Dienstag, 19. März 2024

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300. Geburtstag der Malerin Anna Dorothea Therbusch
Avantgardistin des Rokoko

Anna Dorothea Therbusch gehörte zu den führenden Portraitmalerinnen des 18. Jahrhunderts. Zu ihren Auftraggebern gehörten Friedrich der Große und Zarin Katharina II. Nach ihrem Tod wird sie - wie viele Künstlerinnen - vergessen. Erst im 21. Jahrhundert entdeckt man ihre Bilder wieder.

Von Anja Reinhardt | 23.07.2021
    Selbstbildnis von Anna Dorothea Therbusch mit Monokel und in hellblauem Kleid
    Immer wieder malte Anna Dorothea Therbusch sich selbst. Dieses Selbstbildnis entstand um 1782 (picture-alliance / akg-images )
    Der stadtbekannte Intellektuelle Denis Diderot sitzt im vorrevolutionären Paris einer deutschen Malerin Modell. - "Nackt bis zum Gürtel", wie Diderot schreibt. Eine Frau, die einen halb entblößten Mann malt, das ist unerhört. Skandalös! Aber der Schriftsteller will sich unbedingt von "Mme Therbouche" portraitieren lassen, "la célèbre berlinoise", von der berühmten Berlinerin, denn er schreibt auch: "Drei Viertel der Künstler unserer Akademie könnten nicht so gut malen!"
    Seit 1768 ist Anna Dorothea Therbusch Mitglied der Pariser Académie Royale. Beim ersten Versuch, in die ehrenwerte Akademie aufgenommen zu werden, zwei Jahre zuvor, scheitert sie. Zu gut seien ihre Bilder, heißt es unter den - natürlich männlichen - Gutachtern, niemals könne eine Frau so malen. Therbusch lässt sich nicht beirren: 1767 stellt sie als einzige Frau im Pariser Salon aus, wieder zweifelt man ihre Autorschaft an, bis man sie schließlich doch in die Akademie aufnimmt.

    150 Jahre vor ihrer Zeit

    Als "Peintre du roi", Königliche Malerin, signiert sie von da an ihre Bilder. 1768 ist künstlerisch ein äußerst erfolgreiches Jahr für die knapp 50-Jährige, denn sie wird außerdem als erste Frau in die Wiener Akademie der bildenden Künste aufgenommen. Eine besondere Auszeichnung, denn Frauen ist das Studium dort offiziell noch für die nächsten 150 Jahre untersagt. Das künstlerische Handwerk können sie nur privat lernen, erklärt die Kunsthistorikerin Sarah Salomon:
    "Das ist eben ganz typisch: Künstlerinnen hatten eigentlich fast nur die Möglichkeit, wenn sie selber aus Künstlerfamilien stammten, an eine gute künstlerische Ausbildung zu kommen."

    Der männlichen Akademiewelt getrotzt

    Anna Dorothea Therbusch, geboren am 23. Juli 1721 in Berlin, stammt aus einer solchen Künstlerfamilie, ihr Vater Georg Lisiewski gehört zu den Malern am Hof von König Friedrich Wilhelm I. in Preußen. Mit 21 Jahren heiratet die talentierte junge Frau den Berliner Gastwirt Ernst Friedrich Therbusch, die nächsten 20 Jahre sind vom Leben als Mutter und Ehefrau geprägt. Malen kann sie, wenn überhaupt, nur nachts. Heimlich. Hier wird diese Beharrlichkeit sichtbar, die Therbusch später vor der Arroganz und Herablassung der männlichen Akademiewelt schützen wird.
    1761 wagt Anna Dorothea Therbusch einen ungewöhnlichen Schritt: Sie geht ohne Mann und Kinder an den Hof des Herzogs Carl Eugen von Württemberg nach Stuttgart. "Wahrscheinlich wurde sie empfohlen an den Stuttgarter Hof", vermutet Sarah Salomon. "Dort erhält sie dann auch ihre ersten großen Aufträge und entwirft dort einen Freskenzyklus ‚Supraporten‘ für das neue Schloss und gelangt dort dann eben zu großem Ansehen."

    Den "Alten Fritz" eigenwillig portraitiert

    Ein Selbstportrait aus diesem Jahr zeigt sie als selbstbewusste, befreit wirkende Frau, die Haare gelöst, der Samtumhang locker von der Schulter fallend, mit Pinseln und Palette in der linken Hand. Anna Dorothea Therbusch wird Hofmalerin, sie gehört zur Avantgarde einer Künstlergeneration, die in ihren Portraits das Private in der Politik zeigen. Faltenwürfe, Stofftexturen, Charakter durch Gesichtsausdruck - das alles malt sie mit leichter Hand. Ihre Portraits strahlen eine Sinnlichkeit aus, die denen vieler männlicher Kollegen fehlt. Bald ist sie in ganz Europa berühmt. Nach Stationen am Mannheimer Hof und den Pariser Jahren, kehrt sie 1769 nach Berlin zurück.
    Blick auf einen Teil der Außenfassade von Schloss Sanssouci in Potsdam
    Schloss Sanssouci: Rückzugsort und Juwel des Rokoko
    Ohne Sorgen wollte Friedrich der Große in seinem Potsdamer Sommerschloss "Sanssouci" komponieren, musizieren und philosophieren. Der Aufklärer und Kriegsherr Friedrich II. von Preußen legte am 14. April 1745 den Grundstein für den Bau des Schlosses.
    Ihre Aufträge kommen aus dem aufgeklärten Großbürgertum und dem Adel. Auch Zarin Katharina II. und Preußenkönig Friedrich der Große beauftragen sie. Therbusch zeigt den "Alten Fritz" reich geschmückt, aber als zweifelnden, hageren Mann mit hochroten Wangen. Er kommentiert spöttisch: "Um ihren Pinsel nicht zu entehren, hat sie mein verzerrtes Gesicht wieder mit der Grazie der Jugend aufgeschmückt."
    Porträt-Ausstellung in Paris - Cézannes anderer Blick auf das Kunstobjekt Mensch
    Bei Porträtmalerei denkt man an lebensechte Darstellungen mehr oder weniger bekannter Persönlichkeiten. Die sucht man bei Paul Cézanne vergebens. Cézanne malte keine Porträts, er komponierte Bilder.
    Und immer wieder malt sie sich selbst. Zu ihren besten Bildern gehört das Selbstportrait kurz vor ihrem Tod, dass sie mit Monokel zeigt, ihr hellblaues Kleid glänzt so seidig, dass man den Stoff glaubt, rascheln zu hören. Als sie 1782 stirbt, heißt es in einem Nachruf auf die Künstlerin, sie habe ihre besten Jahre an die Ehe mit einem Gastwirt vergeudet.