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500 Jahre Havanna
Das Paris der Antillen

Elegante Stadt unter Palmen: Havanna galt lange Zeit als das "Paris der Antillen". Gegründet von spanischen Eroberern, wurde es im 20. Jahrhundert zum "Sündenbabel" für Touristen und zur Hochburg der Mafia. Mit der Revolution kam der Verfall - nun soll die Stadt wieder restauriert werden.

Von Peter B. Schumann | 16.11.2019
    Capitolio Nacional Kapitol und Gran Teatro Theater, in der Altstadt von Havanna vor einem Abendhimmel in der Dämmerung.
    Erst kamen die Konquistadoren, dann die elegante Welt, schließlich die Revolution - Havanna hat eine wechselvolle Geschichte (picture alliance / Imagebroker)
    Sie haben es alle geliebt, dieses "Paris der Antillen" – wie Havanna einst hieß. Enrico Caruso und Sarah Bernhardt sind hier im Gran Teatro, einem der luxuriösesten Theater des 19. Jahrhunderts, aufgetreten. Die Oberschicht gönnte sich damals Kultur, denn sie war durch den Tabak- und Zuckerhandel reich geworden, schmückte sich mit zahlreichen kulturellen Institutionen sowie repräsentativen Villen und investierte in die erste Eisenbahn Lateinamerikas. Havanna war bis weit ins 20. Jahrhundert eine blühende und elegante Metropole. Begünstigt wurde ihr Aufschwung durch die geostrategische Lage an der Nordküste Kubas. Die Spanier, die sie am 16. November 1519 gründeten, hatten dies sofort verstanden. Leonardo Padura:
    "Sie liegt gegenüber der nordamerikanischen Küste, inmitten des Golfs von Mexiko und des Golfstroms, der für die Rückreise europäischer Segelschiffe jener Zeit sehr wichtig war. Havanna wurde auch zu einem Ausgangshafen für viele Expeditionen, die von hier aus die Eroberung Amerikas begannen. Im 17. und 18. Jahrhundert war Havanna die drittwichtigste Stadt im spanischen Imperium, in dem die Sonne nie unterging."
    "Karibisches Sündenbabel"
    Für Leonardo Padura, Kubas berühmtesten Gegenwartsautor, ist seine Geburtsstadt der zentrale Schauplatz in den meisten seiner Romane.
    "Havanna erlebte dann im 19. Jahrhundert einen großen wirtschaftlichen und städtebaulichen Aufschwung. Denn in Haiti, dem bis dahin größten Zucker- und Kaffeeproduzenten der Welt, endete die Unabhängigkeit in einem Bürgerkrieg, der die Landwirtschaft ruinierte. Kuba trat an dessen Stelle, und Havanna verwandelte sich allmählich in ein Handels- und Kulturzentrum."
    In das "Paris der Antillen", der Inselgruppe, zu der Kuba gehört. Im 20. Jahrhundert erfuhr die Stadt ihre einschneidendsten Veränderungen. Millionen von Touristen strömten aus den USA hierher. Die Metropole wurde zum "karibischen Sündenbabel" und zu einer Hochburg der Mafia. Deshalb verordnete ihr Fidel Castro 1959 nach dem Sieg der Revolution einen radikalen Kurswechsel.
    Nach der Revolution sich selbst überlassen
    Der Reichtum war übermäßig in städtischen Regionen, vor allem in Havanna, konzentriert worden. In den ländlichen Gebieten mussten die Menschen, die ihn produzierten, meist unter unwürdigen Bedingungen leben. Nach dem Machtwechsel und einer tiefgreifenden Landreform wurden dort Schulen und Krankenhäuser gebaut und die Infrastruktur verbessert. Bis in die 1980er Jahre blieb sich die Hauptstadt dagegen mehr oder weniger selbst überlassen. Leonardo Padura:
    "Heute gibt es zwei Havannas, das eine ist aus dem anderen entstanden. Den historischen Teil, Alt-Havanna, begann man nach einer Entscheidung auf oberster Ebene Mitte der 1980er Jahre zu restaurieren. Havanna-Zentrum dagegen, zu dem es ursprünglich gehörte, wurde mit der Zeit ein proletarisches Wohngebiet."
    Hier ist seit Jahrzehnten nichts investiert worden, rinnt das Leitungswasser aus undichten Rohren durch die Straßen, türmt sich der Müll zu Bergen und stürzen notdürftig geflickte Altbauten immer wieder ein. Leonardo Padura:
    "Es gibt jedoch noch ein viel größeres Havanna: die wild entstandenen Elendsviertel, wie sie aus Lateinamerika bekannt sind. Hier leben Menschen aus dem Osten des Landes, die in der Hauptstadt ein besseres Leben suchen und manchmal auch finden, unter prekären Bedingungen. Es ist das unsichtbare Havanna."
    Restaurierungsprogramm zum Geburtstag
    Und jener Teil in den Randbezirken der Metropole, den der Gelegenheitsbesucher nicht zu Gesicht bekommt.
    Havanna will sich in diesem Jahr seines 500-jährigen Bestehens von der Schokoladenseite zeigen. Dazu sind Dutzende von Projekten aufgelegt worden. Am ambitioniertesten ist der Kultur-Boulevard, zu dem die drei Kilometer lange Línea, die Hauptstraße im Vedado, einem der besseren Viertel, umgestaltet wird. Skulpturen wurden aufgestellt, Radwege angelegt, Häuser koloriert und das ehemalige Eisenbahndepot zu einem Kulturzentrum ausgebaut.
    Doch nicht alle Verschönerungskuren Havannas können in der vorgesehenen Form realisiert werden, denn US-Präsident Trump hat erneut das fatale Embargo gegen Kuba und damit die Krise im Land verschärft.