919 in Berlin ermordet (imago stock&people)
    "Neulich kam so ein Wagen, bespannt statt mit Pferden mit Büffeln. Der begleitende Soldat, ein brutaler Kerl, fing an, auf die Tiere mit dem dicken Ende des Peitschenstiels loszuschlagen."
    Eine Beobachtung aus dem Strafgefängnis Breslau, Dezember 1917.
    „Die Tiere standen dann beim Abladen ganz still, erschöpft, und eins, welches blutete, schaute dabei vor sich hin wie ein verweintes Kind. Ich stand davor, und das Tier blickte mich an, mir rannen die Tränen herunter.“

    Für ihre rechten Gegner war sie die "blutige Rosa"

    Die politische Gefangene, die ihre Trauer über menschliche Rohheit in einem Brief an die Mitstreiterin Sophie Liebknecht beschrieb, war Rosa Luxemburg. Geboren am 5. März 1871 in dem polnischen Städtchen Zamosc´, das damals zum Russischen Reich gehörte. Misshandelt und ermordet am 15. Januar 1919 in Berlin durch gegenrevolutionäres Militär. Für das bürgerliche Lager war die charismatische Sozialistin die „blutige Rosa“. Für die Linke war sie, wie ihr Genosse Karl Liebknecht, Vorbild und Märtyrerin. Ein Kampflied der KPD:
    "Auf, auf zum Kampf, zum Kampf
    Zum Kampf sind wir geboren
    Dem Karl Liebknecht, dem haben wir's geschworen
    Der Rosa Luxemburg reichen wir die Hand."
    Rosa Luxemburg kam aus einer assimilierten jüdischen Familie. Schon als Kind litt sie unter einer Hüftkrankheit. In Warschau schloss die Gymnasiastin sich einem Politzirkel namens „Proletariat“ an. Als die Verhaftung drohte, verließ sie das Zarenreich und schrieb sich 1889 an der Universität Zürich ein. Zugleich frequentierte Rosa Luxemburg die Milieus linker Exilanten und nahm 1893 am Zürcher Kongress der 2. Internationale teil. Der belgische Sozialist Emile Vandervelde schrieb über die Delegierte:
    "Zierlich in ihrem Sommerkleid, verfocht sie ihre Sache mit einem solchen Magnetismus im Blick und mit so flammenden Worten, dass die Masse des Kongresses die Hand für ihre Zulassung erhob."
    Durch eine Scheinehe erwarb Rosa Luxemburg 1898 die deutsche Staatsbürgerschaft und zog nach Berlin, um sich der SPD anzuschließen.

    Scharfe Kritik am Reformismus der SPD

    Sie dachte und handelte internationalistisch, antimilitaristisch und antiimperialistisch, vertraute zur Durchsetzung politischer Ziele auf die spontane Bereitschaft der Massen zum Streik. Ihre scharfe Kritik am Reformismus der SPD machte sie zur Wortführerin des linken Flügels der Arbeiterbewegung:
    "Es ist hohe Zeit, dass die sozialdemokratische Arbeitermasse lernt, ihre Urteilsfähigkeit und Aktionsfähigkeit zum Ausdruck zu bringen und damit ihre Reife für jene Zeiten großer Kämpfe darzutun, in denen sie die Dolmetscher des Massenwillens sein sollen."
    Die Gründung der USPD
    Am 6. April 1917 wurde in Gotha die "Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands" ins Leben gerufen. Damit fand ein heftiger parteiinterner Konflikt innerhalb der SPD einen Abschluss. Doch der kometenhafte Aufstieg der USPD endete bereits im Herbst 1920, als die Partei wiederum an inneren Gegensätzen zerbrach.
    Die Mehrheit dieser Arbeiter und mit ihnen die SPD lehnte es 1914 ab, gegen den Krieg der europäischen Großmächte in den Streik zu treten. Ende des Jahres formierte sich die Opposition – an der Spitze der Abweichler: Liebknecht und Luxemburg. Beide werden wegen Wehrkraftzersetzung jahrelang eingekerkert. Draußen spaltet sich 1917 die SPD in Unabhängige und Mehrheitssozialdemokraten; in Russland stürzt die Zarenherrschaft. In der Haft schreibt Rosa Luxemburg den Aufsatz „Zur russischen Revolution“.Darin der viel zitierte Satz:

    "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden"

    Kein Plädoyer für Meinungsfreiheit im Sinne liberaler Demokratie, doch eine Kritik des bolschewistischen Zentralismus. Die drohende Niederlage im Weltkrieg führte auch in Deutschland Ende 1918 zur Revolution. Die SPD-Übergangsregierung bemühte sich um einen geordneten Wechsel zur parlamentarischen Demokratie. Aus dem Lager der sozialistischen Kriegsgegner, vor allem dem von Liebknecht und Luxemburg geführten Spartakusbund, wurde Ende 1918 die die KPD gegründet.
    Demonstranten stehen mit Bildern von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht anlässlich des 99. Jahrestages ihrer Ermordung vor der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde.
    Eine Lange Nacht über Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht - „Ein scharfer Wind bläst durch die Lande“
    Im Januar 1919 verhört ein Freikorpsoffizier in Berlin zwei Gefangene: Es sind die prominenten Führer des Spartakus-Aufstandes. Generalstabsoffizier Pabst weist seine Begleitoffiziere an, die beiden zu töten.
    Ihr Programm: ein landesweites System von Arbeiter- und Soldatenräten. In Berlin revoltierten linke Truppenteile gegen die Regierung, die konterrevolutionäres Militär zur Hilfe rief. „Ordnung herrscht in Berlin!“ kommentierte Rosa Luxemburg am 14. Januar 1919 sarkastisch in der KPD-Zeitung „Rote Fahne“ – einen Tag vor ihrer Ermordung. „Die Revolution wird sich morgen schon rasselnd in die Höh’ richten’ und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!“