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50 Jahre Deutsche Film- und Fernsehakademie
"Dieses Business ist einfach wahnsinnig hart"

Die Deutsche Film- und Fernsehakademie in Berlin wird morgen 50 Jahre alt. Das Jubiläum wird groß gefeiert, mit verschiedenen Filmreihen in Berliner Kinos und mit einem Symposium im kommenden Frühjahr. Regisseurin Hanna Doose, Absolventinnen der DFFB, spricht im DLF über die Bedeutung der Filmhochschule, aber auch über die Herausforderungen an die Filmemacher von heute und morgen.

Hanna Doose im Corso-Gespräch mit Fabian Elsäßer | 16.09.2016
    Regisseurin und Drehbuchautorin Hanna Doose bei der Verleihung der First Step Awards 2012
    "Wir brauchen nach wie vor gute Geschichtenerzähler in diesem Medium", erzählt Regisseurin Hanna Doose im DLF. (Imago / Future Image)
    Fabian Elsäßer: Sie haben von 2001 bis 2012 an der Film- und Fernsehakademie studiert. Damals war das ja schon eine von den alten staatlichen Schulen, also so wie Babelsberg oder München. Inwiefern hat in Ihrer Ausbildung diese Tradition eine Rolle gespielt?
    Hanna Doose: Für mich war ganz entscheidend eben, dass man sich dort künstlerisch entfalten konnte an der DFFB und deswegen muss ich auch ganz kurz noch mal korrigieren: Ich habe nicht so lange studiert, sondern ich durfte so lange eingeschrieben sein, was ein großer Unterschied ist. Und zwar geht das Studium jetzt auch nicht viel länger als sechs Jahre ungefähr, aber man darf so lange eingeschrieben sein, damit man noch Zeit hat, seinen Abschlussfilm zu entwickeln, weil das selten ist und natürlich unheimlich viel Zeit und leider auch Geld kostet, einen langen Spielfilm machen zu dürfen an einer Filmhochschule. Und dann kommen vielleicht im Leben eines Regiestudenten auch noch mal Krisen dazu und die DFFB ist bekannt dafür, dass man das auch ausleben darf, dass man deswegen nicht gleich rausgeschmissen wird, dass man sich Zeit nehmen darf. Und das fand ich ganz bezeichnend, dass wirklich geguckt wurde, dass man sich als künstlerische, filmemacherische Persönlichkeit entwickeln durfte. Und das habe ich eben voll ausgeschöpft und viel, viel mitgenommen - auch später dann, als ich schon gar nicht mehr als Studentin an Seminaren teilnehmen durfte, war ich Assistentin von Dozenten - einfach damit ich immer noch neue Impulse bekommen konnte und so eben noch die Möglichkeit einen langen, abendfüllenden Spielfilm als Abschlussfilm zu machen.
    Elsäßer: Ja, aber wurde man denn da auch als Student ständig darauf hingewiesen: Man ist jetzt hier nicht irgendwo, man ist an der DFFB und dort hat dieser und jener schon Fußstapfen hinterlassen.
    "Es gab da noch so einen anderen Spirit"
    Doose: Da musste man jetzt gar nicht so sehr darauf hingewiesen werden, weil ich bin unter Hauff gestartet. Reinhard Hauff war eine unheimliche Persönlichkeit. Der hat das die ganze Zeit ausgestrahlt, dass es irgendwie was besonderes ist, bei ihm studieren zu dürfen. Also er war sehr charismatisch, er hat ganz tolle Filme selber gemacht, zum Beispiel "Messer im Kopf". Er war ja mit Rainer Werne Fassbinder und Werner Herzog damals zusammen in einer Filmemacherclique und das hat man irgendwie gespürt, dass es noch so einen anderen Spirit da gab. Der war sehr politisch, sozial engagiert und jedes Jahr zu Silvester gab es eine Ansprache von Reinhard Hauff, die uns alle noch mal motiviert hat, darüber nachzudenken: Warum machen wir eigentlich Filme? Und gar nicht so sehr: Ihr seid an der DFFB - das ist so speziell, sondern mehr, dass Ihr überhaupt Filme machen dürft ist ganz speziell und das ist ein Geschenk und Ihr müsst dieses Geschenk wahrnehmen und nicht wegwerfen, weil sonst kann man auch irgendwas anderes machen. Man muss sich überlegen: Warum mache ich Filme und warum sollte das irgendjemand anderen interessieren, was ich da mache?
    Elsäßer: Welche Antwort haben Sie auch durch die Ausbildung auf diese Frage für sich gefunden?
    Doose: Eigentlich können das nur Sachen sein, mit denen ich persönlich etwas anfangen kann. Also für mich persönlich ist das die Antwort. Es kann sein, dass jemand anderes jetzt was anderes darauf antworten würde natürlich, aber für mich ist die Antwort tatsächlich: Ich muss das Thema durch und durch durchdrungen haben. Ich muss das kennen, ich muss wissen, wovon ich erzähle. Dann erst kann ich jemand andern berühren und eventuell sogar mit meiner Vision überzeugen.
    Elsäßer: Sie haben gerade Reinhard Hauff genannt, Ihren Ausbildungschef kann man sagen, und auch einige andere - es waren aber alles Männernamen. Man muss ja schon sagen, das deutsche Fernsehen, wie auch das Kino, ist lange männerdominiert gewesen. Wie haben Sie das erlebt? Hatten Sie es als Frau schwerer oder war das eine Erfahrung der wesentlich früheren Jahrgänge?
    Doose: Ich hatte es nicht so schwer, nur weil ich eine Frau war, mehr, weil ich sehr jung angefangen habe an der DFFB und mich dann immer so verglichen habe mit den älteren Studenten, die viel weiser und intellektueller waren als ich. Ich hatte im Gegenteil eigentlich auch tolle weibliche Vorbilder während meines Studiums zum Beispiel Valeska Grisebach ist mir in starker Erinnerung geblieben, eine tolle deutsche Filmemacherin. Die hat gemacht "Sehnsucht" und "Mein Stern" zum Beispiel. Und sie hat mich wahnsinnig inspiriert. Ich war in einem ganz tollen Seminar bei ihr. Ich durfte ihre Assistentin sein für einige Zeit an der DFFB und das war sehr prägend.
    "Ich habe wenig von dieser Realität mitbekommen, die einen erwartet"
    Elsäßer: Die Akademie nimmt für sich einen Anspruch - sie haben gerade schon gesagt: man hat Zeit, man bekommt Zeit - nimmt für sich einen Anspruch, dass die Studierenden eben in dieser Zeit eine eigene Handschrift entwickeln als Regisseure, als Autoren, damit sie später auf dem Markt bestehen können. Gelingt das in der Regel, das Bestehen auf dem Markt anschließend?
    Doose: Ich denke, was die eigene Handschrift betrifft, ja. Da ist die DFFB eine wunderbare Ausbildungsstätte. Was so diese Markttauglichkeit betrifft - es ist natürlich allgemein sehr schwierig, weil dieses Business ist einfach wahnsinnig hart und da hilft es nicht, dass man einfach nur Talent hat und weiß, wie man eine Szene toll ins Bild setzt oder Schauspieler inszeniert - was ja das A und O ist - aber dennoch reicht es einfach nicht und das empfinde ich doch auch als freie Filmemacherin, die eben nicht mehr an der Filmhochschule ist, als eine riesen Herausforderung und sehr schwierig, wirklich auch mit diesem Handwerk Geld zu verdienen. Weil wir bewerben uns irgendwie mit 1000 Leuten auf die gleichen drei Fördertöpfe. Da wird selbst von den berühmten Regisseuren alle paar Jahre mal ein Film gemacht und davon kann man nicht leben. Und das ist doch etwas, wo ich während des Studiums wenig drüber erfahren habe. Ich habe wenig von dieser Realität mitbekommen, die einen erwartet. Und auch, wie man das wirklich auch finanziell abfedern kann. Sei es, dass man noch eine Zweitausbildung macht, sich wirklich praktische Möglichkeiten erarbeitet, da zu bestehen. Oder wie bewerbe ich mich wirklich für eine Förderung? Das hat man damals, zumindest als ich studiert habe, nicht so wirklich beigebracht bekommen. Das muss man sich jetzt später alles so selber irgendwie zusammensuchen, zusammenreimen und da fehlt mir auch so ein bisschen der Austausch einfach.
    Elsäßer: Dann kommt ja auch noch die technische Entwicklung dazu. Nicht nur generell diese Verknappung der Töpfe, sondern auch die technische Entwicklung. Es gibt ja Apps, mit denen kann jeder einigermaßen kreativ veranlagte Zehnjährige schon eigene Filmchen zu Hause drehen - habe ich selber erlebt. Da hätte man früher noch teure Camcorder gebraucht. Überrollt diese Technik das klassische Filmemachen?
    "Nicht nur die Machart hat sich verändert, sondern auch die Sehgewohnheit"
    Doose: Überrollen ist irgendwie so negativ. Also ich finde das ja eigentlich super, dass jetzt durch diese Technik dieses ganze Riesengerät wegfällt; dass auch Menschen die Möglichkeit haben, die nicht an der Filmhochschule waren, aber trotzdem talentiert sind, einen Film zu machen. Sicherlich müssen wir jetzt noch mal umdenken und gucken, was will der Zuschauer heute sehen? Also nicht nur die Machart hat sich verändert - es ist billiger geworden, was ja erstmal gut ist - sondern auch die Sehgewohnheit. Es geht keiner mehr ins Kino. Und wir wollen aber alle - zumindest bei mir war das noch so - wir wollen alle Kinofilme machen. Und da müssen wir uns ja fragen, was heißt das, wenn wir Kinofilme machen wollen, aber keiner will die sehen? Oder wo können wir die zeigen und wie können wir trotzdem Geld verdienen, weil wenn wir sie im Internet zeigen und jeder streamt aber umsonst, dann ist es einfach ein Problem und da muss man ansetzen und schauen, dass man neue Modelle entwickelt, aber da sind denke ich mal haben sich auch schon viele hin orientiert, da Lösungen zu finden.
    Elsäßer: Eine Frage noch: Wie sehen denn Sie persönlich die Zukunft des Filmemachens oder ist das ein aussterbender Beruf?
    Doose: Ich denke, dass er nicht aussterben wird, weil wir brauchen einfach nach wie vor gute Geschichtenerzähler in diesem Medium. Es ist einfach nach wie vor die Frage, wie setzt man das um und wie gut müssen die Geschichten erzählt sein, um die Zuschauer zu erreichen? Und man sieht das ja heutzutage stark bei den Serienformaten, wie toll die ankommen und dass das durchaus - gerade die bekannten HBO-Serien aus den USA - dass das ganz wundervoll und toll erzählte Geschichten sind, die mich wahnsinnig inspirieren und wo ich auch Lust habe, das mal selber zu machen. Das ist in Europa noch nicht so ganz angekommen und das liegt zum Teil auch daran, dass wir noch eine ganz andere Schreibkultur sozusagen haben. Es gibt hier diese "Writers' rooms" noch nicht. Man ist viel mehr auf sich gestellt. Man müsste viel mehr im Team sowas auf die Beine stellen, also auch im Kreativteam, nicht nur von der Produktionsseite her. Ja, und das muss gepusht werden, gefördert werden, dafür müssen Gelder locker gemacht werden und die richtigen Leute an den Schreibtisch gebracht werden sozusagen.
    Elsäßer: 50 Jahre Deutsche Film- und Fernsehakademie in Berlin. Das wird ab morgen gefeiert. Eine traditionsreiche Institution, aber eine Branche, die sehr vom Wandel betroffen und ergriffen ist. Wir sprachen darüber mit der Regisseurin und Drehbuchautorin Hanna Doose. Herzlichen Dank für das Corso-Gespräch.
    Doose: Vielen Dank!
    "Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen"