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525 Jahre "Erdapfel" von Behaim
Der älteste Globus der Welt hat kein Amerika

1492 erhielt der Kaufmann Martin Behaim vom Nürnberger Rat den Auftrag, einen Globus herzustellen. Ein Mammutprojekt begann, genau zu dem Zeitpunkt, als Christoph Kolumbus sich aufmachte, Indien zu entdecken und dabei auf eine neue Welt stieß. So fehlt auf dem heute ältesten erhaltenen Globus der Welt Amerika.

Von Michael Stang | 30.12.2017
    Der "Erdapfel" von Martin Behaim
    Der "Erdapfel" von Martin Behaim (dpa)
    "Wir sind jetzt hier im Galeriebau des Germanischen Nationalmuseums ... und da steht er auch schon im ersten Raum, der Behaim-Globus, der bis heute älteste, noch erhaltene Erdglobus überhaupt."
    Thomas Eser, Historiker und Sammlungsleiter am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, holt eine Taschenlampe hervor, um ein mittelalterliches Meisterwerk zu beleuchten: den sogenannten Erdapfel, gefertigt von Handwerkern und Künstlern nach den Vorgaben des Kartografen und Seefahrers Martin Behaim. Aus Konservierungsgründen steht der auf einem Dreifuß ruhende Globus im Halbdunkel hinter Glas.
    "Der Globus hat ein Metallgestell, hat einen messingenen Horizontring, und in diesem Horizontring ist eine Kugel, Durchmesser von etwa 50 Zentimetern."
    Es trieb ihn früh in die Welt hinaus
    Martin Behaim, 1459 als Sohn einer Patrizierfamilie in Nürnberg geboren und in Antwerpen zum Tuchhändler ausgebildet, trieb es früh in die Welt hinaus. Das Schicksal brachte ihn an den Hof des Königs von Portugal in Lissabon, der es ihm ermöglichte, an Seereisen entlang der afrikanischen Westküste teilzunehmen.1490 kehrte Behaim für einige Jahre zurück nach Nürnberg. Zu dieser Zeit arbeiteten in Nürnberg Humanisten an der berühmten Schedelschen Weltchronik. Behaim kam wie gerufen.
    "Man wusste damals schon, dass man mit diesem Sohn der Stadt eigentlich einen ganz berühmten Zeitgenossen hatte in Nürnberg, weil er eben sehr weit in der Welt herumgekommen war. Und dann vertraut ihm der Rat der Stadt an, einen Globus zu gestalten, beziehungsweise – wörtlich heißt es – ihn anzugeben, also den Inhalt zu bestimmen."
    Seewege anschaulich auf einer Kugel darzustellen und begreiflich zu machen – das könnte auch Nürnberger Geldgeber dazu überreden, weitere Seereisen zu finanzieren, so Behaims Hoffnung. 1492 begann er sein Mammutprojekt. Aus der Abrechnung für den "Erdapfel" geht die Herstellungstechnik hervor. Ein Glockengießer fertigte zwei Halbkugeln aus Ton an. Diese wurden mit in Leim getränkten Textilien in mehreren Lagen bespannt, darüber dann Papierstreifen geklebt.
    "Diese Papierstreifen sind bemalt mit den Kontinenten, mit einer Reihe von miniaturhaft kleinen Bildchen, etwa 100 an der Zahl: Herrscher, Wappen, berühmte Orte und dann Beschriftungen, Beschriftungen über und über, die Ortsnamen nennen, Flussnamen nennen, die Herrschernamen verzeichnen, vor allem aber auch das bekannte Wissen im späten
    15. Jahrhundert von der Welt wiedergeben."
    Farbig und oft winzig klein
    15 Wochen dauerte das Bemalen. Europa ist detailliert dargestellt, Nord- und Westafrika ebenso, vor allem jene Gegenden, die Behaim selbst bereist, beziehungsweise von denen er eigene geografische Informationen gesammelt hatte.
    "Behaim gibt auf dem Globus selber an, was seine Quellen sind, also es ist Marco Polo, es ist der antike Geograf Ptolemäus, Strabon, Jean de Mandeville, also er rückversichert sich auch in den Beschriftungen, dass er das nicht erfunden hat, sondern dass er dafür Autoritäten zitiert."
    Für den Erdumfang berief sich Behaim auf Ptolemäus und übernahm so die falsche Berechnung des Poseidonios. Dadurch geriet etwa das Mittelmeer im Verhältnis zur Erdkugel zu lang, Europa und Asien wurden zu groß. Die bildlichen Darstellungen sind farbig und oft winzig klein.
    "Das Rote Meer ist ganz hübsch, auch rot ausgeführt … die biblischen Landschaften, also der Nahe Osten ist ausführlichst beschrieben, es gibt auch ein kleines Verzeichnis von Mohammeds Grab zum Beispiel, nur einen Millimeter groß, oder auf dem Berg Ararat ist die Arche Noah gestrandet, die sieht man hier genau in der Mitte …"
    Anfertigung ausgerechnet in jenen Monaten, als Christoph Kolumbus die Neue Welt entdeckte
    Sprichwörtliche weiße Flecken suchen Museumsbesucher vergeblich. Fantasieinseln oder Beschreibungen übertünchen das damalige Unwissen. Amerika ist nicht verzeichnet. Denn Behaim fertigte seinen Globus ausgerechnet in jenen Monaten an, in denen Christoph Kolumbus die Neue Welt entdeckte. Doch nicht nur Amerika sucht man vergeblich.
    "Australien fehlt, wobei es diesen sagenhaften Südkontinent in der Vorstellung der Geografen der Antike wie des Mittelalters schon gegeben hat, weil man immer sagte, es muss aus Gleichgewichtsgründen gegenüber diesen nördlichen Territorien auch noch einen großen Südkontinent geben."
    Es sollte nur wenig Zeit nach Fertigstellung des Behaim-Globus vergehen, bis sich die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass die Welt nicht nur aus den Kontinenten Europa, Asien und Afrika besteht. Behaims Weltdarstellung war schnell veraltet. Ob und wie oft der Globus restauriert oder eventuell auch aktualisiert wurde, soll ein Forschungsprojekt klären, bei dem das Objekt Schicht für Schicht durchleuchtet und vollständig digitalisiert wird.