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70 Jahre Nato
Wankende Bündnistreue

Während US-Präsident Trump offenbar zwischenzeitlich erwog, mit den USA die Nato zu verlassen, erhält das Verteidigungsbündnis kurz vor seinem 70. Geburtstag demonstrativ die Rückendeckung vom US-Kongress. Schon das Protokoll lässt erahnen, dass die Feierlichkeiten unter besonderen Vorzeichen stattfinden werden.

Von Bettina Klein | 01.04.2019
    Das Nato-Hauptquartier in Brüssel. Die Fahnen der Mitgliedsländer wehen im Wind.
    "Ein Bündnis von gewaltigem Wert für die Sicherheit in Europa." - Für die Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmüller hat die von Trump ausgelöste Nato-Debatte auch einen positiven Aspekt. Im Bild: Das Nato-Hauptquartier in Brüssel (Julien Warnand, dpa picture alliance)
    Es werden nicht die Staats- und Regierungschefs sein, die in dieser Woche den 70. Geburtstag der Nato begehen. Sie treffen sich erst im Dezember in London.
    "Es waren damals auch die Außenminister, die den Washingtoner Vertrag unterzeichneten. Angemessen also, dass sie nun am gleichen Ort an das Ereignis damals erinnern," so Nato-Sprecher Dylan White zum Deutschlandfunk Studio in Brüssel.
    Die Nato hat sich in der Geschichte mehrfach gewandelt. Sie steht heute neuen, aber auch alten Herausforderungen gegenüber. Zu den unerwarteten gehörte ganz sicher ein amerikanischer Präsident, der von innen her immer wieder Zweifel am Sinn des Bündnisses schürte.
    US-Kongress lädt Nato-Generalsektär ein
    Wie um sein Bekenntnis zur Nato zu dokumentieren, hat der US-Kongress den Generalsekretär eingeladen, am Mittwoch vor beiden Häusern des Parlaments zu sprechen. Eine nie dagewesene Geste.
    "Eine große Ehre," bedankte sich Jens Stoltenberg kürzlich. Vor wenigen Tagen erst wurde seine Amtszeit bis 2022 verlängert. Der Norweger genießt großen Respekt. In schwierigen Zeiten habe er sich als ausgleichender Moderator erweisen, heißt es im Bündnis. Man wollte etwaigen Spekulationen um seine Zukunft wohl gezielt entgegentreten und hat ihm damit sicherlich den Rücken gestärkt. Auch für Gespräche mit US Präsident Trump, der ihn morgen im Weißen Haus empfangen wird. Nato-Sprecher Dylan White:
    "Die Hauptbotschaft wird sein, dass die Nato gut ist für Europa – und für Nordamerika."
    Die Einladung in den Kongress – sie ist nicht nur ein Signal der Wertschätzung für den Generalsekretär, sondern vor allem eine Warnung an das Weiße Haus, sagt Constanze Stelzenmüller von der Brookings Institution in Washington:
    "Der Kongress steht hinter der Nato!"
    In den US-Ministerien kennt man den Wert der Nato
    Denn dort im Kongress, wie in den Ministerien wisse man, was das Bündnis für Amerika Wert sei. Die Nato – eine uneingeschränkte Erfolgsgeschichte?
    "Die Nato ist 70 Jahre lang relevant geblieben für die Interessen ihrer Mitgliedstaaten. Und das kann man schon als Erfolg bezeichnen", meint Johannes Varwick, Professor für internationale Beziehungen und europäische Politik an der Universität Halle-Wittenberg.
    "Auf der anderen Seite hat die Nato sich natürlich in sieben Jahrzehnten mehrfach gehäutet und gewandelt. Sie hat sich angepasst an neue Herausforderungen. Und da gab es natürlich auch immer wieder Entscheidungen, die kritisch zu diskutieren sind."
    Zur kritischen Bilanz zählt der Politikwissenschaftler den Afghanistan-Einsatz, aber auch die Osterweiterung der Nato, grundsätzlich seiner Meinung nach richtig, und dennoch nur teilweise gelungen.
    Kein Bündnis zum Nulltarif
    "Was macht Deutschland", wurde der Nato-Generalsekretär kürzlich immer wieder gefragt. Und hebt immer wieder hervor, was Deutschland schon alles tut für das Bündnis. Reale Summen, reale Steigerungen, reale Beteiligung, wie in Afghanistan: Doch ob es 2024 noch zu den zugesagten 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kommt, scheint nach den jüngsten Haushaltsplänen fraglich.
    "Ich erwarte mehr", sagte Jens Stoltenberg auch. Er wird wohl in dieser Woche zwischen dem US-Präsidenten und den anderen Verbündeten zu vermitteln haben. Auch wenn es offiziell planerische Gründe waren: Dass zum Jahrestag nicht die Staats- und Regierungschefs nach Washington kommen, spricht Bände, meint Constanze Stelzenmüller von der Brookings Institution. Man wollte verhindern, dass Trump die akribische Choreografie eines Treffens mit seinen Tweets oder einem Auftritt untergräbt.
    "Aber provokant gesagt: Die Fundamentalkritik von Trump an der Nato hat eigentlich eine wichtige Debatte in Europa ausgelöst. Sie hat den Europäern klar gemacht, dass dieses Bündnis von gewaltigem Wert für die Sicherheit in Europa – und nicht zum Nulltarif zu haben ist."
    Das Thema Lastenteilung wird offiziell am Donnerstag bei den Außenministern zur Sprache kommen. Und wer weiß, was der Präsident in dieser Woche noch dazu zu sagen hat.