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30 Jahre Mauerfall
Der Fall Birgit Dressel und seine Konsequenzen

Der Tod der Siebenkämpferin Birgit Dressel im April 1987 war einer der großen Dopingfälle in West-Deutschland und löste Diskussionen über die sportmedizinische Ausbildung aus. "In der medizinischen Ausbildung wird der Sport ausgespart", sagte der damalige DLV-Präsident Eberhard Munzert (1932 - 2000) im Dlf.

Von Peter C. Fischer und Robert Hartmann | 01.11.2019
Birgit Dressel hält in der ausgestreckten rechten Hand einen Speer
Die Siebenkämpferin Birgit Dressel während der Leichtathletik-EM 1986. Ein Jahr später starb sie an durch Doping verursachtem mehrfachen Organversagen. (dpa /Sven Simon)
Birgit Dressel war am 10. April 1987 an einem durch Doping ausgelösten Multi-Organversagen gestorben. Nur wenige Tage nach Dressels Tod wandten sich die Leichtathletinnen Ingrid Thyssen, gleichzeitig Athleten-Sprecherin, und Gabi Bussmann mit einem Brief an Professor Hartmut Krahl, den medizinischen Betreuer der bundesdeutschen Leichtathletik. Darin hieß es: "Um des sportlichen Erfolges Willen nehmen wir viel auf uns. Das Risiko, unser Leben zu verlieren, gehört nicht dazu."
"Jeder kann sich Sportarzt schimpfen"
Dazu sagte Ingrid Thyssen: "Uns ging es vor allem darum zu ergründen, woran die Birgit letztendlich gestorben ist. Wir haben uns auch dagegen gewehrt, dass in Verbindung mit Birgits Tod Dopinggerüchte aufkamen. Was wir dann noch verbessert sehen wollen, ist das medizinische Betreuungssystem in der Bundesrepublik, und zwar nicht nur auf die Leichtathletik bezogen." Regional fehle es an qualifizierten Sportmedizinern oder Orthopäden. Es könne sich jeder Sportarzt schimpfen, der ein paar wenige Wochenendkurse belegt habe, sagte Thyssen.
Normalerweise sei Birgit Dressel immer nach Freiburg gefahren zum Arzt ihres Vertrauens, in diesem Fall: Armin Klümper. Jetzt habe sie gedacht, wegen eines Hexenschusses lohne es sich nicht, 300 Kilometer weit zu fahren, sondern es reiche einen Orthopäden in seinem Heimatort aufzusuchen, sagte Ingrid Thyssen. Es bestehe dann aber immer die Gefahr, dass dieser Arzt nicht wisse, was die Athletin vorher für Medikamente genommen hätten und somit Unverträglichkeiten auftreten könnten. "Möglicherweise war das bei Birgit Dressel der Fall", so Thyssen.
Lebensbereich Sport wird ausgespart
Der damalige Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Eberhartd Munzert, kritisierte nach dem Tod Birgit Dressels ebenfalls die mangelhafte sportmedizinische Ausbildung. "Wir haben 20 Millionen Mitglieder in den Sportvereinen und noch einmal eine Millionenzahl an Joggern. Man kann sagen, zwei Drittel der Deutschen sind sportlich tätig. In der medizinischen Ausbildung wird der Lebensbereich Sport aber ausgespart."
Dressel war seit 1981 Patientin des Freiburger Sportmediziners Armin Klümper. Die Ermittlungen zu Dressels Todesursache ergaben, dass sie in den 16 Monaten vor ihrem etwa 400 Spritzen erhalten hatte. Sie erhielt das Anabolikum Stromba und nahm am Schluss die Höchstdosis von sechs Tabletten wöchentlich ein. Außerdem erhielt sie das Dopingmittel Megagrisevit. Im Februar 1987 hatte ihr Klümper 15 verschiedene Arzneimittel gespritzt, darunter tierische Zellpräparate, die zu Dauerimmunreaktionen des Körpers führten.
Aus Anlass von 30 Jahren Mauerfall bietet der Deutschlandfunk das Sportgespräch mit Eberhard Munzert und Ingrid Thyssen vom 06. Mai 1987 noch einmal zum Anhören an.