Donnerstag, 25. April 2024

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30 Jahre "Raritäten"-Festival Husum
Paradies der Pianophilen

"Mekka der Klaviermusik", "Klavier verrückt", "Paradies der Pianophilen": So wird seit 30 Jahren über das kleine, aber feine Festival "Raritäten der Klaviermusik" in Husum geschwärmt, das von dem Berliner Pianisten Peter Froundjian gegründet wurde. In diesem Jahr gab es wieder prominente Stars, junge Debütanten und - interessante Klavierwerke.

Von Elisabeth Richter | 28.08.2017
    Blick auf das Schloss von Husum
    Beherbergt das "Raritäten"-Festival: das Husumer Schloss (picture alliance / dpa / Klaus Nowottnick)
    Musik: E. J. Collins/Berman, Tango
    "Für mich persönlich mache ich keinen Unterschied beim Klavier-Repertoire, ob es sich um eine Bearbeitung handelt oder um ein Original."
    Der Amerikaner Daniel Berman kennt die Raritäten der Klaviermusik seit dem ersten Festival 1987. Er gastierte jetzt zum achten Mal in Husum und stellte in seinem Recital-Programm einige Bearbeitungen vor, darunter etwa diesen Tango von Edward J. Collins, ein leichteres Werk, das Daniel Berman in seiner Bearbeitung pianistisch ein wenig "schärfer würzte" und mit Charme servierte.
    Musik: E. J. Collins/Berman, Tango
    Spannende Bearbeitungen
    "Viele Pianisten spielen Variationswerke, und eine Bearbeitung ist eine Art Variation, es geht nur darum, ob das Stück gut ist oder schlecht."
    Rümpft man andernorts über Bearbeitungen nicht selten die Nase, werden sie in Husum mit Kennerschaft begierig aufgesogen. Tatsächlich lassen Transkriptionen gerade bei bekannteren Werken kompositorische Details neu und anders hören. Der bulgarisch-französische Pianist und Komponist Emile Naoumoff übertrug das Requiem von Gabriel Fauré auf das Klavier.
    Musik: Gabriel Fauré/Emile Naoumoff, Requiem op. 48
    Der 55jährige Emile Naoumoff verzauberte mit einem warmen, facettenreichen und ausgewogenen, immer singenden Klavierton. Sein klares, der Musik dienendes Spiel lebte von einem inneren Leuchten, so dass Faurés überwiegend meditatives Requiem von einer faszinierenden Intensität getragen wurde. Davon profitierten auch die anderen Werke von Naoumoffs ausschließlich impressionistisch-französischem Recital. Der Zyklus "Les Heures Dolentes" (Die schmerzhaften Stunden) des Debussy-Zeitgenossen Gabriel Dupont dürfte selbst für manchen Husumer Raritäten-Kenner Neuland gewesen sein.
    Musik: Gabriel Dupont, Les Heures Dolentes
    Emile Naoumoffs Klavierabend in Husum war durch die rein französische Ausrichtung stilistisch zwar ein wenig monochrom, doch der kaum auf Virtuosität ausgerichtete Abend bot in der Gesamtheit der neun Festival-Recitals einen sinnvollen Kontrast.
    Neues, Vergessenes und Verrücktes
    "People are here to discover.”
    Die Leute kommen nach Husum um Neues, Vergessenes, Verrücktes zu entdecken, erklärt der kanadische Pianist Marc-André Hamelin. Sein Programm war gespickt mit intellektuellen und virtuosen Werken.
    "I think if you offer audiences here a mixed match …
    Er glaube, das Publikum in Husum werde mit einer guten Mischung von Raritäten glücklich. Thematische Zusammenhänge seien weniger entscheidend. So habe er auch in diesem Jahr sein Programm konzipiert. Einige Werke spiele er zum ersten Mal, andere seien "gute alte Freunde" in seinem Repertoire, so Marc-André Hamelin.
    relatively old friends in my repertoire.”
    Musik: Léon Jongen, Campeador
    "Campéador" (Kriegsheld) heißt dieses spanisch inspirierte Stück des Belgiers Léon Jongen. Hier oder bei drei komplexen Sonaten von Samuel Feinberg ließen Hamelins Perfektion und scharfer analytischer Zugang einmal mehr den Atem anhalten, genauso wie seine technische Brillanz und Leichtigkeit, etwa bei pianistischem Zauber von Moritz Moszkowski. Der Kanadier spielte seit seinem Festival-Debüt 1988 bereits zum 15. Mal in Husum. Doch Jahr für Jahr kann man in der Nordseestadt immer wieder auch neue und junge Pianisten entdecken.
    Alte Bekannte, junge Talente
    Musik: Hindemith, Ludus tonalis
    Lukas Geniušas aus Moskau zum Beispiel war Preisträger beim Chopin- und Tschaikowsky-Wettbewerb. Er machte Hindemiths nicht leicht zugängliche Fugen- und Interludien-Sammlung "Ludus tonalis" zu einem der Festival-Highlights.
    Musik: Hindemith, Ludus tonalis
    Geniušas hat nicht nur einen funkelnd variantenreichen Klavierton sowie flinke und präzise Finger. Er kennt jeden Winkel des polyphonen 50-minütigen Zyklus so genau, dass er mit allen Elementen lustvoll spielen konnte. Festival-Leiter Peter Froundjian:
    "Viele wissen von dem Werk, haben vielleicht mal ein, zwei Stücke gehört daraus, oder einige Beispiele, aber wer hat es schon mal in der Gesamtheit gehört? im Konzert!
    Darum geht’s! Live sollen die Raritäten erklingen. Interessierte Pianisten stehen bei Peter Froundjian gewissermaßen Schlange. Der Husum-Debütant Antonio Pompa-Baldi, Dozent am Cleveland Institute of Music, reiste mit einem Raritäten-Programm par excellence an, darunter etwa Klassisches von Czerny, Russisches von Anton Rubinstein oder Bearbeitungen von Edith Piaf-Chansons. Pompa-Baldi empfahl sich mit musikalischer Reife und Souveränität, sein Spiel hatte Eleganz und Charme.
    Musik: R. S. Louiguy (E. Piaf)/Roberto Piana, La Vie en Rose
    Jeder Abend der 31. Husumer "Raritäten" ließ neue musikalische Horizonte entdecken und Bekanntes besser verstehen. Die Schatztruhe vergessener, hervorragender Klaviermusik ist unermesslich groß, das Repertoire des heutigen Konzertlebens eindimensional und limitiert. Raritäten-Gründer Peter Froundjian schwimmt auf ebenso intelligente wie unterhaltsame Weise gegen den Strom.
    "Ein entscheidender Punkt, den viele gar nicht so erkennen, ist ja, dass hier der Fokus auf die Werke gelegt ist, nicht dass der Pianist sekundär ist, sondern durch die Verschiedenartigkeit der Programme, die sich auch nicht behilft mit anderen klassischen Werken dazwischen, sondern diese Ausschließlichkeit bewirkt, dass ein ganz anderes Konzerterlebnis entsteht, einfach ein spannenderes."