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20 Jahre "TUSCH - Theater und Schule"
Mut machen und Grenzen abbauen

Heute wird in Berlin das jährliche TUSCH-Festival eröffnet. Das ist gleichzeitig auch die offizielle Feier zum 20-jährigen Jubiläum des Netzwerks TUSCH, das seit 1998 versucht, mit Theatern kulturelle Bildung an Schulen zu verankern - mit Erfolg.

Von Elisabeth Gregull  | 06.03.2018
    TUSCH Berlin - Theater und Schule, ein Theaterprojekt für Schüler. Eröffnungsveranstaltung der TUSCH - Festwoche im Podewil in Berlin Mitte 2012 -Auf der Bühne: Oskar - von der Staatlichen Ballettschule und Schule für Artistik Berlin.
    TUSCH-Aufführung in Berlin 2012 (imago stock&people)
    "Und wenn ihr das hört ... dann wachsen alle."
    Ron Rosenberg blickt auf die Bühne im Berliner Kulturzentrum Podewil. Langsam erheben sich Jugendliche vom Boden, recken ihre Arme in die Höhe und bewegen sich wie Bäume im Wind. Einer von ihnen ist Daniel, er blickt Richtung Himmel:
    "Ich suche die Sonne!"
    Ron Rosenberg ist Theaterpädagoge am Berliner Maxim-Gorki-Theater. Das Stück hat er gemeinsam mit der Schultheatergruppe "Neukölln 1.1" entwickelt.
    "Und alle sagen: Ich suche die Sonne!"
    "Ich suche die Sonne!"
    "Die Schule lernt am Theater und das Theater von der Schule"
    Heute ist Generalprobe, denn das Stück wird bei der Eröffnung des TUSCH-Festivals aufgeführt. TUSCH ist die Abkürzung für das Netzwerk "Theater und Schule". Es bringt seit 20 Jahren Berliner Bühnen und Schulen zusammen. In langfristigen Partnerschaften entwickeln sie gemeinsam Theaterstücke und tauschen sich intensiv aus. Ron Rosenberg glaubt, dass davon beide Seiten profitieren:
    "Die Schule lernt am Theater und das Theater von der Schule, also zum Beispiel von den Schülerinnen und Schülern, ihrer Lebenswirklichkeit."
    Aktuell arbeitet er mit der Schule am Bienwaldring, einem sonderpädagogischen Förderzentrum mit Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung". Dort lernen Kinder und Jugendliche mit Down Syndrom, Autismus oder Lernbehinderungen. Für den Theaterpädagogen ist diese Arbeit eine neue und bereichernde Erfahrung:
    "Die Schüler waren sehr offen und sehr zuvorkommend und neugierig und wild und lustig und sehr humorvoll."
    Gemeinsam haben sie sich mit der Frage beschäftigt: Was ist Zeit? Was machen wir mit unserer Zeit?
    Jetzt geht Ron Rosenberg mit Kaan seinen Einsatz durch:
    "Und los, Kaan!"
    "In der Nacht ist es null Uhr. In der Nacht .."
    "Moment, in der Nacht ist es null Uhr, da musst Du ein bisschen warten ..."
    Auf die Frage, wie er die Zusammenarbeit mit Ron Rosenberg findet, reagiert Kaan ohne zu zögern: "Richtig klasse!"
    Die Persönlichkeit stärken
    Die Theatergruppe "Neukölln 1.1" wird seit acht Jahren von der Sonderschullehrerin Friederike Jentsch und ihrem Team geleitet. Sie beobachtet, wie das Theaterspielen die Jugendlichen verändert. Zum Beispiel Schüler mit Autismus, die sonst emotional zurückhaltend sind:
    "Und wo dann wirklich Kollegen und andere Schüler auch fasziniert sind, was wir mit denen gemacht haben, dass die jetzt auf einmal so aus sich herausgehen."
    Das Theaterspielen sei für alle Kinder und Jugendlichen eine Chance, denn es "stärkt ungemein die Persönlichkeit. Sich etwas zuzutrauen, ja den Mut zu haben, auf die Bühne zu gehen, sich zu präsentieren. Kreativ zu sein."
    Diese positiven Effekte würden in den Schulalltag zurückwirken und das gelte auch für Grundschulen und Gymnasien. Im TUSCH-Netzwerk sind alle Schultypen vertreten. Die Schulen bewerben sich und TUSCH-Projektleiterin Lena Blessing bringt sie mit den passenden Bühnen zusammen:
    "Der Unterricht ist ja nicht immer darauf angelegt, soziale und kulturelle Kompetenzen zu erlernen wie Teamfähigkeit oder Ähnliches. Und das lernen sie durch Theaterprojekte."
    "Ich hab mehr Mut gekriegt"
    Sueda erklärt, was ihr an Theaterprojekten besonders gefällt:
    "Dass wir unterschiedliche Rollen bekommen oder ein anderes Thema und so. Wir versuchen, das dann zu spielen und zu zeigen, dass wir das können."
    Auch Lea fühlt sich durch das Theaterspielen gestärkt: "Ich hab mehr Mut gekriegt."
    Inzwischen haben Städte wie Frankfurt, Hamburg, Rostock, München und Darmstadt das TUSCH-Modell übernommen. Ron Rosenberg sieht in der kulturellen Bildung die Chance für Schulen, sich neue Formen des gemeinsamen Lernens zu erschließen:
    "Das Theater bringt Menschen zusammen und baut Grenzen ab."
    "Im Theater gibt es keine Grenze"
    Diese Erfahrung hat auch Friederike Jentsch gemacht, als ihre Theatergruppe gemeinsam mit einem Gymnasium ein Stück entwickelt hat. Weil davon beide Schulen profitiert hätten, hat sie zusammen mit anderen unter dem Dach von TUSCH das "Netzwerk inklusive Theaterarbeit" gegründet:
    "In den anderen Bereichen, Mathe oder Deutsch, gibt es dann in der Inklusion auch Grenzen. Aber ich denke im Theater gibt es da keine Grenze. Da ist es einfach grenzenlos."