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50 Jahre Nasdaq
Wenn Künstliche Intelligenz den Aktienhandel prägt

Microsoft, Facebook oder Google: Sie alle sind an der Technologiebörse Nasdaq in New York gestartet. Seit ihrer Gründung 1971 wurden Wertpapiere erstmals transparent über Computer gehandelt. Seitdem hat die Mikroelektronik den Börsenhandel umgekrempelt, Algorithmen bestimmen heute aussichtsreiche Aktien.

Von Caspar Dohmen | 07.02.2021
Nasdaq Marketplace am New Yorker Times Square.
Nasdaq Marketplace am New Yorker Times Square. (Strmx)
Der Vizepräsident der US-Technologiebörse Nasdaq, David Wicks:
"Heute ist ein aufregender Tag. Wir feiern den Health Care Capital Corp. IPO."
Dann folgt das Läuten der Schlussglocke. Damit setzt die am New Yorker Times Square gelegene Nasdaq Börsengänge von Unternehmen in Szene, Mitte Januar für den Gesundheitskonzern.
300 Unternehmen besorgten sich mit ihren Börsengängen an die Nasdaq allein vergangenes Jahr zusammen 77,8 Milliarden Dollar frisches Kapital. Die Nasdaq ist eine der zentralen Leitbörsen der Welt. Wer sich über den Zustand der US-Wirtschaft informieren will, kommt an der Technologiebörse nicht vorbei. Nikolaus Piper, ist Wirtschaftsautor der Süddeutschen Zeitung und ehemaliger US-Korrespondent:
"Wenn sie auf die Kurszettel schauen, dann steht da immer Dow Jones, Standard & Poor's und die Nasdaq. Dow Jones ist traditioneller, ist gar nicht mehr so repräsentativ für die amerikanische Wirtschaft. Standard & Poor's ist repräsentativer und Nasdaq ist ein Maßstab für alles, was an der Spitze der technischen Entwicklung ist."

In den 1970ern waren Computer und Software "bizarre Dinge"

Das konnte bei der Gründung der Nasdaq am 8. Februar 1971 niemand ahnen. Damals war die US-amerikanische Wirtschaft dominiert von Industrie, Banken und Landwirtschaft. Etablierte Konzerne wie der Flugzeugbauer Boeing, der Autobauer General Motors oder der Getränkehersteller Coca Cola hatten ihre Börsenheimat an der Wallstreet, an der traditionellen New York Stock Exchange, kurz Nyse. Zwar investierten Anfang der 1970er Jahre schon Risikokapitalgeber in neue Technologiefirmen im Silicon Valley, aber die New Economy steckte noch in den Kinderschuhen. Wer hätte gedacht, dass ein Softwareunternehmen wie Microsoft ein Erfolg werden könnte als es 1975 startete. Nikolaus Piper:
"Das war damals Computer, Software, das waren bizarre Dinge, mit denen man sich als normaler Mensch und auch als Anleger nur am Rande befasst hat."

Biontech-Börsengang 2019 an der Nasdaq brachte 150 Millionen Euro

Wenn heute US-Technologiefirmen an der Nasdaq ihren Börsengang durchführen, schauen Investoren aus aller Welt genau hin. So wie bei dem Onlinehändler Amazon 1997, dem Suchmaschinenbetreiber Google 2004 und zuletzt dem Onlinezimmervermittler Airbnb. Längst ist diese Börse aber auch eine Anlaufstelle für ausländische Technologiefirmen geworden. So beschaffte sich der Mainzer Pharmakonzern Biontech mit seinem Börsengang 2019 dort 150 Millionen Euro frisches Kapital und das Tübinger Unternehmen Curevac ein Jahr später 213 Millionen Euro. Warum entscheiden sich hiesige Unternehmen überhaupt für eine US-Börse?
"Ja gut, der amerikanische Kapitalmarkt ist viel ergiebiger als der deutsche, also einmal rein vom Volumen her, aber auch von der Einstellung der Leute. Es gibt mehr Kapitalanleger, die etwas wagen. Deshalb macht das auch für ein junges deutsches Unternehmen, das schnell wachsen will, macht das Sinn, die Aktien in Amerika anzubieten, weil es einfach leichter ist, sein Kapital zu bekommen."
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Nasdaq-Mission: Hilfe bei der Kapitalbildung

Anfang der 2000er traten Repräsentanten der Nasdaq selbstbewusst auf. Etwa die damalige Vizepräsidentin Doreen Davis-Owen, als sie in einer WDR-Reportage den Aufstieg ihres Arbeitgebers beschrieb.
"Die Mission von der Nasdaq war, bei der Kapitalbildung zu helfen. Damals hatte die New Yorker Börse sehr strenge Kriterien, die hochwertigen Unternehmen wie Dell, Cisco und Intel keinen Spielraum erlaubte. So wurde Nasdaq zur Alternative."
Dabei hatten die Gründer die Nasdaq keinesfalls als Börse für schnell wachsende Technologieunternehmen konzipiert. Vielmehr wollte die Nationale Vereinigung der Wertpapierhändler ein vollelektronisches Handelssystem für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften schaffen. Nasdaq steht entsprechend für 'National Association of Securities Dealers Automated Quotations'. Thomas Book, Vorstandsmitglied der Deutschen Börse hat über elektronische Börsen promoviert.
"Anfänglich war Nasdaq keine Börse, sondern war eine Vereinigung von Brokern und Dealern, also von Marktteilnehmern, die sich zusammengeschlossen haben, um zu organisieren, wie sie die Orders an die Börse bringen; also es war ein außerbörsliches System. Es ging erst mal darum, Orders quasi wie über den Ticker einzusammeln, die dann ausgeführt wurden."

Preiswerterer Handel und transparente Preisentwicklung in "real time"

Die Nasdaq war also ein elektronisches Handelssystem an das Broker und Banker über Leitungen angeschlossen waren. Das war damals völlig neu. Nun konnten die Händler in ihren Instituten über Terminals die Preisentwicklung für Aktien und andere Wertpapiere verfolgen und Order tätigen. Ein enormer Fortschritt. Denn bislang hatten die Wertpapierhändler die Preise telefonisch erfragen müssen, was mit erheblichen Unsicherheiten verbunden war. Weder Käufer noch Verkäufer wussten, ob sie den besten Preis bekamen. Das Nasdaq-System schaffte für die Beteiligten schlagartig Transparenz, wodurch die Handelskosten sanken. Das Kalkül ging auf. Thomas Book:
"Der erste Versuch tatsächlich die Elektronik zur Orderübermittlung einzusetzen, der ja auch erfolgreich war, und der auch sofort dazu geführt hat, dass die Kosten – also was wir Geld- und Briefspanne nennen, zwischen Kauf und Verkauf - sofort reduziert wurden, weil sofort mehr Teilnehmer Zugang hatten zu Information und zur Ausführung."

Von der Telefon-Akquise zum Handel in Mikrosekunden

Der Einsatz der Mikroelektronik erwies sich generell als Turbo für die weitere Entwicklung des Wertpapierhandels und der Börsen. Nach und nach setzten alle Börsen auf die Technologie. Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe von der Frankfurter Goethe Universität:
"Ja, das kann man schon als einen Meilenstein ansehen, weil die moderne Handelstechnik ja Geschwindigkeiten, Transaktionsgeschwindigkeiten zulässt und auch eine Automatisierung von Transaktionen zulässt, die vorher in dieser Weise nicht so gegeben waren."
Fortan nahm die Geschwindigkeit enorm zu. Thomas Book:
"Börsen leben ja davon, möglichst schnell Informationen zu verarbeiten, das ist auch ihr wesentlicher Beitrag, dass die Preise sehr, sehr schnell neue Informationen widerspiegeln. Und das hat gestartet von Minuten, noch in den frühen Jahren, in den 70er Jahren, die es gebraucht hat, über Sekunden, bis zu Millisekunden, die wir hatten in den 2000er Jahren und heute in den letzten Jahren ist sicherlich die Geschwindigkeit beim Handel im Mikrosekunden-Bereich und darunter, was die Ausführung angeht."
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Privatanleger konnten erst nur über Broker und Banken Wertpapiere handeln

Der Zugang zur Nasdaq blieb wie bei den klassischen Börsen eine exklusive Angelegenheit für Profis.
"Das durften natürlich nur die, die tatsächlich Marktteilnehmer waren, die Broker und die Banken, die direkt Orders ausführen konnten. Und wenn sie als Privatanleger eine Order ausführen wollten, dann konnten sie natürlich nur zu der Bank oder zu dem Broker gehen. Heute, wenn sie schauen, hat der Privatanleger natürlich ganz andere Möglichkeiten direkt alle Preise zu sehen, alle Kurse zu sehen und quasi zu gleichen Konditionen zu handeln wie professionelle Marktteilnehmer."
Gerade erst sorgten Kleinanleger für Schlagzeilen, die in Scharen auf den Anstieg bestimmter Aktien setzten und damit milliardenschweren Hedgefonds Verluste beibrachten, die auf fallende Kurse gesetzt hatten.

NYSE hatte Tech-Firmen in den 1980ern vernachlässigt

Elf Jahre nach ihrer Gründung wandelte sich die Nasdaq 1982 von einem reinen Notierungssystem zu einem vollelektronischen Aktienmarkt und fasste wichtige Unternehmen unter dem so genannten Nasdaq National Market zusammen. Der Chiphersteller Intel gehörte zu den ersten Unternehmen, das sich an der Nasdaq listen ließ. Nun entbrannte ein harter Wettbewerb zwischen der traditionellen New York Stock Exchange und der Nasdaq, besonders um lukrative und für das Image wichtige Börsengänge. Die Nasdaq erwarb sich bei jungen Technologiefirmen einen guten Ruf. In der US-Wirtschaftszeitung Wallstreet-Journal erinnerte sich 1999 Bill Davidow, der einst bei Intel arbeitete und später Risikokapitalgeber wurde:
"Die NYSE behandelte High-Tech-Firmen lange Zeit mit einer wohlwollenden Vernachlässigung und vermittelte ständig die Botschaft, dass wir es nicht wert seien, an der Börse notiert zu sein."

Die Dotcom-Blase platzte im März 2000

Entscheidend für den Aufstieg der Nasdaq zur führenden Technologiebörse der Welt war eine strategische Entscheidung der Verantwortlichen um den ersten Nasdaq-Präsidenten Gordon Macklin. Sie erkannten, dass es für schnell wachsende Unternehmen in neuen Bereichen wie der Computer- und Softwarebranche ganz natürlich war, zunächst auf ihr Wachstum und nicht auf ihre Rentabilität zu achten. Deswegen erlaubte die Nasdaq damals Firmen – anders als die NYSE – ihre Aktien an die Börse zu bringen, auch wenn sie noch gar keinen Gewinn erzielten.
In den 1990er Jahren war die New Economy dann in aller Munde. Es gab einen enormen Hype um Technologiefirmen. Das spiegelte sich auch an der Börse der Nasdaq wieder. Der Index stieg rasant. Mancher Experte sprach von Verhältnissen wie im Wilden Westen, weil oftmals eine gute Idee alleine ausreichte, um als Unternehmen mit einem Börsengang hohe Summen einzusammeln. Es kam – wie so oft in der Börsengeschichte – zu erheblichen Übertreibungen, von Fachleuten 'Blasenbildung' genannt.
Im März 2000 platzte die so genannte Dotcom-Blase – mit gravierenden Folgen auch für die Nasdaq. Ein Jahr später berichtete NDR-Reporter Carsten Vick über geplatzte Erwartungen:
"Heute ist Ernüchterung eingetreten. Der Nasdaq-Index hat in zwölf Monaten rund 60 Prozent verloren."

Die Deutsche Börse schließt 2003 den Neuen Markt

Bis Oktober 2002 brachen die Kurse sogar um fast vier Fünftel ein. Wegen der Krise scheiterten die damaligen Expansionspläne und die Nasdaq verkaufte die kurz zuvor gestartete Nasdaq Europa. 2007 fusionierte die Nasdaq dann aber mit der Börse OMX und erweiterte ihr Geschäft zumindest auf die nordeuropäischen Länder.
Der nach dem Vorbild der Nasdaq 1997 in Deutschland aus der Taufe gehobene Neue Markt verspielte seinen Ruf. Die Deutsche Börse schloss das Segment 2003. Das US-Vorbild erwischte es auch hart. Die Nasdaq verlor rund die Hälfte der gelisteten Aktien. Aber sie erholte sich und profitierte später vor allem von dem gigantischen Erfolg von Microsoft, Apple, Google, Amazon und Facebook.
Viel verbranntes Geld am Neuen Markt
Die Pläne von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zur Wiederbelebung des Neuen Marktes sehen viele in der Finanzszene kritisch. Der wurde nämlich um die Jahrtausendwende zum Sinnbild für Kapitalvernichtung und Betrug.

Börsenstart von Facebook an den Firmensitz verlegt

Am 8. Mai 2012 inszenierte die Nasdaq mit großem Tamtam den Börsenstart von Facebook. Den Börsenknopf zur Eröffnung des Handels hatte man extra nach Kalifornien verlegt, an den Firmensitz von Facebook. Robert Greifeld, damals Nasdaq-Chef, stand neben Facebook-Gründer Marc Zuckerberg inmitten hunderter Mitarbeiter des Konzerns. Eine Reporterin von CNBC:
"And this is the opening bell: Marc Zuckerberg and Facebock."
Für die Nasdaq war dieser Börsengang enorm wichtig, wollte man sich doch ein für alle Mal als die wichtigste Adresse für die Börsengänge neuer Technologiefirmen etablieren. Aber dann geschah erst einmal gar nichts.
"Nasdaq hat some technical difficulties."
Nasdaq habe ein paar technische Schwierigkeiten, berichtete der Fernsehsender CNBC. Eine halbe Stunde hakte es – im Börsengeschäft eine halbe Ewigkeit. Nasdaq-Chef Robert Greifeld musste Fehler im Handelssystem einräumen. Das Debakel kratzte am Image der Nasdaq. Aber es war nicht das erste Mal.

Verdacht auf Preisabsprachen von Wertpapierhändlern

1994 hatten zwei Universitätsprofessoren mit einer Studie für Aufregung um die Nasdaq gesorgt. Ihrer Ansicht nach war die Spanne zwischen Kauf- und Verkaufspreisen ungewöhnlich hoch und ihre Studie legte den Schluss nahe, dass dies durch Preisabsprachen von Wertpapierhändlern verursacht wurde. Anleger sahen sich betrogen und klagten. Ein Bundesgericht verurteilte in einem Zivilprozess Dutzende Broker zur Zahlung von rund einer Milliarde US-Dollar an die Geschädigten.

Kapitalmarkt, um zukünftige Investitionen vorzufinanzieren

Seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts entstanden Börsen. Meist trafen sich Menschen an Plätzen oder in bestimmten Straßen, um Wertpapiere zu handeln.
"Börsen sind außerordentlich wichtig."
Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe verweist auf den Ökonom Joseph Schumpeter.
"Wie ganz generell, das hat Josef Schumpeter schon gesagt, der gesamte Kreditapparat notwendig ist, um die im Kapitalismus notwendigen hohen Investitionen zu ermöglichen, die ja erst erwirtschaftet werden können, durch den Verkauf von Gütern und Dienstleistungen, nachdem sie erbracht worden sind. Von daher ist ein funktionierendes Kreditsystem und insbesondere ein funktionierender Kapitalmarkt, mit dem man zukünftige Investitionen vorfinanzieren kann oder generell finanzieren kann von außerordentlich großer Bedeutung."

Das Börsen-Parkett als Kulisse für Fernsehsendungen

Aber die Börsen haben den Handel zunehmend automatisiert. Wer heute in die großen Börsen in London, Chicago, Frankfurt, Tokio oder New York geht, trifft nur noch wenige Menschen. Seit der Eröffnung der Nasdaq hat sich der Computerhandel weitgehend durchgesetzt. Wirtschaftsjournalist Nikolaus Piper:
"Das Parkett spielt ja keine Rolle mehr, das ist eine Kulisse für Fernsehsendungen, aber das war es auch. Das eigentliche passiert in Computern schon seit vielen Jahren."
"Die London Metal Exchange, die Metalle handelt, hat das bis vor Corona noch gemacht im Präsenshandel, die überlegt jetzt auch den Präsenshandel einzustellen und es elektronisch zu machen, getrieben durch Corona. Also sie können eigentlich es so betrachten, dass fast alle großen Börsen heute voll elektronisch handeln aufgrund der Vorteile bei der Reichweite und auch bei der Geschwindigkeit und der sozusagen Rationalisierung, die die Elektronik hat."
Gamestop und die Folgen - Volkswirtschaftler: Kapitalmärkte sind mehr als eine Zockerbude
Der verabredete Versuch von Kleinanlegern, gegen Hedgefonds zu wetten, sei nicht problematisch für das Finanzsystem, sagte der Volkswirtschaftler Hanno Beck im Dlf. Problematisch sei das Geschehen für das Image des Aktienmarktes, der eine wichtige Funktion in einer Volkswirtschaft erfülle.

Von der manuellen zur Artificial Intelligence-Order

Von Wellen der Automatisierung spricht Thomas Book:
"Die Vorreiter waren natürlich die Börsen, die zunächst einmal auf den elektronischen Handel umgestiegen sind. Und in den 90er Jahren haben die Marktteilnehmer vor dem Computer gesessen und die Orders manuell eingegeben und ausgeführt. Und die zweite Welle der Automatisierung hat dann die Marktteilnehmer selber erfasst, bei der umgestellt wurde von manueller Ordereingabe auf Algorithmen oder auch Computer, die diese Orders ausführen. Mittlerweile gibt es sicherlich schon die dritte Welle der Automatisierung, wo eigentlich die Handelsstrategien selber automatisiert werden, also versucht wird, Muster zu erkennen über Artifical Intelligence. Also diese Wellen der Automatisierung, die haben wir gesehen und die haben natürlich auch den Handel verändert."

Wettkampf um Sekundenbruchteile über kürzere Leitungen

Aber weil Informationen heute dank des Internets in Echtzeit rund um die Welt fast zeitgleich in Computer an den Börsen fließen, spielt mittlerweile wieder ein physischer Faktor eine Rolle – der Abstand der Computer zu den Rechenzentren der Börsen. Weil Order entsprechend dem Zeitpunkt ihres Eingangs an der Börse bearbeitet werden, lohnt sich für Marktteilnehmer der Wettkampf um Sekundenbruchteile über kürzere Leitungen, denn sie können über Gewinn oder Verlust entscheiden. Weil jede Mikrosekunde zählt, stellen die so genannten Hochfrequenzhändler ihre Rechner gerne möglichst nahe an die Rechner von Börsen. Und mit der Vermietung solcher Plätze gegen hohe Gebühren haben Börsenbetreiber Geld verdient, auch die Nasdaq. Weil die Hochfrequenzhändler ihren Vorteil zu Lasten anderer Marktteilnehmer nutzten, gab es einen Skandal.
Michael Lewis - Bestsellerautor entfacht Debatte über Hochfrequenzhandel
Der US-Starautor Michael Lewis hat sich in einem Buch dem umstrittenen Hochfrequenzhandel gewidmet und damit eine hitzige Debatte entfacht. Seine These: Normale Anleger werden von superschnellen Handelsplattformen abgezockt.

Über 600 verschiedene Handelsplätze im europäischen Aktienhandel

Infolgedessen entstand 2013 die elektronische Handelsplattform IEX mit einer Verzögerung von 350 Millisekunden bei jeder Aktienorder. Das soll gleiche Bedingungen für alle Marktteilnehmer schaffen. Andere Marktakteure kritisieren dagegen die ihrer Meinung nach zu hohen Gebühren der etablierten Börsen. 2020 starteten deswegen einige Finanzkonzerne die Handelsplattform Members Exchange, kurz MEMX. Zwei Beispiele von vielen. Thomas Book von der Deutschen Börse:
"Was sie heute sehen, ist eigentlich ein interessanter neuer Effekt. Der Aufwand ein Handelssystem zu betreiben ist nicht mehr sehr hoch. Heute findet eigentlich eine Fragmentierung statt, bei der viele unserer Marktteilnehmer, viele der Banken eigene Handelssysteme betreiben und die Anzahl der Systeme nimmt stark zu. Es gibt heute im Aktienhandel in Europa über 600 verschiedene Handelsplätze und die meisten von denen werden betrieben von Marktteilnehmern selber, die Orders ausführen, bevor sie an die Börse kommen. In den USA sind es ungefähr 115 Marktplätze für Aktien."

Es kommt auf das Tempo der Technologie an

Sie machen genau das, was die Gründer der Nasdaq vor 50 Jahren gemacht hatten: sie starten ein neues außerbörsliches Handelssystem. Heute gehört die Technologiebörse zu den etablierten Börsen, die sich gegenüber neuen Wettbewerbern behaupten müssen. Gefragt sind seit dem Siegeszug der Computer an den Börsen Mathematiker und sonstige Experten, die die Computersoftware programmieren. Hat sich die Börsenkultur stark verändert? Wirtschaftsjournalist Nikolaus Piper.
"Ja, notwendigerweise. Also es gab ja früher so diese Finanzfirmen, diese sehr vornehmen Finanzfirmen, ich glaube man nennt sie White-Shoe-Firms. Die spielen heute kaum noch eine Rolle, sondern es ist ein sehr technisch getriebenes Geschäft, wo natürlich auch andere Leute da sind und wo es ruppiger zugeht und wo es schneller zugeht und wo es vor allem auf Tempo in der Technologie ankommt. Das ist neu und das ist anders."
Und für diese Entwicklung spielte die Gründung der Nasdaq 1971 eine zentrale Rolle.