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70 Jahre DGB
"Gewerkschaften brauchen engagierte Menschen"

Zum 70. Jubiläum des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat DGB-Chef Reiner Hoffmann zu mehr Engagement aufgerufen, um auch in Zukunft im Interesse der Menschen agieren zu können. Immer weniger Beschäftigte unterliegen der Tarifbindung. Ein Punkt, auf den auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede einging.

Von Volker Finthammer | 21.10.2019
Bundeskanzlerin Angela Merkel (M, CDU) wird von Reiner Hoffmann (l), DGB-Vorsitzender, und Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, beim Festakt zu 70 Jahre Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (M, CDU) wird von Reiner Hoffmann (l), DGB-Vorsitzender, und Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, beim Festakt zu 70 Jahre Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt. (dpa / Bernd von Jutrczenka)
Die Bundesrepublik sähe anderes aus, wenn es den Deutschen Gewerkschaftsbund nicht gäbe, sagt dessen Vorsitzender Rainer Hoffmann zum 70. Gründungsjubiläum des DGB. Aber klar ist für den amtierenden Vorsitzende auch, dass die Zeit der großen Industriegewerkschaften, wegen der vielen Veränderungen in der Arbeitswelt, in Teilen vorüber ist, und dass auch die Einzelgewerkschaften sich neu aufstellen müssen, um die Arbeitnehmerinteressen noch angemessen vertreten zu können.
"Wir erleben einen Strukturwandel, der mit dazu beigetragen hat, dass wir den größten Niedriglohnsektor in Europa haben. Und das kann einem Gewerkschafter nicht gleichgültig sein, dass sieben Millionen Menschen unter 10 Euro 20 verdienen, da müssen wir dringend nacharbeiten. Und ich sage hier auch ganz klar in Richtung Arbeitgeber, lassen sie uns Tarifverträge für diese Leute schließen, die sind besser als ein Mindestlohn. Und wir schaffen damit nicht nur bessere Löhne. Bessere Arbeitszeiten, bessere Arbeitsbedingungen, darauf kommt es uns an."
So Hoffmann am Morgen in der ARD.
Es fehlen zunehmend junge engagierte Mitglieder
Trotz aller Unkenrufe und sinkender Mitgliederzahlen können die Gewerkschaften pro Jahr mehr Eintritte verzeichnen als viele andere Organisationen. Allein die Altersstruktur macht auch den DGB-Gewerkschaften im 70. Lebensjahr zu schaffen. Mitmachen ist da für den DGB-Chef die einzige Alternative für Arbeitnehmer.
"Weil: Gewerkschaften sind Mitgliederorganisationen und brauchen engagierte Menschen, damit wir diesen Wandel auch erfolgreich im Interesse der Menschen gestalten können."
Als Festrednerin trat die Bundeskanzlerin auf der Jubiläumsfeier in Berlin auf und absehbar war, dass man keine all zu große Konfrontation erwarten durfte. Die Koalition will die Tarifbindung der Unternehmen stärken und etwa in der Pflege erstmals branchenweite Tarifbedingungen durchsetzen. Das zählt zu den Pluspunkten. Gleichzeitig sollen die Arbeitszeitregeln weiter aufgeweicht werden und die Hängepartie bei der Grundrente ist den Gewerkschaften ein Dorn im Auge. Aber die aktuellen Fragen blieben an diesem Tag weitgehend außen vor.
Auch Merkel wirbt für eine höhere Tarifbindung als bisher
Angela Merkel beließ es beim Grundsätzlichen, betonte, dass sie etwa beim gesetzlichen Mindestlohn einen Lernprozess durchlaufen habe und warb erneut für eine höhere Tarifbindung in Deutschland, die letztlich auch für die Politik das Leben einfacher macht, weil die konkreten Anliegen schon weit vorher von den betroffen Tarifpartnern selbst gelöst werden. Und diese Qualität müsse unbedingt auch ins digitale Zeitalter übertragen werden.
"Dass das, was wir in der sogenannten analogen Welt gelernt haben, an Beziehungen zwischen Menschen, Unternehmen und gesellschaftlichen Zusammenhängen, in die digitale Welt übertragen werden muss, dass das kein Raum sein kann, in dem Rechte und Pflichten und die Grundannahmen unserer Gesellschaft nicht mehr gelten. Und ich glaube, das ist ganz wichtig, dass wir uns das immer wieder vor Augen führen."
Die Bundeskanzlerin nutzte ihre Festrede auch nicht für eine versteckte Kritik, allenfalls bedauerte sie, dass die Gewerkschaften der SPD näher stehen als der Union und schloss mit einer Ermunterung:
"Bewahren sie auch in Zukunft die Einheit und die Solidarität im DGB. Gestalten sie Deutschland erfolgreich mit, in Zeiten wie diesen, in denen es darum geht gute Bedingungen auch für die Arbeit 4.0 zu schaffen."