Dienstag, 19. März 2024

7. Sportkonferenz im Deutschlandfunk
"20 Prozent Fußball, 35 Prozent Wintersport und 45 Prozent alle anderen Sportarten"

Die mediale Präsenz von Fußball ist erdrückend. Wie können auch andere Sportarten die Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Eine Chance bietet die Digitalisierung.

Von Bastian Rudde | 10.11.2017
    7. Sportkonferenz im Deutschlandfunk
    Thomas Röhler ist einer der erfolgreichsten deutschen Sportler. 2016 in Rio wurde er Olympiasieger im Speerwerfen. Doch viel kaufen kann er sich davon nicht, sagt Röhler – und vergleicht sich auf der Sportkonferenz des Deutschlandfunks mit einem Fußballer aus der vierten Liga.
    "Sprich: Hab ich ein gutes Jahr kann ich mich vielleicht mit meinen Viertliga-Jungs vergleichen in derselben Stadt. Hab ich ein schlechtes Jahr, dann sieht es auch mal ganz dunkel aus."
    Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler
    Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler bei der DLF-Sportkonferenz (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
    Olympiasieger, aber keine finanzielle Sicherheit. Thomas Röhler ist bei weitem nicht der einzige deutsche Spitzensportler, der davon berichtet. Und er fragt sich: Wie kann das sein? Seine Antwort: Unter anderem, weil das Fernsehen abseits von Großevents wie Olympia oder Weltmeisterschaften zu wenig Leichtathletik zeige – trotz der großen Basis des Sports.
    "Ich bin selber in Jena Vorstandsmitglied im Leichtathletikverein. Ich beobachte da, wie die Zahlen an jungen Kids steigen und steigen. Und ich glaube, es gibt wirklich einen großen Bedarf, die Dinge zu sehen!"
    Appell an die öffentlich-rechtlichen Sender
    Ein Appell, der sich auch an die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF richtet. Die müssen sich schon lange anhören, dass sie immer mehr Fußball und immer weniger andere Sportarten zeigen würden. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky widerspricht und bezeichnet die Berichterstattung im Ersten als ausgewogen: "Circa 20 Prozent Fußball. 35 Prozent sind Wintersport und 45 Prozent sind alle anderen Sportarten. Darunter übrigens Leichtathletik, EM, WM, Istaf, die deutschen Leichtathletik-Meisterschaften. "
    "Ganz so einfach ist es", protestiert Mark Schober, Generalsekretär des Deutschen Handball-Bundes. "20 Prozent Fußball, da müsste man genauer jetzt mal nachhaken. Sind das die besten Sendezeiten, in denen die 20 Prozent laufen. Also der Eindruck ist ja nicht umsonst da, dass viel Fußball kommt und die anderen Sportarten weniger."
    Fußball will mediale Präsenz weiter erhöhen
    Während beispielsweise Erstligisten aus dem Volleyball froh sind über jede Sekunde TV-Zeit, laufen Dritt- und Viertligaspiele im Fußball teilweise in voller Länge. Und: Der Fußball arbeitet daran, seine mediale Präsenz weiter zu erhöhen, sagt Rainer Koch, Vizepräsident des DFB.
    "Und dann bin ich auch bei den ganzen digitalen Medien. Was wir jetzt machen im Fußball: Wir werden wohl in zwei Jahren soweit sein, dass wir bis zur sechsten Liga alle Amateurfußballplätze in Deutschland mit Livestream-Kameras ausgestattet haben. Da geht's dann aber nicht darum, dass damit das große Geld gemacht wird.Aber natürlich hält man die ganzen Ligen präsent. Man kann das medial abbilden und damit auch jungen Menschen vermitteln, das ist ne coole Sache, ich mach mich auf den Weg, um Lionel Messi zu werden. Das werden die wenigsten werden, aber alle werden dann Fußballfans."
    Rainer Koch (l.) und Thomas Röhler bei der 7. Sportkonferenz des Deutschlandfunks
    DFB-Vize Rainer Koch und Speerwerfer Thomas Röhler bei der DLF-Sportkonferenz (Deutschlandradio /Jessica Sturmberg)
    Der Fußball kassiert Geld von Rundfunkanstalten, damit die ihn übertragen dürfen, investiert dieses Geld, um seine Allgegenwärtigkeit weiter zu erhöhen und vergrößert so seine Basis. Vertreter anderer Sportarten sehen darin eine Art Teufelskreis.
    Robert Zitzmann von der Marketingagentur Jung von Matt ist diese Sichtweise zu einfach. Seiner Meinung nach tun die anderen Sportarten selber teilweise zu wenig, um Nachwuchs zu gewinnen und auf sich aufmerksam zu machen. Wie es besser gehen kann, zeigt ein Versuch im Tennis, sagt Zitzmann.
    Sport attraktiver und moderner machen
    "Auf der Rheinkirmes in Düsseldorf, da haben wir etwas ausprobiert mit dem Rochusklub, dem traditionsreichsten Tennisklub Deutschlands, und haben gesagt, wenn die Menschen nicht mehr zum Tennis gehen, bringen wir Tennis zu den Menschen, und haben einen Tennisplatz gebaut auf der Rheinkirmes mit der Rechnung, dass dort 3,5 bis vier Millionen Menschen hinkommen, wir Tennis inszenieren können, anders aufladen können. Aber vor allem, damit junge Leute wieder zum Tennis kommen können, um wieder zum Sport zu finden."
    Auch Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler versucht, seinen Sport attraktiver und moderner zu machen – durch ein neues Meeting, dass er in seiner Heimatstadt Jena mitorganisiert. Allerdings stößt er mit seinen Ideen an die Grenzen dessen, was die Vorschriften der Leichtathletik erlauben.
    "Ganz einfach es Beispiel: Wir hatten mal vor, den Speer selbst zu beleuchten, wollten einen Fluglichtevent machen. Aber jegliche Modifizierung am Speer ist verboten, wenn die Weite im Buch stehen soll."
    ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky am Mikro, links: Mark Schober (Generalsekretär des DHB)
    ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky spricht bei der DLF-Sportkonferenz (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
    Verbandsmeierei. Thomas Röhler ärgert so etwas – nicht nur, weil es vielleicht eine vertane Chance ist, beim Publikum den Rückstand auf König Fußball etwas aufzuholen. Ihm geht es um mehr – darum, Menschen überhaupt für aktiven Sport zu begeistern anstatt ihn beispielsweise eher passiv vor dem Computer zu betreiben. Vereinskultur oder e-Gaming. Genauso wichtig die Frage ob Fußball oder Leichtathletik, sagt Röhler auf der Sportkonferenz des Deutschlandfunks.
    "Wenn ich mir die Gesellschaft aktuell angucke als Sportler, der einfach brennt für den Sport, für die Bewegung, das Finanzielle mal ganz an die Seite gestellt, dann müssen wir alle gemeinsam aufpassen, ob wir Fußballer sind, Bogenschützen oder Schachspieler, dann müssen wir unseren Gesellschaftswert Sport irgendwann mal abgrenzen und absichern. Denn die E-Gamer, die sind bald über dem Fußball, wenn wir nicht aufpassen."
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