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5.5.1904 - Vor 100 Jahren

Mit diesem Sieg im berühmtesten Galopprennen der Welt, dem englischen Epsom Derby, das erstmals 1780 ausgetragen wurde, hatte sich Gordon Richards auf seinem Pferd Pinza endgültig in den Jockey-Olymp katapultiert. Es war die Krönung einer beispiellosen Karriere. Und das 1953, ein Jahr vor seinem 50. Geburtstag. Denn trotz der bis dahin über 4800 Siege, ein bis heute ungebrochener Rekord, musste er fast 35 Jahre auf diesen wichtigsten Erfolg im Leben eines Jockeys warten. Er war ebenso populär wie der Fußballspieler Sir Stanley Matthews und erfolgreicher als sein berühmter Kollege Lester Piggott; selbst Königin Elisabeth hatte sich in Epsom als Richards-Fan geoutet. Sie soll, so will es zumindest die Legende, ihn und nicht ihren eigenen Hengst Aureole lautstark auf den letzten Metern angefeuert haben.

Von Hartmut Goege | 05.05.2004
    Ihre Majestät ließ mich nach dem Rennen zu sich kommen. Sie ließ keinerlei Enttäuschung über die Niederlage ihres Pferdes erkennen. Es blieb ja doch eine Tatsache, dass Aureole niemals eine Chance gegen mich und Pinza gehabt hätte. Der Duke of Edinburgh bemerkte, dass ich nach diesem Sieg doch sicherlich meine Karriere beenden wolle. ´Natürlich nicht´, kam mir die Queen mit einer Antwort zuvor, ´er wird im nächsten Jahr das Epsom Derby auf meinem Pferd gewinnen´. Für Gordon Richards war es ein langer Weg bis in die High-Class des Pferdesports. Als Sohn eines Bergmannes am 5.Mai 1904 zwischen Liverpool und Birmingham in Donnington Wood geboren, wuchs er zusammen mit sieben Geschwistern in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater hielt sich einige Grubenponies, die damals noch in Bergwerken als Zugtiere arbeiteten. Mit ihnen trainierte er schon als 5-jähriger sein Reittalent.

    Als dreizehnjähriger musste er die Schule verlassen, um zum Unterhalt der Familie beizutragen. Nach einem Jahr brach er seine Bürolehre ab und bewarb sich über ein Zeitungsinserat als Jockeylehrling. Der zierliche und kleinwüchsige Gordon war dafür offenbar wie geschaffen. Außerdem konnte er wie kein anderer sich auf die Launen und Eigenarten der Pferde einstellen. Eine Gabe, die seine Trainer früh an ihm erkannten. Mit 17 gewann er sein erstes Rennen und vier Jahre später, 1925, wurde er erstmals englischer Champion, ein Erfolg, den er 25 mal während seiner langen Laufbahn wiederholte. Nachdem er 1932 den Rennrekord von 259 Siegen innerhalb eines Jahres aufgestellt hatte, galt das 28-jährige Naturtalent schon als lebende Legende. Fortan wurde er immer wieder nach dem Geheimnis seiner Erfolge gefragt: Der Wille zum Sieg. Das ist mein Geheimnis. Ich kann es immer nur wiederholen. Talent ist natürlich wichtig. Man muss mit Pferden umgehen können, wachsam sein beim Start, Tempo und Distanzen einschätzen, schnell reagieren können, wenn sich im Rennen eine Lücke auftut, sensibel dafür sein, wann dein Pferd das äußerste gibt und wann es noch Reserven hat. Aber all das nützt dir nichts ohne den unbedingten Willen zum Sieg.

    Mit dieser Einstellung gewann er sämtliche Klassiker mehrmals. Jedes Kind in England kennt sie: 2 mal die Oaks, 3 mal die Thousend Guineas und Two-Thousond Guineas, 5 mal die St. Leger. Von seinem letzten späten Erfolg in Epsom war er selbst am meisten überrascht, wie er im anschließendem Sieger-Interview mit gewohnt britischer Zurückhaltung, aber humorvoll betonte und 40 weitere Jahre Galopprennen nicht ausschließen wollte: Ein Jahr später, 1954, endete Gordon Richards makellose Karriere abrupt durch einen schweren Sturz. Für seine einzigartige Laufbahn aber belohnte ihn die pferdebegeisterte Monarchin mit dem Ritterschlag. Als ersten seiner Zunft. Auch hier berichtet die Legende, dass nach dem Handkuss des Geadelten beide Turfexperten im Buckingham-Palast noch minutenlang über die Qualitäten ihrer Majestät Pferde plauderten. Nach einer zweiten Karriere als Galopper-Trainer starb Sir Gordon Richards am 10. November 1986.