Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

250. Geburtstag
Der Dichter Ernst Moritz Arndt - Mann des deftigen Worts

Vorkämpfer für Demokratie und soziale Gerechtigkeit oder völkischer Nationalist? Der 1769 auf Rügen geborene Schriftsteller Ernst Moritz Arndt schrieb Märchen und zarte Gedichte, mischte sich aber auch auf bis heute umstrittene Art in die Politik ein.

Von Christoph Schmitz-Scholemann | 26.12.2019
    Ernst Moritz Arndt, 1769 - 1860, ein deutscher Schriftsteller und Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, historischer Stich, ca. 1885
    Ernst Moritz Arndt (1769 - 1860): Der deutsche Schriftsteller und Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung ist unter anderem wegen seiner antijüdischen Ressentiments umstritten. (picture alliance / Bildagentur-online/Sunny Celeste)
    An dem Dichter Ernst Moritz Arndt, der am 26. Dezember 1769 auf der Insel Rügen zur Welt kam, scheiden sich bis heute die Geister. Die einen sehen in ihm einen Vorkämpfer für Demokratie und soziale Gerechtigkeit – die andern verachten ihn als völkischen Nationalisten. In jedem Fall war er ein Mann des deftigen Worts.
    "Er kommt aus dem Volk. Er kannte die derbe Sprache der Bauern, der Landarbeiter, der Leibeigenen und natürlich auch der Fischer. Ein karges Leben prägt einen Menschen an der Ostseeküste", so die Germanistin Sylvia Bräsel.
    Lustvoller Beobachter und amüsanter Plauderer
    Arndts Vater war ursprünglich leibeigener Bauer, kaufte sich aber frei und schickte seinen Sohn aufs Gymnasium. Nach dem Studium in Greifswald und Jena ging Arndt auf große Wanderschaft von Thüringen nach Italien. In den Reisetagebüchern, die er darüber veröffentlichte, zeigte er sich als lustvoller Beobachter und amüsanter Plauderer mit Freude an Übertreibungen: "Der Bayer, wie man ihn hier und auf den Dörfern sieht, ist grob, stumm und dumm."
    Auch Mitgefühl für soziale Ungerechtigkeit ist in den Tagebüchern greifbar. Über seinen Aufenthalt in Fürth schreibt Arndt: "Über die vielen Juden klagt man bitter. Sie könnten, dünkt mich, eher über die Christen klagen. Wann wird man endlich einsehen, dass es Rechte für alle Lebendigen giebt, gemeinschaftlich, wie Wasser und Luft."
    Als Sohn eines leibeigenen Bauern geboren
    Nach Rückkehr von seiner Reise lehrte Arndt an der Universität Greifswald und schrieb ein zorniges Buch gegen die Leibeigenschaft, die in Vorpommern bald darauf abgeschafft wurde.
    "Sein politisches Hauptanliegen ist geprägt durch seine Herkunft. Und dieses Erlebnis von bitterster Armut und sozialer Willkür hat Arndt enorm geprägt. Und das ist auch das, was noch heute in Mecklenburg-Vorpommern Ernst Moritz Arndt eine große Zustimmung einbringt. Er ist einer von ihnen geblieben."
    Im Herbst 1806, als Napoleon die zersplitterten deutschen Staaten immer härter in den Griff nahm, wurde auch Vorpommern zum Angriffsziel. Arndt musste nach Schweden fliehen. In seinem Buch "Geist der Zeit" hatte er die Deutschen zur Einheit im Kampf gegen Napoleon aufgerufen. Als er 1809 nach Deutschland zurückkehrte, verschärfte er den Tonfall seiner Agitation. Die Franzosen sah Arndt als "geitziges und spitzbübisches Judenvolk", dem die "Teutschen" in ihrer, wie er sagte, "angeborenen Reinheit" entgegentreten müssten.
    "Das ist das Deutsche Vaterland,
    Wo Zorn vertilgt den wälschen Tand,
    Wo jeder Franzmann heißet Feind,
    Wo jeder Deutsche heißet Freund,
    Das soll es seyn! Das ganze Deutschland soll es seyn"
    Ein Dichter, der immer wieder aneckte
    Nach dem Sieg über Frankreich in der Völkerschlacht von 1813 wurde Arndt gefeiert und zum Professor in Bonn ernannt. Aber weil er auch gegenüber der preußischen Regierung kein Blatt vor den Mund nahm, erhielt er 1820 Berufsverbot. Erst 1840, als Deutschland einen neuen Anlauf in Richtung Demokratie nahm, durfte er wieder lehren. Acht Jahre später wurde er in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Die rechtliche Gleichstellung aller Religionen und damit auch der Juden war eine wichtige Errungenschaft der 1849 verabschiedeten Verfassung. Sie trägt auch Arndts Unterschrift, trotz seiner antijüdischen Ressentiments. Als die deutschen Fürsten sich weigerten, die Verfassung in Kraft zu setzen, wandte sich Arndt mehr und mehr von der Politik ab und widmete sich der Gartenpflege und der Ordnung seines dichterischen Werks.
    "Arndt ist ein Dichter der Befreiungskriege und kann nur aus seiner Zeit, als Kind seiner Zeit, wie Hegel es sagen würde, auch verstanden werden. Er hat einerseits Gedichte geschrieben, die die französische Fremdherrschaft und die Überfälle darstellen, andererseits aber Märchen und Jugenderinnerungen. Hier erleben Sie einen ganz anderen Ernst Moritz Arndt. Oder Gedichte wie Arndts Abendlied."
    Zitat "Der Tag ist nun vergangen, Und dunkel schläft die Welt,
    Die hellen Sterne prangen Am blauen Himmelszelt;
    Nur in den grünen Zweigen Singt noch die Nachtigall,
    Im weiten, tiefen Schweigen Der einz'ge Lebensschall."
    1860 starb Ernst Moritz Arndt. Die heute mächtige Eiche auf dem Familiengrab soll er selbst gepflanzt haben.