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30 Jahre Gedenken in Heiligenstadt
Erinnerungen an Theodor Storm

Theodor Storm war der große Schriftsteller des deutschen Realismus im 19. Jahrhundert. Seinen literarischen Durchbruch erlebte er im thüringischen Heiligenstadt. Dort hat man vor 30 Jahren ein Museum zu seinen Ehren errichtet, das in diesen Tagen Jubiläum feiert.

Von Henry Bernhard | 06.07.2018
    Ein Theodor Storm Denkmal in Heiligenstadt bei dem Literaturmuseum
    Theodor Storm lebte acht Jahre in Heiligenstadt (imago stock&people)
    "Wir gehen einfach mal in den ersten Stock, da geht es zu Theodor Storm." Gideon Haut geht voran. Er leitet seit drei Monaten das Literaturmuseum "Theodor Storm" in Heiligenstadt.
    "Hier ist z.B. ein Plakat von 1988, da wurde eben geworben um Theodor Storm. Und diese Ehrung 1988." "Sieht aber ein bißchen aus wie Karl Marx!" "Ja, das stimmt."
    Der bärtige Mann auf dem Plakat von 1988 ähnelt verblüffend Karl Marx. Aus Anlaß des 100. Todestages von Theodor Storm hatte die DDR nach dreijähriger Vorarbeit in Heiligenstadt ein Literaturmuseum eingeweiht. Im Versuch, sich auf die deutsche Geschichte, die deutsche Kultur zu berufen, entsann man sich auch des norddeutschen Dichters, der als bekennender Patriot 1853 seine Heimat Husum verlassen mußte.
    "Es war so dass damals, Schleswig und Holstein, die haben zum Königreich Dänemark gehört. Und es war so, dass 1848 die Bürgerrevolution kam, und Storm hatte sich insofern beteiligt, als er manche Pamphlete unterzeichnet hatte, die sich gegen das Königreich Dänemark wehren. Und da wurde ihm dann die Arbeitserlaubnis entzogen. Und er durfte in Husum nicht mehr als Anwalt oder Jurist tätig sein und musste dann ins preußische Exil."
    Über die Zwischenstation Potsdam war Storm 1856 ins ebenfalls preußische Heiligenstadt geraten, wo sein Bruder schon eine Gärtnerei betrieb. Die Stelle als Kreisrichter versprach wirtschaftliche Sicherheit und brachte Storm auch wieder die Ruhe zum Schreiben. Erzählungen, Gedichte und Märchen entstanden hier. Auch in späteren Werken, etwa in "Pole Poppenspäler", tauchten noch Heiligenstädter Motive auf. Daran wollte man zu seinem 100. Todestag 1988 erinnern.
    Engagement für fortschrittliche Bürgerrevolution
    Karin Lohrmann, Sekretärin der SED-Bezirksleitung Erfurt, schrieb damals ins noch leere Gästebuch: "Die Errichtung des Theodor-Storm-Museums entspricht der Kulturpolitik unserer Partei, die auf die Aneignung und Pflege aller progressiven Traditionen und der humanistischen Werte der Geschichte orientiert."
    Ein Dichter, der sich gegen die Fremdherrschaft und für die fortschrittliche Bürgerrevolution engagierte, kam bei den SED-Kulturpolitikern gut an. Aufgebaut und eingerichtet hat das Museum Werner Henning. Der promovierte Literaturwissenschaftler war damals 30 Jahre alt. Er mußte zunächst ein Haus für das Museum finden, es sanieren, die nötigen und in der DDR immer knappen Baustoffe beschaffen, Forschungen zu Theodor Storm anstellen, Ausstellungsstücke ausfindig machen. Leiter des Museums konnte Henning aber nicht werden, da er kein SED-Mitglied war, sondern mit 18 in die CDU eingetreten ist.
    "Aus meinem Herkommen heraus war klar, dass ich nicht Leiter werden kann. Das war so. Das waren die Preise der DDR-Zeit. Aber das waren die Abmachungen von Anfang an. Und insofern war's in Ordnung."
    Dafür wurde er im Dezember 1989, die Mauer war noch nicht lange gefallen, zum Vorsitzenden des Rates des Kreises Heiligenstadt gewählt, im Jahr darauf zum Landrat. Das ist er nun seit 28 Jahren. Henning residiert genau da, wo Storm 160 Jahre zuvor als Kreisrichter gearbeitet hat: Im Heiligenstädter Schloß.
    "Storm saß wohl nicht in diesem Zimmer, in dem ich sitze, sondern wir nehmen immer an, bei mir auf dem Flur schräg gegenüber. Also ich sitze, wenn man so will, auch jetzt in Storms Haus. Und gewissermaßen hab ich ein Leben lang auch mit Storm zu tun gehabt. Auch indem ich jetzt gewissermaßen einen Teil seiner preußischen Verwaltung eben auch übernommen habe."
    Die "Stormtage" stehen an
    Henning sieht Storm fast als "Kollegen", zumal der auch mit dem damaligen Landrat gut befreundet war.
    "Seine anspruchsvolle Emotionalität, die ist mir schon bedeutsam. Seine romantischen Bilder auch, die haben für mich in einem großen Rahmen eine hohe Bedeutung. Die Person, der Mensch Theodor Storm, der preußische Amtmann, der hier mit Ordnung aber auch mit Seele gelebt und sich wohl gefühlt hat, der ist mir sehr nah."
    Auch sonst ist Storm noch lebendig in Heiligenstadt. Der Männergesangsverein "Liederkranz", den Storm damals gegründet hat, existiert bis heute. Vor dem Storm-Museum steht ein Denkmal für Storm, allerdings nicht auf einem Sockel, sondern mitten auf dem Weg.
    "Dadurch, dass ich hier neu gekommen bin, war das oft so, dass wenn ich aus dem Museum hinausgegangen bin oder abends das Tor zugeschlossen habe, hab ich für ne Sekunde gedacht, da läuft jemand, und dann hab ich gesehen, ach das war die Statue."
    In diesem Sinne gibt es am Wochenende die Stormtage in Heiligenstadt, mit Lesungen, Vorträgen, Konzerten, einem Festakt und schon jetzt eine Sonderausstellung, die an die Eröffnung des Museums vor 30 Jahren erinnert, als noch Trabbis vor dem Haus parkten.