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225. Geburtstag von Michael Faraday
Rekord-Experimentator und Universalgenie

Wenn es blitzt, dann ist man im Auto sicher. Der Grund: Die Stahlkarosserie ist ein Faradayscher Käfig, und der kann elektrische Hochspannung abschirmen. Diese spektakuläre Entdeckung machte der Brite Michael Faraday Mitte des 19. Jahrhunderts. Bei seinen Zeitgenossen stießen Faradays Gedanken auf Ablehnung - auch weil er keine formale Ausbildung durchlaufen hatte.

Von Frank Grotelüschen | 22.09.2016
    "Sir, es ist sehr wahrscheinlich, dass Ihr bald Steuern drauf erheben könnt!"
    Dieses Zitat bemühen Wissenschaftler gern, befragt man sie über den Wert von Grundlagenforschung. Zugeschrieben wird es dem englischen Naturforscher Michael Faraday als Antwort auf die Frage seines Schatzkanzlers, wozu denn diese ganzen Versuche mit Elektrizität und Magnetismus überhaupt gut seien. Faraday, geboren am 22. September 1791, war einer der Pioniere auf diesem Gebiet – und gilt heute als einer der emsigsten Experimentatoren in der Geschichte der Physik.
    "Er war schon sehr früh, als Kind offenbar, hoch interessiert an Naturforschung", sagt Friedrich Steinle, Professor für Wissenschaftsgeschichte an der TU Berlin.
    Vom Gläschenputzer zum Professor
    "Hat während seiner Buchbinder-Lehre diesem Interesse dadurch gefrönt, dass er viele Bücher über Naturforschung dann auch gelesen, nicht nur gebunden hat."
    1813 wurde der renommierte Chemiker Humphry Davy, der Entdecker der Elemente Natrium und Kalium, auf den Autodidakten Faraday aufmerksam und bot ihm an der Royal Institution of London eine Stelle als Laborassistent an.
    "Als Gläschenputzer, würde man sagen. Es war keine sehr herausragende Stelle. Aber Faraday hat die sofort angenommen. An dieser Institution ist er schließlich sein Leben lang geblieben, hat einen rasanten Aufstieg genommen – vom Gläschenputzer zum Laborleiter und dann zum Professor an dieser Institution."
    Nicht nur brillianter Chemiker, sondern auch Redner
    Laborassistent Faraday vertiefte sich zunächst in die Chemie und galt bald als brillanter Experimentator. Unter anderem fand er heraus, wie sich Gase verflüssigen lassen, und entdeckte das Benzol. Zudem entpuppte sich Faraday als begabter Redner – ein wichtiges Talent, denn:
    "Er hat dieser Institution, die ja von den Eintrittsgeldern ihrer Vorträge leben musste, hohe Zuhörerzahlen verschafft. Sein Brotberuf war nicht die Wissenschaft. Sein Brotberuf war das Halten guter öffentlicher Vorträge, die das Geld einspielen."
    1831 wurde Faraday Leiter der Royal Institution – und hatte fortan freie Hand bei der Wahl seiner Forschungsthemen. Es begann eine ungemein produktive Phase, in der sich der Forscher auf ein damals brandaktuelles Thema konzentrierte, den Elektromagnetismus.
    "Faraday hat sich diesem Thema Elektromagnetismus tief zugewandt und dann eigentlich in den nächsten 20 Jahren eine spektakuläre Entdeckung nach der anderen gemacht."
    "Nichts ist zu schön um wahr zu sein, wenn es mit den Gesetzen der Natur übereinstimmt"
    Die Liste ist eindrucksvoll: So entdeckte Faraday die elektromagnetische Induktion, bei der sich durch Magnetfelder Strom erzeugen lässt – die Grundlage des Generators. Er stellte im Hörsaal der Royal Institution einen mit Kupferdraht bespannten Holzwürfel auf, setzte ihn unter Hochspannung – und erfand damit den sogenannten Faradayschen Käfig, mit dem sich selbst die hohen elektrischen Felder eines Blitzschlags abschirmen lassen. Er fand heraus, dass Licht durch Magnetfelder beeinflusst wird – heute als Faraday-Effekt bekannt. Er entdeckte eine neue Klasse von Magneten und schuf Grundlagen zur Entwicklung der Batterie.
    "Nichts ist zu schön um wahr zu sein, wenn es mit den Gesetzen der Natur übereinstimmt." Notierte Michael Faraday 1849 in seinem Laborbuch.
    "Faraday war vielleicht der produktivste Experimentator über 20 Jahre hinweg in diesem Feld Elektromagnetismus."
    Doch Faraday durchlief nie eine formale Ausbildung, er war Außenseiter
    Um seine Resultate zu erklären, suchte Faraday nach neuen physikalischen Konzepten, argumentierte mit neuen Begriffen wie dem der magnetischen Kraftlinie. Nur: "Er war mit dieser Begriffsentwicklung über 20 Jahre hinweg komplett isoliert."
    Bei seinen Zeitgenossen stießen Faradays Gedanken auf Ignoranz und Ablehnung, sagt Friedrich Steinle. Einer der Gründe: "Faraday war ein Außenseiter. Er hat nie eine formale Ausbildung durchlaufen. Er war nicht im Besitz der mathematischen Werkzeuge derzeit, seiner fehlenden Ausbildung geschuldet."
    "Seine innere Stabilität kam aus der Religion"
    Faraday nahm die Anfeindungen seiner Zeitgenossen erstaunlich gelassen hin. Der Grund dafür, vermutet Steinle, mag in einer tiefen Religiosität gelegen haben: Faraday war Mitglied der Sandemanier, einer kleinen, verschworenen, überaus frommen Sekte.
    "Seine innere Stabilität kommt aus der Religion. Und die hat ihm die Möglichkeit gegeben, auch innerhalb eines zumindest teilweise problematischen Umfelds sehr wohl seine eigene Linie unbeirrt weiterzufahren."
    Schließlich sollte sich zeigen, dass Faraday mit seinen Ideen auf der richtigen Fährte war. In den 1860er-Jahren veröffentlichte der schottische Physiker James Clerk Maxwell einen Satz von Gleichungen, die noch heute als die gültige Theorie für den Elektromagnetismus gelten.
    "Maxwells Feldtheorie ist, um es überspitzt zu sagen, nichts anderes als eine mathematische Formulierung der faradayschen Feldtheorie."
    Den Triumphzug der Maxwellschen Theorie konnte Faraday jedoch nicht mehr erleben. Er starb am 28. August 1867 im Alter von 75 Jahren.