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50 Jahre Trojan Records
Trojanisches Pferd mit sonnigem Gemüt

Das Label Trojan Records machte viele verheißungsvolle Musiker bekannt: Lee Scratch Perry, Jimmy Cliff, Bob Marley and the Wailers - um nur einige zu nennen. 1968 gegründet wurde es zu einer der bedeutendsten Plattenfirmen für Musik aus Jamaika mit Neuheiten aus Reggae, Rocksteady und Ska.

Von Florian Fricke | 28.07.2018
    Don Letts (Big Audio Dynamite) bei einem Konzert in der Londoner Brixton Academy, 1987
    Don Letts (Big Audio Dynamite) bei einem Konzert in der Londoner Brixton Academy, 1987 (imago / Future Image)
    Don Letts: "Als meine Eltern von Jamaika nach England zogen, war dies ein grauer und elender Ort mit Menschen in farbloser Mode. Wir Jamaikaner aber brachten Sonnenschein, Kultur, gutes Essen - und wir brachten 'Attitude', eine Haltung, mit."
    Don Letts wurde 1956 geboren, da waren seine Eltern gerade nach London gezogen. In seiner Jugend Anfang der 70er-Jahre beschäftigte er sich vor allem mit angloamerikanischer Rockmusik wie alle anderen auch: "Es dürstete den Kids damals nach neuer Inspiration. Sie hörten die Stones, die Beatles, The Kinks, The Who, R'n'B vom Mississippi Delta. Später hörten die Mods Tamla Motown aus Detroit. Aber in den frühen 70ern hatte sich der kulturelle Rahmen gewandelt."
    Erfolg durch Kaufkraft der Skinheads
    Denn nun waren da plötzlich diese Einwanderer aus der Karibik, mit denen die blassen Briten Tür an Tür lebten. Die ersten, die Jamaica musikalisch für sich entdeckten, waren die Skinheads. "Und zwar nicht die Nazi-Skins von später, nein, die ersten Skins von Anfang der 70er-Jahre waren vor allem ein Fashion-Phänomen. Das waren weiße Arbeiterjungs, die sich an der jamaikanischen Rude Boy Kultur orientierten. Die Skins waren die erste multikulturelle Subkultur im Vereinigten Königreich. Außerdem mögen sie Fußball. Als die Skinheads ihren Vereinen durchs Land folgten, war ihre Liebe zu Trojan immer mit dabei. Und es ist nur der Kaufkraft der Skinheads zu verdanken, dass Trojan zwischen 1968 und 1975 eine ganze Reihe von Chart-Hits verbuchen konnte. Jamaikanische Musiker haben sogar Platten extra für die Skinheads produziert. Es gibt einen berühmten Sampler namens 'Skinhead Moonstomp' - auf dem Cover weiße Skinheads mit Stiefeln und Hosenträgern."
    Die Rude Boys waren in Jamaikas Hauptstadt Kingston die gestrandeten Halbstarken und kleinen Ganoven. Den berühmtesten Rude Boy hat Jimmy Cliff verkörpert im Film "The Harder They Come". Trojan hat dem Phänomen eine ganze CD-Box gewidmet, die Rude Boy Box.
    Keith Levene, Terry Chimes, Don Letts, Joe Strummer und Paul Simonon von The Clash live in der Brixton Academy. London, 30.07.1982
    Keith Levene, Terry Chimes, Don Letts, Joe Strummer und Paul Simonon von The Clash live in der Brixton Academy. London, 30.07.1982 (imago / Future Image)
    "Und was sonst die Aufnahmetechnik von damals angeht: Die Kreativität speiste sich aus den wenigen Möglichkeiten, die sie hatten. Nimm den Skank aus dem Reggae, dieser geschrammte Gitarrenakkord im Off-Beat. Der entstand, weil die Jungs eben nicht wie Eric Clapton 'gniedeln' konnten. Aber sie konnten einen Akkord spielen und auf der Gitarre schrammeln. Und genau wie im Punk-Rock wurde aus Unvermögen ein entscheidendes Charaktermerkmal."
    Punk war ein Phänomen der gesellschaftlichen Underdogs, und die Punks fühlten sich mit den Underdogs aus der Karibik verbunden - in einer Zeit, als der Rassismus in England grassierte.
    Trojan hat eine wichtige "soziale Note"
    "Es war die Musik von Trojan, die die Menschen zusammenbrachte, auf dem Spielplatz, auf den Straßen und auf der Tanzfläche. Trojan war ein Tool für den sozialen Wandel. Und ich glaube nicht, dass das so viele Record Labels von sich behaupten können."
    Die Eltern von Don Letts gehören der sogenannten Windrush Generation an, benannt nach einem Überseedampfer. Sie versuchten nach Jamaica zurückzukehren, aber hatten mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie die erste Generation türkischer Migranten in Deutschland. Sie hatten sich innerlich schon zu weit von Jamaika entfernt, und jeder dachte, dass sie doch immens reich sein müssten. Also kehrten sie nach England zurück.
    "Und hier liegt die Ironie. Wir schreiben 2018 und feiern das 50. Jubiläum von Trojan. Die Regierung hatte entschieden, dass die karibischen Einwanderer nun lange genug Gäste in England waren und wieder gehen sollten. Und tatsächlich wurden Einwanderer aus der Generation meiner Eltern nach Jamaika zurückgeschickt, das passierte in den letzten vier, fünf Monaten. Und das gibt dem Jubiläum von Trojan eine tiefe soziale Note. Das ist weit mehr als die Prahlerei eines Labels."