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200 Jahre "Museo del Prado"
Die spanische Geschichte unter einem Dach

Mit der Eröffnung des Prado-Museums bekam erstmals eine breite Öffentlichkeit die Kunstschätze der spanischen Könige zu Gesicht. Das Museum gilt als eines der bedeutendsten der Welt. Zugleich ist es aber auch ein Spiegel der wechselhaften Geschichte Spaniens.

Von Hans-Günter Kellner | 19.11.2019
    Das Museo del Prado in Madrid
    Das Museo del Prado in Madrid (imago stock&people)
    Javier Barón blickt im Prado-Museum in Madrid fasziniert auf das Gemälde einer Hinrichtung. Barón ist Chefrestaurator für die Werke aus dem 19. Jahrhundert, das Bild hatte der Spanier Antonio Gispert 1888 fertiggestellt.
    "Wir sehen hier ‚Die Hinrichtung von Torrijos und seinen Gefährten am Strand von Málaga‘. José María Torrijos wird als Held dargestellt, der sich gegen die ungerechten absolutistischen Gesetze auflehnt und dafür ohne Gerichtsverfahren 1831 erschossen wird. Den Befehl hatte König Ferdinand VII. gegeben. Dieses Gemälde repräsentiert sehr gut die Geschichte Spaniens und ihre Beziehung zum Prado Museum", sagt Barón.
    Eine widersprüchliche Geschichte: Die damals liberale spanische Regierung hatte das Bild 1886 in Auftrag gegeben und würdigte damit den General Torrijos, der den Monarchen Ferdinand VII. knapp 50 Jahre zuvor stürzen wollte. Ferdinand VII. wird mit der Hinrichtung hingegen zum grausamen Herrscher.
    "Königliches Gemälde- und Skulpturenmuseum"
    Allerdings war König Ferdinand VII. auch der Gründer des Prado-Museums. Am 19. November 1819 machte er seine königliche Sammlung im Gebäude des Architekten Juan de Villanueva dem Publikum zugänglich. Das "Königliche Gemälde- und Skulpturenmuseum" zeigte zu Beginn 311 Werke, ausschließlich von spanischen Malern – Diego Velázquez, José de Ribera oder Francisco Zurbarán. Zwei Jahre später waren weitere Ausstellungsräume für die italienischen Meister fertiggestellt. Die Kunsthistorikerin Maria Dolores del Castillo erinnert an die lange Vorgeschichte des Museums:
    "Als das königliche Museum, der Prado, eingeweiht wird, sind dort vor allem die Exponate zu sehen, die schon während des Unabhängigkeitskriegs zwischen 1808 und 1814 in Speichern gelagert wurden und auf ein Museum gewartet haben. Zum Beispiel im Retiro-Palast. Das heißt nicht, dass das minderwertige Gemälde gewesen wären, dazu gehörte zum Beispiel der gesamte Herkules-Zyklus von Zurbarán."
    Könige als leidenschaftliche Sammler
    Denn lange vor der Gründung des Museums hatten schon andere Monarchen versucht, Ordnung in die enorme Sammlung zu bringen. Alle spanischen Könige waren leidenschaftliche Sammler, Habsburger wie auch Bourbonen. Philipp II. hatte eine Schwäche für Tizian oder Hieronymus Bosch, Philipp IV. für Rubens, Rafael oder José de Ribera und natürlich seinen Hofmaler Velázquez. Spaniens Könige gingen nicht sehr systematisch vor, erzählt Maria Dolores del Castillo, aber ihre Sammlung muss schon bei der Eröffnung des Museums begeistert haben:
    "Die königliche Sammlung war spektakulär. Da waren die italienischen Meister, Tizian, Veronese, Tintoretto, aber auch Rubens. Sicher gab es andere wichtige königliche Sammlungen in Europa, aber keine war wie diese!"
    Die aber in erster Linie den persönlichen Kunstgeschmack der spanischen Herrscher widerspiegelt. Anders, als etwa die National Gallery in London, die chronologisch die Geschichte der Malerei darstellen wolle, erklärte der ehemalige Prado-Direktor Fernando Checa einmal. Die spanischen Herrscher erteilten hingegen ihren Hofmalern konkrete Aufträge. Oder sie gingen einkaufen, wie Dolores del Castillo schildert:
    "Als Philipp V. und seine Frau zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Sevilla lebten, sind sie durch die Stadt gelaufen, haben sich Kunstwerke angeschaut und gekauft. Zum Beispiel von Murillo. Sie hatten natürlich auch Experten, die sie beraten haben."
    Chronischer Platzmangel bis heute
    1835 beschloss die Regierung, die Klöster des Landes zu schließen. Damit wurde der Staat Besitzer unzähliger Kunstwerke. Diese gingen Ende des 19. Jahrhunderts an den Prado. Damit erhielt das Museum nicht nur eine bedeutende Sammlung sakraler Kunst. Es litt von nun an auch unter chronischem Platzmangel, der trotz zahlreicher Erweiterungen bis heute anhält.
    Die Kunst ab dem 20. Jahrhundert ist inzwischen im nahegelegenen Reina Sofia-Museum in Madrid zu sehen. Dennoch gilt der Prado als eines der bedeutendsten Museen der Welt mit fast drei Millionen Besuchern im Jahr. Auf die Frage, was der Prado für ihn ganz persönlich bedeute, antwortet Chefrestaurator Javier Barón mit einem Zitat des spanischen Exilmalers Ramón Gaya: Der Prado sei für ihn ein Fels. Das Vaterland der Spanier.