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Abfallexporte
Polen wird zur Müllhalde Europas

Tausende Tonnen Müll werden jedes Jahr nach Polen exportiert, auch aus Deutschland. Das Problem: Viele Transporte sind illegal. Zudem fehlt es in Polen an Weiterverwertungs- und Entsorgungsanlagen. Während Menschen und Umwelt unter den Abfällen leiden, verdienen andere viel Geld.

Von Justyna Bronska | 23.09.2020
Illegale Müllkippe mit Abfall aus Deutschland in Polen entdeckt
Der Export von Müll ist ein lohnendes Geschäft (picture-alliance/ dp / epa pap Police Handout)
Eine alte Kiesgrube, ein Feld, ein Wald, eine alte Lagerhalle oder einfach ein Straßenrand: Das sind einige Beispiele, wo deutsche Abfälle in Polen auch abgeladen werden.
"Das sind die Orte, wo wir häufig Abfälle finden. Und an vielen dieser Orte dürfen sie nicht abgeladen werden, weil das grundsätzlich verboten ist, oder weil der Betreiber diese Abfallsorte nicht annehmen darf. Oder weil er keine Genehmigung für die Weiterverwertung von dieser Art von Abfällen hat", sagt Beata Merenda von der Niederschlesischen Inspektion für Umweltschutz - die Behörde, die eingeführte Abfälle rund um Breslau kontrolliert.
Straßenkinder stehen inmitten von Abfällen neben einem Bagger auf einer Müllhalde in Malaysia, Aufnahme geschätzt, ca. 2012
Die giftigen Folgen des deutschen Müllexports
Jedes Jahr exportieren westliche Länder hunderttausende Tonnen Plastikmüll zum Recycling nach Südostasien. Viele der Abfälle landen in der Natur oder werden illegal verbrannt – mit drastischen Folgen.
"Wir sind die Müllhalde Europas"
Tonnenweise importiert Polen Müll aus dem Ausland, und jedes Jahr wird es mehr. Ein Großteil davon, letztes Jahr etwa 70 Prozent, kommt aus Deutschland. Innerhalb von vier Jahren ist die Menge an Abfällen aus Deutschland auf das Fünffache angestiegen. Im vergangenen Jahr waren es gut 270.000 Tonnen. Dazu kommt noch der Müll, der innerhalb der EU ohne Meldepflicht transferiert werden darf, wie Altpapier oder Plastik.
Diese Mengen werden nicht registriert: "Wir sind die Müllhalde in Europa", fasst Piotr Barczak von der Umweltorganisation Zero Waste die steigenden Mülltransporte nach Polen zusammen.
Verwertbares Material darf innerhalb der EU frei gehandelt werden. Dafür benötigt man aber eine Genehmigung. Doch die Abfälle werden auch falsch deklariert und ohne Genehmigung nach Polen gebracht.
Beata Merenda kontrolliert Mülldeponien und die Abfalleinfuhr rund um Breslau: "So wird zum Beispiel deklariert, es würden Kunststoffabfälle transportiert. In Wirklichkeit handelt es sich um Hausmüll. Ein anderes Beispiel: Es wurden nicht funktionsfähige alte Fahrzeuge transportiert, und damit ist es ein illegaler Abfalltransport."
Immer mehr illegaler Müll aus Deutschland
Und die Zahl der illegalen Mülltransporte aus Deutschland steigt laut der Generalinspektion für Umweltschutz in Warschau. Im Jahr 2018 wurden 13.000 Tonnen Abfälle illegal aus Deutschland nach Polen eingeführt. Und das sind nur die, die die Kontrolleure erwischen und überführen konnten. Wie viele tausend Tonnen es unbemerkt über die Grenze schaffen, können die Behörden nur schätzen.
Umweltinspektorin Beata Merenda: "Alleine im vergangenen Jahr hatten wir etwa 20 Stichkontrollen durchgeführt und in 14 Fällen war das ein illegaler Abfalltransport."
Ein Geschäft für beide Seiten
Deutsche Firmen verstoßen gegen das Gesetz und exportieren den Müll nach Polen, weil die Entsorgung im Nachbarland deutlich günstiger ist - etwa um die Hälfte. Und sie finden in Polen offenbar genug Abnehmer. Ein Riesengeschäft für beide Seiten, weiß der Umwelttechniker Grzegorz Wielgosinski von der Technischen Universität Lodsch.
Der Umweltausschussvorsitzende Michael Thews, SPD, beim Pressestatement nach der Sitzung.
Thews (SPD) zu Müllexporten - "Erst mal vernünftige Kontrollen"Er begrüße, dass Länder wie Malaysia auf die Müllexporte reagierten, sagte der SPD-Umweltpolitiker Michael Thews im Dlf. Mit Müllexporten ins Ausland konterkariere man die Anstrengungen in Deutschland, vernünftig zu recyceln.
Das Geschäft mit dem Müll läuft auch häufig so ab: "Eine polnische Firma bietet einem deutschen Betreiber die Abnahme von zum Beispiel Plastik an. Der Import ist erlaubt. Die Firma hat auch eine Genehmigung, worauf steht, sie wird die Abfälle weiterverwerten. Aber außer einem Grundstück und vielleicht noch einem Bagger für das Abladen von Abfällen hat diese Firma nichts, was man für die Weiterverwertung braucht. Ob eine Einrichtung dafür vorhanden ist, hat die zuständige Behörde nicht kontrolliert, die Genehmigung aber erteilt. Das ist ein legaler Transport, aber in Polen ist die Bewirtschaftung illegal. In so einem Fall wird der Abfall meistens einfach verbrannt."
Katastrophale Folgen für Mensch und Umwelt
Die Deponie-Brände häufen sich in Polen. Und das hat katastrophale Folgen für die Menschen und für die Umwelt, sagt Piotr Barczak. Der Ökologe kritisiert die polnische Regierung, sie tue nicht genug, um die Abfallwirtschaftskriminalität zu bekämpfen. Es würden zu viele Genehmigungen erteilt und die Kontrollen seien unzureichend.
Barczak fordert, die Strafen zu verschärfen und: "Die deutschen Betriebe sollen prüfen, wo ihr Müll hingeht. Was passiert damit in Polen, wer ist der Abnehmer, hat er eine Entsorgungsanlage? Sie drücken zu häufig ein Auge zu."
Der Müll aus dem Ausland stapelt sich in Polen, dabei weiß das Land selbst nicht, wohin mit dem eigenen Müll. Der Ökologe appelliert an die Regierung, die Einfuhr von Abfällen aus dem Ausland zu verbieten. Polen könne diese Mengen nicht mehr verarbeiten.
"Mit Blick auf die Umwelt ist der Mülltransport ins Ausland eine schlechte Lösung. Diejenigen, die den Müll produziert haben, sollen die Verantwortung für die Entsorgung übernehmen und diese Verantwortung nicht auf die ärmeren Länder abschieben, wo die Kosten der Entsorgung niedriger sind."
Der Ökologe Barczak befürchtet jedoch: Solange die Preise in Polen niedriger sind, wird das schmutzige Geschäft mit Abfällen weiter boomen.