Freitag, 19. April 2024

Archiv

25 Jahre Rote Flora
Autonomes Zentrum in Hamburg feiert Besetzungsjubiläum

Was den Berlinern lange Jahre ihr Tacheles war, ist den Hamburgern noch immer ihre Rote Flora. Einst prachtvolles Varieté-Theater wurde das Gebäude 1989 besetzt und ist bis heute ein kultureller Treffpunkt. Nach 25-jähriger Besetzungszeit herrscht in Hamburg parteiübergreifender Konsens: Das Autonome Zentrum soll bleiben.

Von Axel Schröder | 23.09.2014
    Das Kulturzentrum "Rote Flora" im Hamburger Schanzenviertel ist am 16.01.2014 zu sehen.
    Die Autonomen wollen die Rote Flora in Hamburg auch in Zukunft konsequent als besetzten Ort verteidigen. (picture alliance / dpa / Maja Hitij)
    Das Haus, um das seit 25 Jahren mal mehr, mal weniger heftig gekämpft wird, die "Rote Flora" am Schulterblatt, hat seine besten Zeiten hinter sich. Wie ein fauler Zahn steht das einst prachtvolle, 1888 als Varieté-Theater eröffnete, Gebäude zwischen fünfstöckigen Gründerzeitbauten. Die Fassade ist schmutzig, das große, von Säulen eingerahmte Portal zugemauert, mit Graffiti besprüht.
    Hinter dem Gebäude wartet Andreas Blechschmidt, zeigt die aus Beton gegossene Skaterbahn. Blechschmidt gehört zum Sprecher-Team der Roten Flora. Er erzählt die Geschichte des Hauses:
    "Das historische Flora-Theater war ein großes Varieté-Theater mit einem Zuschauerraum, der über 2.000 Plätze umfasste. Es gab einen historischen Kristallpalast. Das ist im April 1988 alles abgerissen worden, um halt das 'Phantom der Oper', dieses neue Musical an diese Stelle zu bauen. Dort, wo jetzt ein Park beziehungsweise sich die Skate-Bowl befindet."
    Andreas Blechschmidt ist einer der Flora-Sprecher. Dunkle Hose, schwarze Jacke, dichte schwarze Haare, klarer Blick. Erste Erfahrungen mit professionellen Hausbesetzungen hat er in den Kämpfen um die Hamburger Hafenstraße gemacht. Mitte der Achtzigerjahre war das:
    "Wenn das jemand im Sommer 1990 gesagt hätte, dass wir mal ein 25-jähriges Besetzungsjubiläum feiern können, den hätte ich glaube ich ein bisschen für quartalsirre erklärt."
    "Es ist nicht schön, aber irgendwie gehört es dazu!"
    Der Autonomen-Sprecher lächelt. Und hat allen Grund dazu. Trotz der heftigen Krawalle bei der "Flora bleibt!"-Demonstration im Dezember gehört es mittlerweile zum parteiübergreifenden Konsens in Hamburg: Das Zentrum soll bleiben, wo es ist und wie es ist.
    Gegenüber der Roten Flora liegt die so genannte Piazza. Cafés, Bars, Kneipen und Restaurants reihen sich aneinander. Die Tische und Bierbänke sind fast voll besetzt. Hippe Großstädter, Altersdurchschnitt: Anfang dreißig. Die Meinungen über die Rote Flora auf der anderen Straßenseite gehen auseinander:
    "Es sollte vielleicht umfunktioniert werden. Dass tatsächlich auch alle eine Chance haben, dieses Gebäude zu nutzen und es nicht nur herunterkommt. Denn irgendwann kann man es gar nicht mehr nutzen, wenn es so weitergeht. – Ja, das gehört dazu, nicht wahr? Es ist das einzige Überbleibsel von der Sternschanze, was wir noch haben. Guck dich mal um, die ganzen Läden... Hier kostet ein Kaffee fünf Euro! Früher durfte ich hier nicht spielen, weil es so gefährlich war. Es ist nicht schön, aber irgendwie gehört es dazu!"
    Andreas Blechschmidt geht die Rampe hoch, öffnet die erste von zwei massiven Stahltüren, führt hinein.
    "Wir nehmen jetzt den Seiteneingang und gehen erst mal in die Flora rein."
    Raum für Konzerte, Lesungen, Proberäume und Werkstätten
    Die Tür ist vollgeklebt, bemalt und verbeult wie der Rest des Hauses. Drinnen führt der Weg über zerschlissene Dielen in den großen Saal der Roten Flora:
    "Das tolle an dem Raum ist sicherlich, dass er sehr variabel ist. Hier haben Punk-Konzerte stattgefunden. Hier finden aber genauso Lesungen statt, aber auch Kino, die lesbisch-schwulen Filmtage. Hier gehen ein paar Räume auch ab."
    Unten im Keller gibt es Proberäume für Musiker, eine Selbsthilfe-Werkstatt für Fahrräder und Motorräder. Durch Spenden wird das "Archiv der sozialen Bewegungen" im Dachgeschoss der Flora finanziert.
    Vor vier, fünf Jahren haben die Krawalle rund um die Flora, am 1. Mai oder beim Schanzenfest im Frühherbst, nachgelassen. Die Ausschreitungen im letzten Dezember waren eher ein kurzer Rückfall in alte Zeiten, in denen Polizei und Autonome besonders ruppig aufeinander losgingen. Zum 25. Geburtstag der Roten Flora herrscht in Hamburg der parteiübergreifende Konsens: Das Zentrum soll bleiben, ein Rückkauf durch die Stadt ist der richtige Weg.
    "Aber aus unserer Sicht ist auch immer wieder eine politische Konstellation denkbar, wo es um die Existenz der Roten Flora geht. Insofern ruhen wir uns auf unseren vermeintlichen Lorbeeren nicht aus. Sondern wollen die Flora auch in Zukunft konsequent als besetzten Ort verteidigen. Und insofern: Investoren kommen und gehen – aber bis jetzt kann man sagen: Die Flora bleibt bestehen."