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7.6.1929 - Vor 75 Jahren

Bevor der Young-Plan gesetzt wurde, habe ich für die Deutschnationalen dem Volke ein Versprechen abgegeben... Dieses Versprechen bleibt der feste Leitstern unserer Politik.

Von Volker Ullrich | 07.06.2004
    Mit diesen Worten eröffnete Alfred Hugenberg, Chef des größten Presseimperiums der Weimarer Republik und Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei, seine Ansprache zur Reichstagswahl vom 14. September 1930, aus der jedoch nicht seine Partei, sondern die NSDAP Adolf Hitlers als triumphaler Wahlsieger hervorgehen sollte. Der Young-Plan, gegen den sich die Polemik des Redners richtete, war ein Jahr zuvor, am 7. Juni 1929, unterzeichnet worden. Mit ihm sollte das Problem der Reparationen endgültig geregelt werden.

    Im Versailler Friedensvertrag von 1919 hatte sich Deutschland verpflichten müssen, für die der Zivilbevölkerung der alliierten Staaten zugefügten Schäden aufzukommen. Höhe und Dauer der Zahlungen waren freilich offen gelassen worden. Daran entzündete sich ein Dauerstreit. Auf Seiten der Siegermächte, allen voran Frankreichs, sah man in hohen Reparationsforderungen ein Instrument, um den besiegten Gegner dauerhaft zu schwächen. Umgekehrt suchten die rasch wechselnden Regierungen der Weimarer Republik nach allen möglichen Mitteln und Wegen, um die Reparationslasten zu drücken, etwa dadurch, dass man den Kurs der Währung verfallen ließ.

    Erst 1924, nach dem Ende der Hyperinflation, konnte mit dem Dawes-Abkommen ein neuer Anlauf zur Lösung des Reparationsproblems unternommen werden. Nach diesem Abkommen sollten die Annuitäten, also die jährlichen Zahlungen, mit einer Milliarde Mark beginnen und bis 1928/29 auf 2,5 Milliarden ansteigen. Allerdings wurde weder die Gesamtsumme der Zahlungen noch ihre Dauer definitiv festgelegt.. Das sollte eine internationale Sachverständigenkommission nachholen, die seit Februar 1929 unter dem Vorsitz des amerikanischen Industriellen Owen Young in Paris tagte. Das Ergebnis war der so genannte Young-Plan: Danach sollte Deutschland bis 1988, also 59 Jahre lang, Reparationen leisten, insgesamt eine Summe von 112 Milliarden Mark – zweifellos eine bedrückende Perspektive. Doch die Übereinkunft bot gegenüber dem Dawes-Abkommen auch Vorteile: Statt 2,5 Milliarden waren in den ersten Jahren nach 1928 nur 1,7 Milliarden zu zahlen – eine spürbare Entlastung. Außerdem gewann Deutschland die volle Souveräntität auf finanzpolitischem Gebiet zurück. Für den Transfer der Leistungen war künftig nicht mehr ein alliierter Reparationsagent, sondern die Reichsregierung selbst verantwortlich. Und schließlich erklärten sich die Allierten als Gegenleistung bereit, das Rheinland Ende Juni 1930, also bereits fünf Jahre vor der im Versailler Vertrag vorgesehenen Frist, zu räumen.

    Obwohl der Young-Plan für Deutschland gar nicht so ungünstig ausfiel, machte die nationalistische Rechte dagegen mobil. Unter Führung Hugenbergs trat Anfang Juli 1929 in Berlin ein "Reichsausschuß für das Deutsche Volksbegehren" zusammen, dem sich auch die Nationalsozialisten anschlossen. Dieser Ausschuss präsentierte im September den Entwurf eines "Gesetzes gegen die Versklavung des deutschen Volkes". Zwar endete die Kampagne mit einem Fehlschlag – beim abschließenden Volksentscheid im Dezember 1929 stimmten nur 13,8 Prozent der Wahlberechtigten für das Gesetz – , doch Hitler konnte als Erfolg verbuchen, in rechtskonservativen Kreisen salonfähig geworden zu sein.

    Die im Herbst 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise machte den Young-Plan bald zur Makulatur. Heinrich Brüning, der seit Frühjahr 1930 amtierende Kanzler des ersten Präsidialkabinetts, setzte alles daran, die Reparationslast vollständig abzuschütteln.

    Dies gelang freilich erst seinem Nachfolger Franz von Papen. In Lausanne auf der Konferenz im Juni und Juli 1932 verzichteten die Gläubiger Deutschlands – bis auf eine eher symbolische Restzahlung – auf ihre Ansprüche.