Donnerstag, 18. April 2024

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"A Bigger Splash"
Eine große Leere

1969, als Jacques Derays Film "Der Swimmingpool" entstand, waren die beiden Hauptdarsteller Alain Delon und Romy Schneider seit einiger Zeit kein Paar mehr. Und genau das gab diesem Erotik-Thriller eine brennende Hitze. Jetzt hat Luca Guadagnino mit "A Bigger Splash" ein Remake von Jacques Derays Klassiker von 1969 gedreht.

Von Hartwig Tegeler | 04.05.2016
    Harrys Tochter Penny (gespielt von Dakota Johnson) im Pool der Villa
    Harrys Tochter Penny (gespielt von Dakota Johnson) im Pool der Villa (Imago/Zuma Press)
    Oh ja, die Idylle. Marianne und Paul am Pool der wunderschönen Villa auf der Mittelmeerinsel. Das Haus von Freunden. Marianne, Rocksängerin, die bis vor kurzem Stadien füllte. Jetzt darf sie wegen einer Stimmband-OP nicht einmal mehr sprechen. Paul, einige Jahre jünger, ist Dokumentarfilmer und trockener Alkoholiker. Und dann, am Pool, Sonne, ein leichter Wind vom Meer, ist es auf einmal vorbei mit der Ruhe. Mit dem Anruf von Harry beginnt die Geschichte, die düster enden wird. Also: Telefonklingeln.
    "Ich habe dich gefunden. Rate, wer hier ist."
    "Harry, Harry, hier ist Paul. Wir sind am See. Harry, Harry!"
    1969. "Der Swimmingpool" von Jacques Deray - Marianne und Jean-Paul im Haus am Pool in Saint-Tropez. Dann taucht der alte Geliebte von Marianne auf. Ein Eifersuchtsdrama entspinnt sich. Alain Delon, Romy Schneider, Maurice Ronet und die junge Jane Birkin.
    1967. "A Bigger Splash", das Gemälde von David Hockney. Eine Villa, gezeichnet in klaren, rechteckigen Linien, davor der Pool, das Gelb des Sprungbretts am rechten unteren Rand des Gemäldes. Im planen Blau das aufspritzende Wasser, dessen Weiß die geometrische Ordnung förmlich zerschlägt.
    In Luca Guadagninos Film "A Bigger Splash" ist es Harrys Telefonanruf, der alle Ruhe, in die sich Marianne und Paul eingenistet haben da am Pool, aus dem Lot bringt. Harry, dem Ralph Fiennes in seiner grandiosen, hemmungslosen Darstellung eine nervige Fiebrigkeit gibt; Harry, der Marianne - Tilda Swinton - zurückhaben will. Harry, der jede Stimmung, jede Situation okkupiert.
    "Sie darf nicht reden. Und das sage ich nicht noch mal."
    "Natürlich darf sie reden. Als Björk operiert wurde, hat sie nach zwei Wochen wieder ganz normal …"
    "Das ist mir scheißegal, was mit Björk war, okay. Oder mit Adele."
    Emotionale Achterbahnfahrt
    Harry, der Paul - wunderbar gelassen, verwundet und brodelnd gespielt vom Belgier Matthias Schoenaerts -, Harry, der Paul in den Wahnsinn oder vielleicht besser, und das wird sich als gefährlich erweisen, zur Weißglut treibt.
    "Nein, hier ist alles gut. Mit ein paar Tabletten haben wir alles im Griff."
    "Wie lautete dein Name, welches ist deine Lieblingsfarbe?"
    "Also wirklich, willst du, dass ich dir eine runterhaue?"
    Und um diese emotionale Achterbahnfahrt zu steigern, ist da auch noch Harrys Tochter, gespielt von Dakota Johnson. Der einzige Wermutstropfen bei der Besetzung von "A Bigger Splash" übrigens, weil uns Regisseur Luca Guadagnino vormachen will, dass sie erst siebzehn ist, und weil Dakota Johnson die ganze Zeit über mit einem stoischen Reh-Blick durch die Szenerie läuft. Der Film "A Bigger Splash" jedenfalls sagt uns: erotische Schwingung zwischen Paul und Penelope. Kribbeln, etc.
    "Ich brauche mehr Schätze, schmeiß deine Uhr rein."
    "Ich lese."
    "Schmeiß einen Stuhl rein."
    "Nein, ich schmeiße keinen Stuhl rein, tut mir leid."
    Film mit großer Kraft
    Jacques Derays Film "Der Swimmingpool" spielte in Saint-Tropez, Luca Guadagninos Remake auf einer Insel auf halbem Wege zwischen Sizilien und Afrika. Das ist die entscheidende Differenz zum Original. Einmal begegnen Paul, Marianne, Harry und Penelope bei einem Ausflug einer Gruppe von Flüchtlingen, die gerade über das Meer gekommen ist. Die starren die Urlauber an, dann flüchten sie.
    Später im Film sehen wir ein improvisiertes Flüchtlingslager an der Polizeistation der Insel. Zwei Szenen, die zwar wie am Rande des Gesichtsfeldes ablaufen, aber sie haben eine enorme Wirkung, weil sie die Geschichte quasi in einen bestimmten Ton tauchen und auf extreme Weise deutlich machen, dass für Harry, Paul, Marianne und Penelope die Welt draußen nicht stattfindet. Keine Kommunikation mehr mit dem Außen, aber auch keine mit dem eigenen Inneren. "A Bigger Splash" ist ein Film über eine große Leere.
    Luca Guadagninos Film "A Bigger Splash" bindet das existentielle Drama aus Jaques Derays Film "Der Swimmingpool" mit diesen wenigen Pinselstrichen über die Flüchtlinge an unsere Zeit an. Darin liegt eine große Kraft. Auch in dem Mut, seine Figuren oder die, die am Ende noch übrig sind, am Ende in ihrer großen Leere am Pool der Villa in der Sonne zurück zu lassen. Und so lebten sie dahin.