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2.6.1904 - Vor 100 Jahren

Tarzan’s awesom warning cry is known to every living creature in the jungle.

Von Nicole Maisch | 02.06.2004
    Auch außerhalb des Dschungels ist dieser Schrei wohl nicht unbekannt. Tarzan gehört zu den kulturellen Mythen des 20. Jahrhunderts. Den Grundstock dafür legten die Bücher von Edgar Rice Burroughs. Aber seine große Popularität hat die Figur, neben den Comics, vor allem den unzähligen Verfilmungen zu verdanken. Insbesondere jenen elf, für die Johnny Weissmüller zwischen 1932 und 1946 in die Rolle des Dschungelkönigs schlüpfte.
    Gleich sein erster Film:

    Tarzan, King of the Apes

    wurde kommerziell ein Riesenerfolg. Weissmüller war zwar schon der sechste Tarzandarsteller, aber der erste, den die Zuschauer auch hören sollten. Der Tonfilm machte den so charakteristischen Urwaldschrei und die damit verbundene Verschmelzung von Darsteller und Rolle erst möglich.
    Allerdings: ohne seine sagenhaften Schwimmerfolge wäre Janos Petr Weissmüller, so sein ursprünglicher Name, nie Tarzan geworden. Der in Siebenbürgen Geborene kam schon als Dreijähriger mit seinen Eltern in die USA. Er wuchs in Chicago auf, wo er mit 15 zum Schwimmsport kam und mit 18 bereits Wunderdinge vollbrachte.

    Als erster Mensch schwamm er die 100-Meter-Kraulstrecke in weniger als einer Minute - und landete zwei Sekunden unter dem bis dahin geltenden Weltrekord, auf der Sprintstrecke eine kleine Ewigkeit.
    1924 dann war Johnny Weissmüller der Star der Olympischen Spiele in Paris: 1,94 Meter groß, 90 Kilogramm schwer, gerade mal 20 Jahre alt, sah er mit seinen zurück gekämmten Haaren und ebenmäßigen Gesichtszügen nicht nur ziemlich gut aus, drei Siege bewiesen zudem sein großes Talent und sein außerordentliches Können.

    In seiner aktiven Zeit, bis 1929, errang der Ausnahmeschwimmer insgesamt fünf olympische Goldmedaillen und über 20 offizielle Weltrekorde. Zum Liebling der Zuschauer aber wurde er vor allem wegen der jungenhaften Leichtigkeit, mit der er seine Siege zu erringen schien. Die Herzen flogen ihm zu, weil er wie kein anderer Athlet die Lässigkeit und den Charme der Roaring Twenties zum Ausdruck brachte. In Kombination mit seinen durchtrainierten Gardemaßen war dies die Eintrittskarte für Hollywood. Damit gelang es Johnny Weissmüller als erstem Olympioniken der Neuzeit, seinen sportlichen Ruhm zu Geld zu machen.

    In Zeiten von Weltwirtschaftskrise und Depression kämpfte der Modellathlet von nun an als Tarzan gegen große Tiere und böse Menschen, vor allem aber rettete er Jane.

    Jane so schön, Jane gut. Jane, Tarzan, Tarzan, Jane.

    Die beiden führten ganz im Sinne von Roosevelt’s New Deal – und trotz aller schöner nackter Haut – eine Ehe, die ausschließlich auf Kameradschaft basierte. Folgerichtig wurde Boy nicht gezeugt, sondern Dank eines Flugzeugabsturzes vom Storch gebracht. Neben dem Adoptivsohn komplettierte der Affe Cheeta als zweites Kind das perfekte Bild der bürgerlichen Kleinfamilie, die als Hort des Guten in einer Welt des Bösen bestehen kann.

    Johnny Weissmüller verkörperte als Schwimmidol und Dschungelausgabe des patenten Familienvaters zwanzig Jahre lang amerikanischen Zeitgeist. Mitte der 40er aber sank sein Stern. Tarzan war nicht mehr gefragt und Weissmüller musste, auf sich selbst zurückgeworfen, mit dem Leben jenseits der Rolle zurechtkommen. Das fiel ihm schwer.

    Sein stattliches Vermögen reichte nicht aus, um sich vier Scheidungen und Jahrzehnte des verschwenderischen Müßiggangs wirklich leisten zu können. Auf seinem quälend langen Abstieg fand sich der einstige Star - ein Vierteljahrhundert nach seinen Leinwanderfolgen - vor dem Cesar’s Palace in Las Vegas wieder. Als Türsteher schüttelte er Hände und lächelte in Kameras: Ich Tarzan, du willkommen. Sein letzter Job, denn dann folgten Schlaganfälle, Lähmungen und ein Herzinfarkt. Nach langen, schwerkranken Jahren starb der ehemalige Zuschauerliebling 1984 verarmt in Acapulco.

    Sein Grabstein verrät, dass er die nötige Distanz zu seiner Filmfigur wohl auch am Ende seines Lebens nicht gefunden hat. Zwei Namen stehen da geschrieben: Johnny Weissmüller und Tarzan.