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500. Todestag des Renaissance-Komponisten
Wie Josquin Desprez zum "Michelangelo der Musik" wurde

Auch Martin Luther war bekennender Fan: Die dicht komponierten Werke von Josquin Desprez galten schon im 16. Jahrhundert als herausragend und waren europaweit verbreitet. Sein Leben ist nur bruchstückhaft überliefert, doch als sicher gilt, dass der "Michelangelo der Musik" am 27. August 1521 starb.

Von Helga Heyder-Späth | 27.08.2021
    Renaissance-Komponist Josquin Desprez.
    Renaissance-Komponist Josquin Desprez - kolorierter Holzstich nach einem um 1610 entstandenen Gemälde (imago / Leemage)
    "Josquin ist der Noten Meister, die habens müssen machen, wie er wollt, die andern Sangmeister müssens machen, wie es die Noten haben wöllen.": noch um 1540 bewunderte Martin Luther die außergewöhnliche Begabung des Sängers und Komponisten Josquin Desprez. Der war damals schon seit zwei Jahrzehnten tot, galt aber immer noch als der prominenteste Vertreter jener Sängerkomponisten aus dem franko-flämischen Kulturkreis, die die europäische Musikwelt des 16. Jahrhunderts maßgeblich prägten.
    Geboren wurde Josquin zwischen 1450 und 1455 in der Umgebung von Saint-Quentin in Nordfrankreich. Über seine Kindheit weiß man kaum etwas. 1475 tauchte er in Südfrankreich als Sänger in der Kapelle des Herzogs von Anjou auf. Fünf Jahre später gehörte er zur Hofkapelle des französischen Königs Ludwig des Elften, die damals von Johannes Ockeghem geleitet wurde. Der flämische Kollege wurde vermutlich sein Kompositionslehrer. Als er Jahre später starb, schrieb Josquin einen berühmt gewordenen Klagegesang.

    Selbstbewusster Auftritt in Rom

    Nach einigen Jahren in Mailand wurde Josquin 1489 Sänger der päpstlichen Kapelle in Rom. Dort trat er bereits mit einigem Selbstbewusstsein auf, so Klaus Pietschmann von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz:
    "Wir haben keinerlei Briefe oder sonstigen schriftlichen Hinterlassenschaften von ihm. Das einzige, was sehr wahrscheinlich auf ihn zurückgeht, ist ein Graffito, das sich an der Wand der Sängerkanzel der päpstlichen Kapelle erhalten hat. Er platziert seinen Namen zentral auf der Stirnwand. Das spricht schon für eine sehr ausgeprägte Persönlichkeit."

    Ein charakterlich schwieriger Musiker

    Schon seine Zeitgenossen nahmen Josquin als bedeutenden, aber charakterlich schwierigen Musiker wahr. Als 1503 der Herzog von Ferrara Ercole d’ Este einen neuen Hofkapellmeister suchte, brachte sein Musikagent daher neben Josquin auch den kaiserlichen Hofkomponisten Heinrich Isaac ins Spiel:
    "Der Sänger Isaac ist sehr schnell in der Kunst der Komposition. Im Übrigen ist er gutmütig und umgänglich. Mir scheint er gut geeignet, Euer Gnaden zu dienen, besser als Josquin, weil er zu seinen Musikern von liebenswürdigerem Wesen ist und öfter neue Werke schreiben will. Dass Josquin besser komponiert, ist richtig, aber er komponiert, wenn er es will und nicht, wenn man es von ihm erwartet."

    Renaissance-Komponist Heinrich Isaac - ein fast vergessener 500. Jahrestag
    2017 wurde der Beginn der Reformation vor 500 Jahren groß gefeiert. Wenige Monate vor Luthers Thesenanschlag in Wittenberg starb in Florenz mit Heinrich Isaac einer der größten Musiker der damaligen Zeit. Daran erinnert - der Katalane Jordi Savall Auf seinem eigenen Label AliaVox.
    Ercole d’ Este entschied sich dennoch für den besseren Komponisten. Josquin blieb allerdings nur ein knappes Jahr in Ferrara. 1504 wurde er zum Propst der Kirche Notre Dame im flämischen Condé-sur-l’Escaut ernannt. Über die letzten 17 Jahre seines Lebens in Condé weiß man wenig. Josquin Desprez starb dort am 27. August 1521. Seine Werke waren damals in Abschriften und Drucken in ganz Europa verbreitet, so Klaus Pietschmann:
    "Er verbindet eigentlich wie kein anderer seiner Zeitgenossen das, was die Musik der Franko-Flamen traditionell ausmacht, die konstruktivistische Seite des Komponierens, die vollendete Beherrschung des Kontrapunkts, komplexer Kanon Techniken mit neuartigen Techniken, Klangsinnlichkeit zu erzeugen und vor allen Dingen auch textbezogen zu komponieren."
    Josquin Desprez - Erster Superstar der Musik
    Als der Buchdruck auf Noten übertragen wurde, verkaufte sich europaweit am besten die Musik von Josquin Desprez: seine vielstimmigen Werke, viele Messen, bis heute beliebt. Michael Stegemann führt durch den Aufnahme-Dschungel: von "gut gemeint" bis "exquisit".
    Bis ins 17. Jahrhundert gehörten Josquins Werke zum Repertoire kirchlicher und höfischer Kapellen. Und schon Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte man ihn neu und reihte ihn als "Michelangelo der Musik" in die Galerie der bedeutenden Renaissancekünstler ein. Für Musikwissenschaftler Klaus Pietschmann ein guter Vergleich:
    "weil eben diese unmittelbare Aussagekraft, diese besondere anrührende und gleichzeitig auch von enormer Kunstfertigkeit geprägte Anlage seiner Musik etwas ist, was sich über die Jahrhunderte hinweg erhält und überträgt."