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74. Filmfestspiele Venedig
Ältestes Filmfestival am Puls der Zeit

Venedig ist stolz auf das älteste Filmfest der Welt, hält sich aber auch zugute, immer jung geblieben zu sein. Diesmal präsentiert sich das Festival mit einer neuen Abteilung zur Virtuellen Realität. Deutsche Regisseure haben es diesmal nicht in den Wettbewerb geschafft.

Von Tassilo Forchheimer | 30.08.2017
    Vorbereitungen für das 74. Filmfestspiel in Venedig vom 30.8. - 9.9.2017
    Vorbereitungen für das 74. Filmfestspiel in Venedig vom 30.8. - 9.9.2017 (AFP / Filippo Monteforte)
    Wie immer auf dem Lido wird bis zuletzt gesägt und gehämmert. Während vor dem Kino-Palast noch die Handwerker regieren, gibt Festival-Chef Alberto Barbera hinter den Kulissen schon fleißig Interviews:
    "Das Filmfestival von heute lädt dazu ein, die Zukunft zu betrachten – auf unterschiedliche Weise. Es geht um die Probleme, die unseren Planeten und die Menschheit beschäftigen. Migration, Umwelt, Klimawandel und so weiter. Viele dieser Themen spiegeln sich in den Festivalbeiträgen. Der Blick in die Zukunft bezieht sich aber auch auf neue Entwicklungen im Bereich des Kinos. Nichts ist mehr so, wie es war. Die Veränderung kommt schnell. Dieses Festival ist keine Momentaufnahme der Gegenwart, es ist eine Welt, in der man über Filme von heute das Kino von morgen betrachten kann."
    Virtuelle Realität bekommt eigene Abteilung
    Venedig ist stolz auf das älteste Filmfest der Welt, hält sich aber auch zugute, immer jung geblieben zu sein. Am Puls der Zeit, was sich in diesem Jahr vor allem in einer technischen Neuerung widerspiegelt, sagt Paolo Baratta, der Präsident der Biennale von Venedig, unter deren Dach das Filmfestival stattfindet:
    "Wir sind eingetreten in das Zeitalter der Virtuellen Realität. Die couragierte Entscheidung von Alberto Barbera, dem Virtuellen eine eigene Abteilung zu widmen, verdient einen symbolträchtigen Ort, der diesen Übergang widerspiegelt."
    Wer das Kino der Zukunft erleben möchte, muss mit dem Boot übersetzen zur alten Lazarett-Insel vor dem Lido di Venezia. In der Zeit der Pest stapelten sich an dieser Stelle Leichenberge. Heute tragen die Menschen hier Kopfhörer und 3D-Brillen, um in fremde Welten einzutauchen. Wie fühlt es sich an, ein Koma-Patient zu sein? Wie lebt es sich im kriminellen Neapel? Oder warum schmelzen die Gletscher auf Grönland schneller als erwartet? Auf solche Fragen gibt es hier Antworten.
    Für die Video-Künstlerin Nonny de la Pena, die schon seit Jahren sogenannte VR-Videos produziert, hat Venedig damit eine Spitzenposition übernommen:
    "Es gibt andere Festivals, aber die sind nicht so wie dieses hier. Sie haben uns eine eigene Insel gewidmet, alles ist kuratiert. Wir haben eigene Betreuer. Venedig präsentiert sich hier mit einer herausragenden Abteilung zur Virtuellen Realität. Jetzt komme ich mir nicht mehr wie ein hässliches Stiefkind vor."
    Das Blitzlicht-Gewitter am Roten Teppich wird allerdings auch heute Abend wieder den zahlreichen Prominenten gelten, die gerne am Lido posieren. Nach wie vor sind hier besonders viele Hollywood-Stars vertreten. Deutsche Regisseure haben es heuer nicht in den Wettbewerb geschafft. Festival-Chef Alberto Barbera:
    "Ich glaube, der deutsche Film hatte in den vergangenen Jahren ähnliche Probleme wie das italienische Kino. Es wurde mehr produziert. Gleichzeitig ist die Qualität gesunken. Nur wenige deutsche Produktionen schaffen es auf die internationale Bühne. Deutsche und Italiener müssten mehr an den globalen Markt denken, nicht nur an ihren nationalen."
    Aber immerhin ist einer der Wettbewerbsbeiträge eine deutsche Ko-Produktion. Der chinesische Künstler Ai Weiwei, der seit einiger Zeit in Berlin lebt, wird in Venedig seine Dokumentation "Human Flow" präsentieren. In dem Film geht es um die weltweite Flüchtlingskrise.
    Hohe Sicherheitsstandards
    Erstaunlich entspannt gibt sich Festival-Chef Barbera beim Thema Sicherheit.
    "Es gibt eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen, aber man sieht sie nicht. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich nichts verändert. Keine Metaldetektoren, keine persönlichen Kontrollen. Es gibt Zementblöcke, die verhindern, dass Autos auf das Festivalgelände kommen. Ansonsten vertrauen wir auf moderne Technologien. Das Publikum merkt nicht, dass alles minutiös überwacht ist und dass wir die Sicherheitsvorkehrungen im Vergleich zu früher erhöht haben."
    Die Preise des Wettbewerbs werden am 9. September vergeben.