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4D-Kino
Auf knallroten Sesseln in die Zukunft

Ein Orkan, den man körperlich spürt, Schwerelosigkeit oder die Schritte eines sich nähernden Dinosauriers - noch ist das 4D-Kino relativ neu. Die Effekte sind verblüffend realistisch. Ob jedes Gimmick auch sinnvoll ist, darüber lässt sich jedoch streiten.

Von Peter Backof | 10.07.2018
    Das Plakat des Kinofilms Hotel Transsilvanien 3 - Ein Monster Urlaub
    "Huch, das bewegt sich ja und wir mit." Der Animationsfilm "Hotel Transsilvanien 3" ist in Köln auch im 4D-Sessel zu erleben. (imago / Kern / Future Image)
    "Skyscraper" ist das teuerste, höchste und - sicherste! - Hochhaus, das es je gab. Hollywood, wir haben aber ein Problem. Sogar zwei. Das Ding brennt. Und: "Meine Familie ist da drin", wie wir vom Protagonisten erfahren.
    "Skyscraper" kommt am 12. Juli in die Kinos und ist einer dieser Actionfilme aus der Endlos-Schleife "9/11" und die Folgen. Kriegsveteran und FBI-Mann Will Sawyer alias Dwayne Johnson holt seine Family aus dem Inferno. Aber: "Spielt Johnson nicht in jedem zweiten Action-Film mit?", fragen sich, recht despektierlich, Kommentatoren im Netz bereits angesichts des Trailers zum Spektakel.
    4D-Sessel als künstlerische Rettung
    Zu retten im künstlerischen Sinn ist der Film eigentlich nur noch durch: 4D Sessel. Im Kölner "Cineplex" - das Haus ist Lichtspieltheater seit 1931! - gibt es in zwei Sälen insgesamt ebenso 31 signalrote Sessel, die einem 3D-Kinoerlebnis noch eine weitere Dimension hinzufügen: die Bewegung.
    Theaterleiter Andreas Stephan: "Also die Technik, die in dem Sitz steckt, ist im Prinzip ein geschrumpfter Flugsimulator. Die Firma, die die Sitze herstellt, kommt aus Kanada, Sie ist spezialisiert, auch auf Flugsimulatoren im professionellen Bereich."
    Beinprothesen-Träger Sawyer hangelt sich und springt also von Stockwerk zu Stockwerk. Und die Kinobesucher tun es ihm gefühlt gleich. Der Effekt ist wirklich toll. Man erlebt den Film immersiv, sieht stellenweise einen anderen Film als in der 2D oder auch 3D-Version. Es kann eine wichtige, zusätzliche Ebene sein.
    Zwischen Sinn und Selbstzweck
    Im besten Fall wird der Plot des Films nochmal subtil erweitert und das ergibt cineastisch Sinn. Aber es besteht auch die Gefahr, dass die Effekte zum Selbstzweck werden, zur Kirmes-Attraktion.
    "Das wird dann auch dem einen oder anderen zu wild. Dafür gibt es einen Regler am Sitz, wo man verschiedene Intensitäten einstellen kann."
    Wenn mal wieder der T-Rex aufstampft und das Leben einen Weg findet, wie im neuen "Jurassic World 2". Andreas Stephan macht seit 15 Jahren Kino, hat als Vorführer mit analogen 35-Millimeter-Kopien angefangen. Die Digitalisierung begrüßt er. Schließlich sähen seine Filme bei der letzten Vorführung genauso gut aus wie bei der ersten.
    Ständig neue Varianten
    Digitales 4D-Kino gibt es mittlerweile auch schon rund fünf Jahre. Und ständig werden neue Varianten erprobt. Die vierte Dimension, das kann alles Mögliche sein: Gerüche, die synchron zu einem Film in den Saal geleitet werden oder Wind, der einen umweht. Das bliebe aber besonderen Premieren vorbehalten.
    Vieles was man machen könnte, ist im Kino-Alltag weder zweckmäßig noch wirtschaftlich, sagt der Theaterleiter. 4D ist eine Nische und wird es vorerst auch bleiben. Die neueste Entwicklung sind Sessel, die einem auch die Beine hochfahren, sodass sich der Raum noch virtueller anfühlt. Doch dafür fehlt Andreas Stephan einfach der Platz in den Sälen.
    "Die Besucherzahlen sind die letzten Jahre konsequent runter gegangen. Um dem entgegen zu wirken, schafft man halt neue Angebote. Heim-Entertainment wird ein immer größerer Bereich. Das heißt, man muss dem Kunden was bieten, was er zu Hause nicht hat. Wir machen mit diesen Sitzen nicht den Riesen-Gewinn, aber es ist halt einfach ein schönes Gimmick, was man den Gästen on top zu einem normalen Kinobesuch anbieten kann."
    "Huch, das bewegt sich ja und wir mit."
    Viel Gekicher auf den Kindersitzen in "Hotel Transsylvanien 3". Huch, das bewegt sich ja und wir mit. Bei Erst-Kino-Besuchern werden auch Erwartungshaltungen geschaffen. Muss das Kino der Zukunft die vierte Dimension in der einen oder anderen Weise anbieten?
    Derweil kursieren auf YouTube Tutorials, wie man sich Bewegungseffekte für zu Hause selber bauen kann. Home- oder Kino-Entertainment? Das ist die Konkurrenzlage. "Mission Impossible", Teil sechs, steht im Herbst an. Mit Plot und 2D gibt es, trotz Blockbuster-Automatik dem Namen nach, womöglich nicht viel zu holen für Kinos. Das wäre doch Ansporn für 4D-Designer, gute Effekte zu kreieren; mehr als nur Content für eine Rüttelmaschine.