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75. Jahrestag
Das Erbe von Bretton Woods

Das Abkommen von Bretton Woods war die Grundlage des funktionierenden Handels nach dem Zweiten Weltkrieg - bis das Dollar-basierte System in den 1970er-Jahren zusammenbrach. Dennoch prägt das Treffen vor 75 Jahren die Weltwirtschaft bis heute. Nicht immer zum Guten, wie Kritiker anmerken.

Von Mischa Ehrhardt | 22.07.2019
Das Hotel Mount Washington Resort in Bretton Woods, New Hampshire, USA. Dort wurde 1944 ein Abkommen zur internationalen Finanz-Zusammenarbeit geschlossen.
Das Hotel steht noch - das Abkommen von Bretton Woods nicht. Aber IWF und Weltbank haben die Auflösung überlebt (imago stock&people)
Es war eine denkwürdige Zusammenkunft in einem bis dato unbekannten Örtchen im amerikanischen New Hampshire. 44 alliierte Nationen kamen zusammen, um die Basis für eine international koordinierte Finanz- und Wirtschaftspolitik zu legen.
"Gerade in der Zwischenkriegszeit, zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, stellte man doch fest, dass die damalige Wirtschaftskrise auch sehr stark beschleunigt wurde durch die Abschottung der Volkswirtschaften gegeneinander. Und in einer Weltwirtschaft, die sich damals schon abzeichnete, immer stärker verflochten wurde, war es eben notwendig, diese Kooperation zwischen den Ländern in Gang zu bekommen. Und das waren die Grundpfeiler des Bretton-Woods-Systems und auch die Ursache für die Gründung internationaler Organisationen wie beispielsweise dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank", sagt der Chefvolkswirt der Deka Bank, Ulrich Kater.
Zwei Institutionen haben überdauert
Führend bei der Gründung der internationalen Zusammenarbeit in den beiden Institutionen IWF und Weltbank waren die USA und Großbritannien. Die Länder also, die mit Protektionismus und "America First" auf der einen und dem Alleingang durch den Brexit in Europa auf der anderen Seite von sich reden machen.
Ulrich Kater meint, dass diese Alleingänge zwar den internationalen Handel treffen und einschränken können. Er geht aber nicht davon aus, dass die Kooperation im globalen Finanzsystem dadurch gefährdet ist:
"So wird China beispielsweise seine Währungsreserven, die es in US-amerikanischen Dollars hält, nicht einsetzen, um politisch gegen Amerika vorzugehen. Denn die Weltwirtschaft ist auf dieses System der Finanzen, wie es heute ist, und auch die Verflechtung derartig angewiesen, dass ein Zerreißen des Netzes auch denjenigen betrifft, der das Netz dann zerreißen würde."
Aufstieg der Schwellenländer macht sich bemerkbar
Allerdings findet insgesamt global wohl eine Verlagerung statt - und zwar wegen der Verschiebung der ökonomischen Machtverhältnisse. Aufstrebende Schwellenländer wie China sind wirtschaftlich zunehmend dominierend, haben aber vergleichsweise wenig Gewicht in IWF und Weltbank. So beträgt der Stimmenanteil der 18 Euro-Staaten im IWF beispielsweise knapp 23 Prozent, auf China entfallen nur rund sechs Prozent.
Deswegen haben asiatische Länder eigene Institutionen gegründet, wie die Asiatische Infrastruktur-Investmentbank, und machen sich so von IWF und Weltbank unabhängiger. Die Dominanz der westlichen Industriestaaten und deren Machtinteressen sind schließlich auch Zielpunkt der meisten Kritiker gegenüber IWF und Weltbank.
"Weltregierung der reichen Länder"
"IWF und Weltbank haben sich im Laufe ihrer Entwicklung zu einem Instrument der Macht der reichen gegen die armen Länder entwickelt", sagt Karl-Martin Hentschel, Finanzexperte bei der Nichtregierungsorganisation Attac.
"Und sie haben dazu geführt, dass eine quasi Weltregierung der reichen Länder gegenüber dem großen Teil der armen Länder installiert wurde, die sich in massiver Weise in die Innenpolitik, in die Sozialpolitik, in die Menschenrechtspolitik von Ländern eingemischt hat. Und es ist erstaunlich, dass häufig Länder, die sich dem verweigert haben, sich besser entwickelt haben als die Länder, die die Hilfe angenommen haben."
IWF und Weltbank verändern sich
Allerdings sind mittlerweile Veränderungen zu erkennen, nicht zuletzt durch Christine Lagarde, die den Internationalen Währungsfonds in den vergangenen Jahren geleitet hat. Beide Institutionen treten nun auch gegen krasse Armut und für eine bessere Verteilung des Wohlstands weltweit ein. Was nach 75 Jahren beider Institutionen bleibt? Der Gedanke der Zusammenarbeit, meint Ulrich Kater:
"Dass eine Kooperation zwischen den Währungsgebieten absolut notwendig ist, um Ungleichgewichte - die im Wirtschaftsleben immer wieder entstehen – auszugleichen und nicht Krisen entstehen zu lassen. Das ist die entscheidende Lehre aus dem letzten Jahrhundert: dass man internationale Krisen entschlossen angehen sollte, um sie zu lösen, um keine Zeit zu verlieren und verlorene Wachstumsjahre zu produzieren."