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Ab in den Osten

Bis 2020 soll die Zahl der Studierenden in Ostdeutschland trotz Bevölkerungsrückgang stabil bleiben, so sieht es der Hochschulpakt zwischen Bund und Ländern vor. Um das zu erreichen, gibt es zahlreiche Marketing-Kampagnen der Hochschulen so auch "Studieren in FernOst".

Von Ulf Walther | 19.10.2009
    Vor drei Wochen in Leipzig: Zwei Trabbis halten vor einem Wohnblock, drei angehende Studierende steigen aus und beziehen gemeinsam eine Wohnung – die "AbenteuerWG". Die Drei hatten sich an der Universität Leipzig unabhängig voneinander für die "AbenteuerWG" beworben – ein halbes Jahr mietfrei wohnen in einer komplett eingerichteten Dreiraumwohnung – dafür sollen sie über ihr neues Leben im Internet bloggen. Mit den Trabbis wurden die Neu-Leipziger aus ihren Heimatorten in Hessen und Rheinland-Pfalz abgeholt. Nun müssen sie sich erst einmal gegenseitig kennen lernen:

    "Ich bin Nina Heinrich, bin 19 Jahre alt und komme aus Kriftel, das ist in der Nähe von Frankfurt am Main."

    " Ich bin Patricia Schumacher, ich bin 20 und ich bin aus Oberselters bei Limburg an der Lahn.

    "Ich bin Tim Vollmer, bin 20 Jahre alt und komme aus Ludwigshafen."

    Unter Blitzlichtgewitter bekommt die WG feierlich die Wohnungsschlüssel überreicht. Das Medieninteresse ist seitdem groß.

    Die "AbenteuerWG" ist Teil der Kampagne "Studieren in FernOst", mit der die ostdeutschen Hochschulen auf unkonventionelle Weise im Westen für ein Studium in Ostdeutschland werben. So soll die Zahl der Studierenden stabil bleiben. Wie die Hochschulinitiative Neue Bundesländer nun bekannt gab, ist dies unter anderem durch die vor einem halben Jahr gestartete Werbekampagne gelungen. Einige Hochschulen melden sogar mehr Studierende aus den westlichen Bundesländern. Genauere Zahlen werden in der Pressemitteilung jedoch nur beispielhaft angegeben. Auch die Universität Leipzig habe von "Studieren in FernOst" profitiert, sagt Kanzler Frank Nolden:

    "Es gibt offenkundig einen Erfolg. Er ist auf absolut relativ überschaubarem Niveau, relativ auf großem, hohem Niveau, weil wir eine Verdoppelung erreicht haben. Aber es ist wahrscheinlich noch zu früh, um eine abschließende Stellungnahme dazu abzugeben, ob das ein Erfolg war."

    In Zahlen bedeutet das: Ein Plus von 350 Studierenden aus den westlichen Bundesländern gegenüber dem Vorjahr - bei 27.000 Studierenden insgesamt. Es könnten noch einige mehr sein, wenn die ostdeutschen Hochschulen besser zusammenarbeiten würden, kritisiert Nolden:

    "Problematisch ist, dass es sozusagen eine 'Gesamt-Neue-Länder-Perspektive' gibt und damit konkurrierende und wahrscheinlich auch zum Teil konfligierende und zur Verwirrung beitragende Sonderkampagnen gibt. Insofern wird man meinen müssen, dass eine bessere Abstimmung, auch zur Schonung von Geldressourcen, möglicherweise geboten ist."

    So wirbt Sachsen seit einem Jahr mit einer eigenen Kampagne für ein Studium im Freistaat. Und die Uni Halle in Sachsen-Anhalt startete im Frühjahr, fast zeitgleich mit "Studieren in FernOst", eine hochschuleigene Werbeoffensive unter dem Titel "ich will wissen!". Auch in Halle haben sich zum Wintersemester mehr Studierende aus den westlichen Bundesländern eingeschrieben. Dies habe aber eher mit der eigenen Kampagne zu tun, meint Torsten Evers, Referent für Hochschulmarketing in Halle:

    "Wir haben eine Blitzumfrage gemacht bei den Rechtswissenschaften: Von 176 neuen Rechtswissenschaftlern kannten sechs die FernOst-Kampagne. Ob sie deswegen gekommen sind oder trotzdem – das haben wir noch nicht erhoben."!"

    Ein Hauch Skepsis gegenüber "Studieren in FernOst" scheint also mitzuschwingen.

    Unterdessen eilt die Leipziger "AbenteuerWG" von einem Pressetermin zum nächsten und berichtet von der außergewöhnlichen Wohngemeinschaft. Patricia Schumacher, Nina Heinrich und Tim Vollmer bloggen ihre Erlebnisse und sind die inzwischen wohl bekannteste WG Leipzigs. Und ein wichtiger Werbeträger für die Uni. Nebenbei erleben sie die ersten aufregenden Tage im Uni-Alltag, inklusive Einzugsparty. Patricia Schumacher ist erleichtert:

    ""Es läuft jetzt alles ganz gut an. Also wir hatten unsere Einführungsveranstaltung an der Uni, haben auch mal die ganzen Leute getroffen, mit denen wir jetzt studieren. Also bei mir auf jeden Fall hat sich die Aufregung auch schon etwas gelegt, weil ich jetzt weiß: Welche Veranstaltung habe ich wann? Ich bin für alles eingeschrieben und es funktioniert halt einfach ein bisschen und ich weiß jetzt: Das ist mein Plan und vorher war alles noch so ein bisschen unklar."