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9.2.1979 - Vor 25 Jahren

Sie betreuen schreiende Kinder, pflegen Familienangehörige, waschen, kochen, putzen und organisieren die Familie. Über zehn Millionen deutsche Hausfrauen leisten einen Vollzeitjob, haben aber keine gesetzliche Unfallversicherung und erwerben kaum eigene Rentenansprüche. Sie werden nicht einmal als Erwerbstätige anerkannt, weil ihre Arbeit unbezahlt ist. Damit wollte sich die damals 40-jährige Soziologin Gerhild Heuer nicht abfinden. Am 09. Februar 1979 gründete sie bei Kiel die deutsche Hausfrauengewerkschaft.

Von Frauke Hinrichsen | 09.02.2004
    Im Grunde genommen geht es darum, dass sich die Hausfrau nach außen hin mal lautstark äußert und mit ihren Problemen wirklich das bewirkt was sie eigentlich sollte, nämlich dass die Familie wieder mehr in den Mittelpunkt rückt als eine Vereinigung die doch eigentlich dem Staat hilft und ihn fördert und alle Parteien reden seit Jahren davon, inklusive Wissenschaft wie wichtig eine heile Familie ist contra Drogen contra Kriminalität, aber keiner tut was, das bleibt alles.

    Ihre zentralen Forderungen waren: die Anerkennung der Hausfrauentätigkeit als Beruf, die Aufnahme der Hausfrauen in die gesetzliche Unfallversicherung und eine angemessene Altersversorgung. Heuer selber war keine typische Hausfrau, sondern Dozentin an der pädagogischen Hochschule in Kiel. Juristisch gesehen war ihre Hausfrauengewerkschaft nichts anderes als ein eingetragener Verein. Deshalb bezeichnete der deutsche Gewerkschaftsbund den Namen als Etikettenschwindel. In einer Talkshow erklärte die Gründerin, warum sie den Titel Gewerkschaft gewählt hatte:

    Streik ist ein Wort, das unbedingt mit Gewerkschaft verknüpft ist, und deshalb habe ich ja auch das Wort Gewerkschaft gewählt. Ganz bewusst, um deutlich zu machen es ist kein neuer Häkelclub, der hier entsteht und auch keine Samariter-Nebendienststelle, sondern es ist eine Funktion die deutlich macht, dass die Hausfrau mitten im gesellschaftspolitischen Leben steht, dass sie bisher keine Lobby hatte, die ihr geholfen hat ihre Bedürfnisse zu formulieren und zu vertreten und deshalb Gewerkschaft, jawohl und auch mit Streik.

    Tarifpartner sollten nicht etwa die Ehemänner sein, von denen auch einige als Sympathisanten der Organisation beigetreten waren, sondern der Gesetzgeber und private Institutionen. So hielt es Gerhild Heuer beispielsweise für möglich, eine Fernsehanstalt durch Boykott dazu zwingen, nicht-kindgerechte Sendungen abzusetzen. Doch die Gewerkschaft war klein, und 1984 sah die Gründerin ihren Versuch, die gut 1.000 Mitglieder zu öffentlichkeitswirksamen Aktionen zu mobilisieren, als weitgehend gescheitert an. Sie trat aus ihrer eigenen Organisation aus. Während der internen Turbulenzen bewies die damalige neue Vorsitzende Ute Alt visionäre Kraft, als Reporter sie nach der Zukunft der Gewerkschaft fragten.

    Ich glaube, dass die Zeit für uns arbeitet, denn [...] es werden immer weniger Frauen bereit sein, einer Kindererziehung zuliebe ihren Beruf aufzugeben, was die Folge sein wird, dass immer mehr Frauen nur ein Kind oder gar kein Kind bekommen [...]. und die Probleme der Rentenversicherung werden sich damit immer weiter vergrößern. Spätestens im Jahre 2000 sind wir soweit, dass nichts mehr daran vorbeigeht zu erkennen, dass die Hausarbeit und die Kindererziehung ein ganz wesentlicher Aspekt unseres gesellschaftlichen Daseins sind. Und wir brauchen nur den entsprechend langen Atem [...].

    Den hatte die Hausfrauengewerkschaft und trug über die Jahre hinweg dazu bei, die unbezahlte Hausfrauenarbeit in der Öffentlichkeit zu einem Thema zu machen. Anfang der neunziger Jahre rief sie alle Mütter dazu auf, gegen ihre rentenrechtliche Ausbeutung vor Gericht zu klagen. Als einen Teilerfolg versteht sie die inzwischen verbesserte Anrechnung von Kindererziehungsjahren in der Rente. Seit 1996 fordert die Gewerkschaft ein Gehalt für Familienarbeit. Eltern sollen so entscheiden können, ob sie die Erziehungsarbeit selber zu Hause leisten oder die Betreuung delegieren. Seit Jahren streitet die Organisation auch für eine Reform des Eherechts. Sie will ein Gesetz, das Hausfrauen nicht nur wie bisher dazu berechtigt, ein Taschengeld vom erwerbstätigen Ehemann zu bekommen, sondern gleichberechtigt über das Gehalt mitzuverfügen. Auch hier gibt es einen Teilerfolg: Der Bundestag verhandelt jetzt über ein Gesetz, das die Hausfrau zumindest dazu ermächtigt, den Kontostand ihres Mannes einzusehen. Vor drei Jahren trug die Organisation intern der fortschreitenden Emanzipation der Frau oder - je nach Sichtweise - des Mannes Rechnung: Sie benannte sich um in: "Verband der Familienfrauen - und männer".