Donnerstag, 28. März 2024

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Abfallmanagement? Fehlanzeige

Salina bay im Nordosten von Malta gehörte einst zu den schönsten Ecken der Insel. Doch mittlerweile verschandelt eine riesige Mülldeponie die Landschaft. Bauschutt, Industrieabfall und Hausmüll – sogar Reste von Tierkadavern und medizinische Abfälle wollen Umweltschützer bei Stichproben hier schon gefunden haben. Der Präsident der Denkmal- und Umweltschutzgruppe Din l-Art Helwa Martin Scicluna:

Barbara Minderjahn | 02.12.2003
    Berichte zeigen, dass die Deponie im höchsten Masse giftig und umweltgefährdend ist. Wie Sie wissen, liegt der Müllberg direkt am Meer. Und die Regierung selbst hat diese Küstenregion für Schwimmer gesperrt.

    Die Deponie ist weder zum Meer noch zum Grundwasser hin abgedichtet. Regelmäßige Umweltkontrollen finden nicht statt. Der Müll ist mittlerweile zu einem riesigen, stinkenden Berg angewachsen, der jede andere Erhebung auf der Insel überragt. All das stört auch die Europäische Union. Im Zuge des EU-Beitritts muss Malta die Deponie nächstes Jahr schließen. Doch damit ist das Problem nicht gelöst. Niemand weiß, was mit dem Müll in Zukunft passieren soll. Die Regierung plant, mit den Abfallmassen stillgelegte Steinbrüche aufzufüllen. Dagegen protestieren Denkmalpfleger und andere Lobbygruppen. Denn die Steinbrüche befinden sich in der Nähe von prähistorischen Sehenswürdigkeiten. Die Kulturgüter sollen weiterhin Besucher anlocken, das verträgt sich nicht mit Müll .
    Der stellvertretende Leiter der maltesischen Handelskammer Kevin Borg sieht ein Hauptproblem:

    Malta ist so klein. Egal wo man den Müll hinschüttet. Er ist immer im Weg.

    Malta, nur ein Viertel so groß wie Berlin, ist das dicht besiedeltste Land Europas. Das Beste wäre also, erst gar keinen Müll entstehen zu lassen, zum Beispiel indem man so viele Wertstoffe wie möglich recycelt. Voraussetzung dafür ist, dass die Malteser ihren Abfall zunächst trennen. Das sind die Malteser aber nicht gewohnt, denn für die Mülltrennung besteht auf Malta keine Pflicht. So haben bisher nur wenige Unternehmen und Hotels die Vorteile modernen Abfallmanagements erkannt. Die Gründerin des ersten maltesischen Recyclingunternehmens Green Skip Services Mary Gaerty:

    Viele Unternehmen versuchen gerade die internationalen Qualitätsnormen wie z.B. die ISO 14.000 einzuführen. Das bedeutet, sie müssen gewisse Umweltstandards einhalten. Darüber hinaus sind die Mutterhäuser vieler Unternehmen ja in England, Deutschland oder anderen europäischen Staaten angesiedelt. Diese Firmen müssen sowieso die Qualitäts- und Umweltvorgaben der europäischen Partnerunternehmen einhalten. Und dann kommt noch der finanzielle Aspekt hinzu. Sobald die Firmen Abfall trennen, merken sie wie viel Müll sie produzieren und denken darüber nach, wie sie dieses Material einsparen können. Wirtschaftlich macht das Sinn. Viele Unternehmen haben ihre Produktionsweise verändert und produzieren jetzt weniger Abfall. Langfristig haben Firmen von der Abfalltrennung profitiert.

    Im privaten Bereich fehlen finanzielle Anreize, um Abfall zu vermeiden. Die Müllabfuhr kostet nichts. Die Bürger stellen ihre Tüten auf die Strasse – um den Rest kümmert sich die Stadt. Warum sollen sich die Menschen dann die Mühe machen, Plastik, Glas oder Papier in Container zu werfen? Die einzige Alternative zur stinkenden und immer größer werdenden Deponie scheint in dieser Situation eine Müllverbrennungsanlage zu sein. Moderne Technik soll die entstehenden Abgase aus der Luft filtern und die gewonnene Energie könnte weiter genutzt werden. Doch dieses Projekt wird aus politischen Gründen nicht diskutiert. Mary Geatery:

    Die Bevölkerung ist gegen eine Müllverbrennungsanlage. Es ist eine lange Geschichte. Greenpeace war vor einiger Zeit hier und hat eine öffentliche Kampagne gegen eine Müllverbrennungsanlage durchgeführt. Die Greenpeaceleute lassen da nicht mit sich reden und hören sich auch keine Gegenargumente an, aber sie haben auch keine bessere Lösung.

    Der Müll wird also zwangsläufig neben den prähistorischen Kulturgütern landen. Ob er in späteren Jahrhunderten auch Touristen anlockt, ist jedoch mehr als ungewiss.