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5.000 Quadratmeter von 50.000

Der Journalist Tomas Fitzel hat die Einigung über die Finanzierung des Humboldt-Forums in Berlin als Scheinkompromiss bezeichnet. Berlin sei nach der Vereinbarung zwischen Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee und Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit an der Kultureinrichtung nur noch mit einem symbolischen Teil beteiligt. Man habe zuvor weitaus größere Pläne gehabt.

Moderation: Karin Fischer | 23.04.2007
    Karin Fischer: Zuerst aber nach Berlin, wo sich die Dinge in Sachen Schlossplatz und Schlossbau nun in einem unerwarteten Tempo entwickeln. Am Wochenende hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel angemahnt, den herausragenden Platz in Berlins Mitte schnell wiederzubeleben, und dieser Frau werden ja bekanntlich alle Wünsche erfüllt. Im Januar bereits hatte Bundesbauminister Wolfgang Tiefenseeerklärt, die neue Bebauung solle nur 480 Millionen Euro kosten statt 600 oder 700, und heute nun traten Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit zusammen mit Tiefensee vor die Presse, und beide erklärten, dass die Finanzierung des Humboldt-Forums nun einvernehmlich zwischen Bund und Land Berlin geklärt sei. Frage an Tomas Fitzel: Das war ja eine ziemliche Überraschung bei dieser wohl letzten Pressekonferenz im ausgebeinten Palast der Republik, oder?

    Tomas Fitzel: Ja, und um das Tempo zu unterstreichen, dass man jetzt loslegt, war eines der häufigsten Wörter, das heute Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee gebrauchte: zügig. Alles geschieht jetzt ganz zügig. Man schmunzelt natürlich, wenn man gleichzeitig im Stahlskelett des Palastes der Berliner Republik steht, das jetzt zügig abgerissen werden sollte und noch immer nicht abgerissen ist, aber jetzt sollen in drei Monaten schon alle inhaltlichen Fragen geklärt sein, um dann im Sommer schon den Architektenwettbewerb ausschreiben zu können, um dann 2010 den ersten Spatenstich wagen zu können, und dann - man höre und staune - zwei Jahre später will man das Ganze Humboldt-Forum auch schon fertig gebaut haben. Aber natürlich war man gespannt, wie ist denn jetzt der Kompromiss zwischen Bund und Berlin, auf den man jetzt gewartet hatte. Und Klaus Wowereit ließ die anwesenden Journalisten auch lange warten, bis er endlich die Katze aus dem Sack ließ.

    Klaus Wowereit: Wir werden also in dem Gesamtpaket Anspruch erheben auf 5.000 Quadratmeter Nutzfläche für Einrichtungen, die das Land Berlin benennt, und damit sind verbunden für das Land Berlin Kosten in der Größenordnung von 32 Millionen Euro.

    Fischer: Es geht um eine wesentlich kleinere Nutzfläche, das ist vielleicht nicht ganz klar geworden aus diesem O-Ton, für das Land Berlin, Herr Fitzel. Wie sieht denn der Kompromiss genau aus?

    Fitzel: Eigentlich kann man nicht mehr sagen, dass das ein Kompromiss ist, es ist ein Scheinkompromiss. Berlin ist jetzt am Humboldt-Forum eigentlich nur noch mit einem symbolischen Teil beteiligt. 5.000 Quadratmeter von 50.000, also ein Zehntel. Man hatte eigentlich mal ganz andere Pläne gehabt.

    Fischer: Was waren denn diese Pläne?

    Fitzel: Man wollte gleichberechtigt eben Bürger, Bürgersinn und auch das, was an Ausstrahlung Berlin bundesweit in die Welt hinaus, dort vereinen. Der Sinn war eigentlich einmal gewesen, man wollte die Fehler, die man in der ersten Bebauung nach dem Mauerfall, nach der Wende gemacht hatte, eigentlich in Berlins Mitte wieder aufheben und dort etwas zu versöhnen, Ost und West. Wenn man daran denkt, dass auch der Palast der Republik ein historisches Symbol war, was abgerissen wird, und dafür sollte nun eben das königliche Schloss als Fassade wieder aufgebaut werden. Deswegen soll es ein ganz demokratischer Ort werden. Und da war eben die Planung, Bibliothek, Museen und Medienzentrum, das sollte alles in ein Zentrum, wo dann sich wirklich wie in einem Forum, einer Agora, die Bürger treffen.

    Fischer: Was gekippt wurde schon früher, Herr Fitzel, das ist ja das Hotel mit einer sehr, sehr teuren Tiefgarage, das früher mal als eine Art von Public Private Partnership angegeben wurde. Da war man als Kulturmensch ja ganz schön froh drüber. Wie sehen die inhaltlichen Konsequenzen dieser neuen Planung jetzt aus?

    Fitzel: Nun, da war man natürlich gespannt, wie jetzt die inhaltliche Konzeption sei, aber es war recht interessant, was dann heute Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee sagte:

    Tiefensee: Berlin soll an dieser Stelle ein Schaufenster der außereuropäischen Kulturen erhalten. Wie ich meine, in einer wunderbaren Symbiose mit dem, was auf der Museumsinsel bereits stattfindet.

    Fitzel: Also man hört, es soll eigentlich, quasi die Museumsinsel soll auf das Humboldt-Forum verlängert werden, ausgeweitet, ansonsten war heute wenig Konkretes zu hören, wie die konkrete Nutzung. Das war ja auch angemahnt worden von der Berliner Politik, die da sagte: Wir beteiligen uns finanziell nur - und so steht es im Koalitionsvertrag -, wenn wirklich ein klares Konzept zustande kommt. Und da hat man eigentlich halt nur als klares Konzept: Ja, die Sammlung außereuropäischer Kultur, die bisher draußen im Grün-Bezirk Dahlem beheimatet war und dort wenig Besucher hatte, soll jetzt eben der Museumsinsel gegenüber gelagert werden. Mehr Konzept leider nicht zu hören heute.

    Fischer: Das heißt, im Gegensatz zu dem, was Tiefensee anfangs gesagt hat - Baubeginn 2010, Fertigstellung 2013 -, glauben Sie nicht, dass das jetzt nur noch ein Spaziergang wird?

    Fitzel: Das wird kein Spaziergang, und man wird schauen, wie jetzt sich Berlins Kulturschaffende dazu auch verhalten. Die Enttäuschung wird sicher groß sein, dass das, was man eben als lebendiges Zentrum mal wollte und was auch die Zukunft Berlins betrifft, dass das jetzt so enttäuscht wird. Wenn man nur zwei Zahlen nebeneinander stellt, 80 Millionen soll quasi die Fassade, etwas aus der Vergangenheit, kosten, und für Berlins Zukunft, die man in Berlins Bibliotheken finden kann, die Jugendlichen und Kinder, Schüler, Studenten, da ist mal wieder kein Geld übrig.