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20 Minuten Sprechzeit und schwer wie Beton

Mobil zu telefonieren war früher ein aufwendiger Prozess. Reiche Autofahrer, Manager und Sicherheitsdiensten wie Polizei und Feuerwehr war das vorbehalten. Dann begann sich die Elektronik rapide zu verfeinern und das erste Mobiltelefon - Dynatac 8000X - kam auf den Markt.

Von Mathias Schulenburg | 21.09.2013
    Es war einmal, vor langer Zeit, da lasen die Leute in der Straßenbahn Zeitung oder unterhielten sich und hätten sich sehr gewundert, wenn da wer ständig auf ein viereckiges Ding in seiner Hand gestarrt und mit dem Finger darüber gewischt oder ungeniert mit jemandem in der Luft gesprochen hätte. Heute hat fast jeder ein Handy – wenn nicht in der Hand, so doch wenigstens in der Tasche. Das Fehlen dieser Geräte wurde seinerzeit offenbar als Mangel empfunden, und Not macht erfinderisch,

    "Necessity is the mother of invention …"

    Not macht erfinderisch, weiß Martin Cooper, der in den 1970er-Jahren als Ingenieur mit der Entwicklung eines tragbaren Telefons begonnen hatte. Am 21. September 1983 wurde das erste Mobiltelefon der Firma Motorola für den öffentlichen Telefondienst zugelassen. Seine Sprechzeit ließ zu wünschen übrig – obwohl es Dynatac 8000X hieß.

    "Die Batterie hielt nur 20 Minuten, aber das war kein Problem, weil sich sowieso niemand ein so schweres Teil länger als 20 Minuten ans Ohr hätte halten können."

    Gleichwohl: Motorola glaubte an die Entwicklung und machte Reklame:

    "Die Kommunikationsrevolution macht es für immer mehr Leute möglich, unterwegs ein Telefon dabei zu haben, dank des einzigartigen tragbaren Telefons von Motorola, das nur knapp ein Kilo wiegt. Bisher sind nur Geschäftsleute die Hauptnutzer; wenn sich die Vorzüge erst einmal herumgesprochen haben, werden es immer mehr Menschen sein. Branchenbeobachter haben zurzeit nur ein paar Tausend ausgemacht, aber diese Zahl wird in wenigen Jahren beträchtlich wachsen, in der "cellular revolution", der Mobilfunkrevolution."

    "Cellular phone" ist in Amerika das, was in Deutschland "Handy" heißt. Das Wort "cellular", zellulär, spielt auf den Umstand an, dass die Infrastruktur eines Mobiltelefons aus zahlreichen kleinen Sende- und Empfangsstationen besteht, die Funkzellen bilden, an denen sich ein reisendes Handy gleichsam entlang hangelt. Es bemüht sich, immer mit der nächstgelegenen verständigungsbereiten Funkzelle Kontakt aufzunehmen. Das hat allerdings zur Folge, dass ein eingeschaltetes Funktelefon in der Regel zu orten ist, wovon manche Behörden regen Gebrauch machen. Was die technischen Möglichkeiten angeht, ist George Orwells Roman "1984" längst übertroffen.

    Das klobige Dynatac 8000X erlangte als Fortschrittssymbol große Popularität, Gordon Gekko, der schurkische Spekulant aus dem Film "Wall Street", hatte auch eines. Mit dem Aufkommen zierlicherer Modelle – Dank immer kleiner werdender Bauteile mutierte das Dynatac 8000X schließlich zum Symbol für technische Rückständigkeit.

    Heute geht die Zahl der Handynutzer in die Milliarden, und längst ist aus dem Mobiltelefon das Smartphone geworden. Bislang ohne großen gesellschaftlichen Schaden, wenn man vom akustischen Terror in der Straßenbahn absieht. Der Entwickler des ersten Handys, Martin Cooper, sieht das Problem:

    "Ich habe da gemischte Gefühle. Wir haben einfach noch nicht gelernt, mit unseren Handys auf Höflichkeit zu achten."

    Wie wird das alles enden? Martin Cooper hat die Entdeckung gemacht - Coopers Gesetz genannt - dass sich die Kapazität für die Datenübertragung per Funk alle 30 Monate verdoppelt. Das lässt für die Zukunft einen dichten Datennebel erwarten, der die Atmosphäre mit Bildern und Melodien tränkt, mit Informationen, und Desinformationen – eine Parallelwelt, die nicht wenige für die eigentliche Welt halten werden.

    Natürlich gehört zur Vorgeschichte des Handys noch Hedy Lamarr. Die schöne Hollywood-Actrice langweilte sich in den 1940er-Jahren auf den üblichen Partys und brütete stattdessen diverse Erfindungen aus, darunter eine patentierte störsichere Torpedo-Steuerung für die US-Marine, deren Prinzip später ein Fundament für die Mobilfunktechnik wurde. Wie hätte Hedy die Allgegenwart ihrer Idee heute aufgenommen?